eGK-Spezifikationen als bewegliche Objekte
eGK-Spezifikationen als bewegliche Objekte Bei der elektronischen Gesundheitskarte in Deutschland kommt es aufgrund der technischen Komplexität und der politisch-ökonomischen Gemengelage immer wieder zu Verzögerungen. Besonders die Einsatzfähigkeit der Online-Funktionen wird darunter leiden.

»Die elektronische Gesundheitskarte ist die Voraussetzung für eine grundlegende Modernisierung des deutschen Gesundheitswesens. Sie ist der Schlüssel zu einer Vielzahl von neuen Funktionen und wird in Verbindung mit einer Telematikinfrastruktur für die Datenkommunikation die Qualität der medizinischen Versorgung erhöhen und das Recht auf Eigenverantwortung der Patienten stärken.« Soweit die Marketing-Lyrik, wie man sie in vielen offiziellen Verlautbarungen lesen kann. In diesem Fall ist der Text von der Webseite der gematik. Letztere ist eine vom Bundesgesundheitsministerium moderierte Organisation, an der alle Spitzenverbände des deutschen Gesundheitswesens beteiligt sind, um die technischen Spezifikationen für die elektronische Gesundheitskarte (eGK) festzulegen und zu überwachen.
Unvollständige Spezifikationen
Leider ist die Realität bedeutend weniger lyrisch, vielmehr recht nüchtern. Gerade das Paradestück der eGK, nämlich die Telematik-Komponente, liegt im Argen. Zu diesen Online-Komponenten gehören die Konnektoren, die die einzelnen Leistungserbringer (Arztpraxen, Apotheken, Krankenhäuser et cetera) netzfähig machen sollen, dann die VPN-Gateways für eine abhörsichere Übertragung sowie die Anwendungs-Gateways, welche die Vermittlung zwischen den Anforderungen der Leistungserbringer und der Patienten einerseits und den Fachanwendungen der Kostenträger (Krankenkassen) andererseits regeln. Gesundheitskarten-Spezialisten, wie die Essener ISKV (die IT-Organisation der deutschen Betriebs- und der Innungskrankenkassen), bemängelten auf dem Enterprise Signature Day im Februar 2008 in Düsseldorf die »Regulitis« der gematik im fachlichen und technischen Umfeld, die einer zügigen Umsetzung der sicherlich sehr komplexen Aufgabe eGK im Wege stünde. Gleichzeitig sei die eGK-Spezifikation nach wie vor unvollständig. »Für uns Software-Entwickler im eGK-Bereich stellt sich das so dar, dass wir stabile Anwendungen entwickeln sollen, die Spezifikationen aber bewegliche Objekte darstellen. Das kann nicht funktionieren«, war in Düsseldorf zu hören. Dabei ist die ISKV als Lizenzgeberin des IT-Basissystems für die Gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland zusammen mit der Esanio in Hamburg, der IT-Organisation der Deutschen Angestellten-Krankenkasse, einer der bestaufgestellten IT-Betriebe im deutschen Gesundheitswesen. Beide Organisationen werden demnächst übrigens fusionieren und sich Bitmarck nennen. Auch eine solche Großfusion ist sicherlich ein Zeichen für die zunehmende Komplexität bei der Entwicklung von IT-Anwendungen im Gesundheitswesen.
Brachliegende Potenziale
Angesichts der Komplexität der Aufgabe nimmt es nicht wunder, dass gerade im Telematik-Bereich die breite Inbetriebnahme der eGK am meisten Probleme bereitet. Weder bei den Konnektoren noch bei den VPN- und den Anwendungs-Gateways sind bisher die notwendigen Ausschreibungen angelaufen, wurde auf dem Enterprise Signature Day berichtet. Die ISKV-Leute äußerten die Befürchtung, dass »über mehrere Jahre hinweg große Mengen online-fähiger Echtkarten nach der Inbetriebnahme nur offline eingesetzt werden können«. Das würde letztlich nichts anderes bedeuten, als dass die eigentlichen Einsparpotenziale der eGK noch sehr lange brachliegen. Wenn jemand beispielsweise umzieht, müsste mit einer solchen »Offline-eGK« wie bisher bei der alten Krankenversicherungskarte eine neue Karte ausgestellt werden, obwohl die eGK alle Voraussetzungen für die Online-Aktualisierung hat.