Elektronisch verklagt
Elektronisch verklagt. Die Mühlen des Gesetzes mahlen bekanntlich langsam. Damit ist im Rheinland Schluß.

Elektronisch verklagt
Papier ist geduldig. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz ist es nicht. Elektronischer Rechtsverkehr lautet das Zauberwort, das seit zwei Jahren Aktenberge verkleinert und Bürgern, Anwälten sowie Behörden Rechtsverkehr rund um die Uhr ermöglicht. Doch jedem erreichten Ziel gehen Maßnahmen voraus. Am Anfang stand ein Pilotprojekt, hier initiiert vom rheinland-pfälzischen Justizministerium. Dort verspricht man sich viel vom digitalen Datenaustausch. Das Projekt wurde daher landesweit aufgesetzt.
»Die Bürger endlich auf elektronischem Wege mit der gesamten Verwaltungsgerichtsbarkeit kommunizieren zu lassen, war für uns das größte Ziel, seit dem sich E-Mail in der Öffentlichkeit durchgesetzt hat«, erklärt Ralf Geis, Richter am Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz und IT-Projektleiter. »Dabei wollten wir sprichwörtlich auf der ?sicheren Seite? sein.«
Doch welches Produkt eignet sich am besten? Lösungen, die E-Mails ver- und entschlüsseln können, gibt es viele, jedoch nur eine Handvoll Produkte, die aus- und eingehende E-Mails automatisch ver- und entschlüsseln. Sprich: Die eingesetzte Lösung sollte leicht zu installieren und zu verwalten sein und für die Anwender vollkommen transparent im Hintergrund arbeiten. Das machte die Anbieterschar kleiner. Und doch fiel die Entscheidung für eine geeignete Lösung schwer. Bei der Universität Koblenz-Landau gaben die Verantwortlichen des OVG Rheinland-Pfalz eine Marktstudie in Auftrag, das passende Produkt auszusuchen. Mit im Rennen waren neben Utimaco das Hamburger Sicherheitsunternehmen ICC sowie der Berliner Hersteller Zertificon. Nach eingehender Beratung und intensiven Tests entschieden sich die IT-Verantwortlichen für das Utimaco SecurE-Mail Gateway.
Zentrales Gateway
Den Ausschlag für den Sicherheitsanbieter gab dessen Konzept zur Administration der E-Mail-Signatur, Verschlüsselung und Schlüssel-Verwaltung. Auf Basis einer gehärteten Version des Betriebssystems Linux lässt sich die Software-Appliance einfach als SMTP-Gateway integrieren. Es erlaubt die zentrale Umsetzung der behördlichen E-Mail Security-Policy. Das Utimaco SecurE-Mail Gateway verarbeitet die eingehenden E-Mails automatisch und prüft die Gültigkeit der elektronischen Signaturen sowie die verwendeten Dateiformate. Nach dem Prüflauf werden die Nutzerdaten mit dem eigentlichen Inhalt von der Signatur getrennt und dem so genannten EUREKA-Fach ? einem Gerichts-Organisationssystem ? zur Verfügung gestellt. Bei erfolgreichem Versand erhält der Absender automatisch eine Eingangsbestätigung per E-Mail. Entspricht eine Signatur nicht den Freigabekriterien oder wurde ein nicht zugelassenes Dateiformat verwendet, speichert das System die gesamte E-Mail, um sie anschließend manuell überprüfen zu lassen. Die Sachbearbeiter erhalten in diesem Fall eine entsprechende Fehlermeldung. Eine zusätzliche Absicherung der ? delikaten ? Schnittstelle am Verschlüsselungs-Gateway hält Richter Ralf Geis nicht für notwendig. Delikat deshalb, weil die Kommunikation zwischen Client und Gateway bei einer zentralisierten Lösung unverschlüsselt abläuft und für jeden sichtbar ist.
Der Integrationspartner Bechtle kümmerte sich um die Umsetzung des Projektes und band die Utimaco Software-Appliance innerhalb eines Tages an den eingesetzten Microsoft BizTalk Server an.
Nach Koblenz, Mainz und Trier ging im Juni 2005 Neustadt an der Weinstraße als letztes der Verwaltungsgerichte des Landes »ans Netz«. Über den zentralen elektronischen Postkasten mit der E-Mail-Adresse gbk.ovg@ovg.jm.rlp.de können Anwälte, Bürger und Behörden nunmehr auf digitalem Wege beim OVG Rheinland-Pfalz rechtswirksam Klage erheben, Anträge stellen, Schriftsätze einreichen und Dokumente vom Gericht per E-Mail empfangen. Elektronische Akteneinsicht ist ebenso möglich wie die Statusabfrage des jeweiligen Gerichtsverfahrens via Internet. »Die elektronischen Akten müssen von den Gerichten zwar zunächst noch weiter als Papierakten geführt werden«, räumt Richter Geis ein. »Doch selbst in dieser Übergangssituation haben sich die Verwaltungsabläufe in unseren Gerichten bereits erheblich vereinfacht!«
Ganz ohne Zubehör geht es aber für die Teilnehmer am elektronischen Rechtsverkehr nicht. Neben einem PC und E-Mail-Client benötigen sie in jedem Fall eine Signatur-Karte mit qualifizierter digitaler Signatur sowie eine S/MIME-basierte Software. PGP unterstützt das System nicht.