Elektronische Vernetzung gegen die Formularflut Um die Verwaltungskosten in Schach zu halten, hat die Bayerische Landesärztekammer eine moderne IT-Lösung für das Fortbildungswesen aufgebaut.
Ärztinnen und Ärzte müssen sich ständig fortbilden, wollen sie über neue Forschungsergebnisse, Diagnoseverfahren oder Behandlungsmethoden auf dem Laufenden sein. Auch das bereits in Teilen reformierte Gesundheitswesen fordert seinen Tribut. So schreibt das Sozialgesetzbuch vor, dass Vertragsärzte gegenüber ihrer Kassenärztlichen Vereinigung erstmals Ende Juni 2009 nachweisen müssen, dass sie an Fortbildungsmaßnahmen teilgenommen haben. Nur so können sie ihre Einnahmen sichern. Die Bewertung der entsprechenden Veranstaltungen erfolgt bundesweit nach einem einheitlichen Punktesystem. »Allein in Bayern werden monatlich etwa 3000 bis 4000 Fortbildungsmaßnahmen von mehr als 1000 Veranstaltern angeboten«, beschreibt Dr. med. Rudolf Burger, Hauptgeschäftsführer der Bayerischen Landesärztekammer in München, die Situation. »Diese müssen von der Kammer geprüft und nach dem Punktesystem bewertet werden.« Reine Werbemaßnahmen von Pharmaunternehmen haben allerdings keine Chancen auf Fortbildungspunkte. Mit der Teilnahme an zertifizierten Fachkongressen oder Workshops dagegen kann jeder teilnehmende Arzt punkten.
Ärztliches Punktekonto
Die Neuregelung der ärztlichen Fortbildung sieht vor, dass jeder Arzt innerhalb von fünf Jahren 250 Punkte sammeln muss, um ein Fortbildungszertifikat zu erhalten. Wer die notwendigen Nachweise nicht termingerecht erbringt, muss mit Sanktionen rechnen. Bis zum 30. Juni 2009 rechnen die Landesärztekammern bundesweit mit vielen Millionen Fortbildungspunkten, die gesammelt und dokumentiert werden müssen. Das ist bislang mit einem hohen Aufwand verbunden, denn Daten müssen aus den Papierformularen in IT-Systeme übernommen werden. Oft sind Unterlagen aber nicht richtig ausgefüllt, Angaben fehlen oder sind nicht lesbar. Das erfordert Nachfragen und verzögert die Datenverarbeitung. Dabei kann es auch zu fehlerhaften Eingaben kommen, unabhängig davon, ob die Neueingabe per OCR-Gerät oder manuell erfolgt.
Offene Standards
Um die erwartete Formularflut zu verhindern, Medienbrüche zu vermeiden und mit einer stets aktuellen, homogenen Datenbasis zu arbeiten, hat sich die Bayerische Landesärztekammer (BLÄK) bereits 2003 entschieden, die unterschiedlichen Institutionen, die in die ärztliche Fortbildung eingebunden sind, sowie deren elektronische Systeme miteinander zu vernetzten. Das Grundkonzept für den Elektronischen Informationsverteiler (EIV) erstellten die Health-Care-Spezialisten des Münchner Systemhauses F&F. »Aufgrund der hohen Anforderungen, die die übergreifenden Geschäftsprozesse stellen, haben wir eine moderne, auf einer Drei-Schichten-Architektur und der J2EE basierende Software-Lösung implementiert, die sich in ihren Komponenten an die Gegebenheiten anpasst, die bei den Ärztekammern, den Veranstaltern und den Ärzten entstehen«, erklärt Rainer Fritzen, Geschäftsführer bei diesem IT-Dienstleister, das Konzept. Die technische Basis für die plattformübergreifende Lösung sind der Application Server und das Datenbanksystem des Software-Herstellers Oracle. Die Virtual Private Database ermöglicht die Mandantenfähigkeit der Anwendung. XML DB wird für umfangreiche Im- und Exporte von XML-Dokumenten genutzt. Das zentrale Stammdatensystem ist über Database Links angebunden. Dokumente werden in der Datenbank als BLOBs abgelegt. Der Application Server wird mit Transaktionssteuerung und Persistenzmechanismen für den Betrieb der Enterprise Java Beans genutzt. Für die Administration und Überwachung der Anwendung werden die sogenannten Mbeans genutzt. Für das objekt-relationale Mapping kommt Toplink zum Einsatz. Hinzu kommen intelligente Assistenten und automatisierte Mail-Verfahren.
Einfache Zertifizierung
Für die bidirektionale Kommunikation zwischen den Veranstaltern und der Ärztekammer entwickelten die Münchner Spezialisten das Programm Interkurs. Um eine Veranstaltung zertifizieren und mit Punkten bewerten zu lassen, meldet der Ausrichter einer Fortbildung diese bei der BLÄK auf elektronischem Weg an und erhält von diesem Programm automatisch eine Empfangsquittung. Der zuständige Sachbearbeiter bei der BLÄK erhält die Anmeldedaten in einer übersichtlich aufbereiteten, standardisierten Form direkt auf seinen Bildschirm. Hier kann er das Veranstaltungsprogramm inhaltlich prüfen und anhand der vordefinierten Eckwerte – dazu gehört beispielsweise auch die Dauer einer Veranstaltung – mit einer entsprechenden Punktzahl bewerten. Dabei wird er wiederum von Interkurs unterstützt, denn das Programm rechnet anhand der vom Veranstalter eingegebenen Daten bereits einen Punktevorschlag aus, den der Sachbearbeiter direkt übernehmen oder als Entscheidungsgrundlage für eine individuelle Bewertung nutzen kann. Die Genehmigung der Veranstaltung sowie die dafür angesetzte Punktezahl werden dem Veranstalter elektronisch rückgemeldet und dürfen in Ankündigungen oder Publikationen mit verwendet werden. »So kann ein Arzt auf einen Blick erkennen, ob eine Fortbildung nicht nur fachlich interessant ist, sondern ihm auch Punkte für sein Fortbildungskonto bringt«, veranschaulicht Burger die Vorteile für die Ärzteschaft. Für jede genehmigte Fortbildungsmaßnahme erhält der Veranstalter einen individuellen Zugangscode und ein »Einmal-Passwort« für den EIV. Ist die Veranstaltung beendet, meldet er die Punkte für die Veranstaltung über den zentralen Informationsverteiler EIV an das jeweilige Fortbildungskonto der teilnehmenden bayerischen Ärzte.
Fortbildungspunkte sammeln
Für die Teilnahme an dem Verfahren erhielt jeder Arzt von der BLÄK im Herbst 2005 einen scheckkartengroßen Fortbildungsausweis mit seiner persönlichen »Einheitlichen Fortbildungsnummer« in Form eines Barcodes. Bei der Registrierung zu einer Fortbildung werden die Daten vom Veranstalter eingescannt und über ein Java-basiertes Erfassungsprogramm an den zentralen Server (EIV) gemeldet. Von hier aus erfolgt die Meldung an die jeweils zuständige Landesärztekammer, wo die eingehenden Punktemeldungen auf dem Punktekonto des Arztes verbucht werden. Dafür entwickelte F&F das Programm Pkonto, das ebenfalls den Application Server und die Datenbank von Oracle nutzt. Der Arzt hat mit diesem Programm die Möglichkeit, über das Portal der BLÄK jederzeit seinen aktuellen Punktestand einzusehen. Auf diese Weise kann er die Planung seiner Fortbildungsmaßnahmen auch anhand der noch fehlenden Punkte ausrichten. Der Weg über den zentralen elektronischen Informationsverteiler ist notwendig, da die Ärztekammern in Deutschland föderal aufgestellt sind. Größere Fortbildungsveranstaltungen oder Kongresse werden in der Regel von Ärzten aus unterschiedlichen Bundesländern besucht. Müsste ein Veranstalter die Teilnahme der Ärzte an die jeweils zuständige Landeskammer melden, wäre der Aufwand sehr hoch.
Skalierbar und zukunftssicher
»Für die Oracle-Software haben wir uns entschieden, weil sie auf allen Betriebssystemen läuft, hochskalierbar ist und perfekt mit der Java-Technologie zusammenarbeitet«, erklärt IT-Spezialist Fritzen. »Diese zukunftsorientierte Ausrichtung ist für den Einsatz von Interkurs und Pkonto wichtig, denn bei einem entsprechenden Wachstum können im Datenbankbereich durch die Integration weiterer Rechner sogenannte Real Application Cluster entstehen, mit denen sich die Performance von Anwendungen auf einem sehr hohen Niveau halten lässt.« Bei der Bayerischen Landesärztekammer läuft die Lösung von F&F auf einem Server mit Intel-Chips unter dem Betriebssystem Windows von Microsoft. Heute werden hierauf im Monat etwa 3000 bis 4000 Veranstaltungen bearbeitet. »Allerdings rechnen wir schon jetzt mit einem dramatischen Anstieg der Fortbildungen im Jahr 2008, wenn viele niedergelassene Ärzte feststellen, dass ihnen noch für die Zertifizierung notwendige Punkte fehlen«, sagt BLÄK-Hauptgeschäftsführer Burger.
Petra Adamik ist Freie Journalistin in München.