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Digitale Archivierung in Rundfunksendern (Fortsetzung)

Autor: Redaktion connect-professional • 25.5.2005 • ca. 3:25 Min

Inhalt
  1. Digitale Archivierung in Rundfunksendern
  2. Digitale Archivierung in Rundfunksendern (Fortsetzung)

IMX- und DIF-Format ­speichern Sendungen
Im speicherplatzintensiven Segment der Fernsehsender haben sich zwischenzeitlich zwei Fileformate mit weltweiter Bedeutung herauskristallisiert: IMX (Interoperability Material Exchange, *.imf) von Sony und DV (Digital Video, *.dif) von Panasonic. Beide sind in Verbindung mit sogenannten Wrapper-Formaten wie MXF (Material Exchange Format) zur Unterbringung von zusätzlichen beschreibenden Informationen (Metadaten) auch gut geeignet, um Content auszutauschen und weiterzuleiten. Dabei möchte man nach Möglichkeit Qualitätsverluste und aufwendige Kodier- und Dekodier-Prozesse innerhalb eines Broadcast-Workflows vermeiden.
Die Fileformate IMX und DV werden im professionellen Einsatz gewöhnlich mit einer Datenrate von 50 MBit/s für das Videosignal verwendet. Brutto ergibt sich für das gesamte TV-Signal mit Ton ein Speicherplatzbedarf von 7,5 MByte/s. Pro Stunde müssen also bereits 27 GByte Speicherplatz bereitgestellt werden. Ein Fernsehsender produziert daher pro Jahr mehrere tausend Stunden zu archivierendes Material.
Bei der Entscheidung für ein modernes digitales Archivierungssystem spielen selbstverständlich auch wirtschaftliche Argumente eine wichtige Rolle. Ein Kostenvergleich zeigt, dass die Speicherung auf ein Bandmedium (Tape) gegenüber der Speicherung auf Festplatte wesentlich günstiger ist. Die Kosten für 1 GByte auf einer professionellen SATA-Disk  (Serial Advanced Technology Attachment) betragen heute etwa 1,50 Euro. 1 GByte auf einem LTO (Linear Tape Open)-Speicherband hingegen kostet nur 0,30 Euro. Dabei bieten weder Disks noch Datenbänder langfristig betrachtet vollständige Sicherheit für den Erhalt von Material über Jahrzehnte. Deshalb ist der Kostenvorteil von Band als Speichermedium überzeugend. Da in einem digitalen Archiv letztlich ?nur? Nullen und Einsen gespeichert werden, ist die Migration auf neue, schnellere und größere Bandmedien immer leicht möglich. Ein weiteres Argument für ein Tape als Medium ist seine Eignung zur Langzeit-Speicherung von Content, der nicht im unmittelbaren sekundenschnellen Zugriff benötigt wird.
In digitalen Archiv-Lösungen kombiniert man gewöhnlich Tape- und Disk-Storage. Firmen wie ADIC, HP, IBM, Storage Tek oder Spectralogic bieten ihrer Datenband-Roboter im IT-Umfeld schon seit vielen Jahren erfolgreich in verschiedenen Ausführungen und Dimensionen an.
So werden im neuen Fernseharchiv des Bayerischen Rundfunks (BR) in München-Freimann zwei redundante Roboter der Firma Storage Tek vom Typ 9310 (»Powderhorn«) eingesetzt. Mit den jeweils bis zu 6000 Medien, die ein solcher Roboter verwalten kann, bietet diese Library bis zu 1200 TByte entsprechend 1,2 PByte (Petabyte) Speicherkapazität, wenn Speichermedien mit 200 GByte Volumen pro Datenband verwendet werden.
In einem anderen Archiv-Projekt im neuen Sendezentrum von RTL II in München-Grünwald wird die Tape-­Library Petasite von Sony eingesetzt. Dieser Roboter kann in einer mittleren Ausbaustufe bis zu 1000 Medien mit je 500 GByte Kapazität aufnehmen. Als Speichermedium wird hier S-AIT (Advanced Intelligent Tape) verwendet. So ergibt sich eine Gesamtkapazität von 0,5 PByte. Die Petasite-Library lässt sich modular erweitern, um die Kapazität an den tatsächlichen Bedarf anzupassen.

Zentrale Komponente ist die Speicherverwaltung
Im Zentrum des digitalen Archivs steht die Speicherverwaltungs-Software. Sie wird unter anderem für die Migration der Daten auf neue und leistungsfähigere Medien innerhalb eines digitalen Archivs benötigt. Mit dem Produkt DIVArchive (Digital Integrated Versatile Archive) ist das französisch-amerikanische Unternehmen Front Porch Digital mit einem Anteil von über 80 Prozent am Marktsegment der Rundfunkanstalten innerhalb von zwei Jahren zum Weltmarkführer geworden. DIVArchive ist eine speziell für datenintensiven Content entwickelte Archiv-Middleware.
Die Funktionen der Lösung umfassen die gesamte Ressourcen-Verteilung und -Verwaltung innerhalb eines Archiv-Systems. Sie besteht aus Komponenten, die eingehende Anfragen von angrenzenden Systemen weiterleiten oder erledigen. So löst der Befehl »Bitte archivieren« den Transfer der Daten von einem Videoserver über ein leistungsfähiges Netzwerk in den Online-Bereich des Archivs und danach oder auch direkt auf Datenband für die langfristige Speicherung aus. Dabei sind viele Steuerungsbefehle abzuarbeiten und Datenbank-Einträge vorzunehmen. Besonders wichtig sind die Schnittstellen zu angrenzenden oder übergeordneten Systemen. So haben TV-Sender zum Teil sehr unterschiedliche Vorstellungen von Workflows und unterscheiden sich in ihren Anforderungen an Systeme für das Media Asset Management.
Eine Besonderheit des DIVArchive-Systems ist das teilweise Auslesen sehr großer Datenfiles aus einem digitalen Archivbestand. So muss man ein 90-­minütiges Fußballspiel (ca. 40 GByte!) nicht vollständig aus dem Archiv lesen, nur um eine einzelne Torszene herausschneiden zu können. Dieses »Partial Restore« ist für kurze Zugriffszeiten, wie das Archiv eines Fernsehsenders sie benötigt, essentiell.
Betrachtet man ein digitales Archiv als Gesamtlösung, ist die Idealvorstellung für die Integration ein Zwiebel-Modell, in dessen Kern sich ein System wie DIVArchive für das Speicher-Management befindet. Außen liegt die Anwendungsschicht eines Media Asset Management Systems, welches die Dokumentation, Indexierung und Recherche der eigentlichen Programminhalte enthält und natürlich die gewünschten Kernprozesse des Anwenders abbildet.   

Melanie Berger ist Projektingenieurin, Ulf Genzel geschäftsführender Gesellschafter der auf digitale Archivierung, Datensicherung, Automatisierungslösungen, Netzwerk- und Serverlösungen für Fernsehsender spezialisierten BIC4 Broadcast + IT Consulting GmbH (www.bic4.de) in Mainz.