Ende der herkömmlichen Telefonie vorherbestimmt
Die Lücke zwischen der Umsetzung von VoIP in Produkte und deren Einsatz in Unternehmen ist eklatant groß.


Prominentestes Opfer des Wandels in der Telekommunikationswelt ist derzeit wohl Kai-Uwe Rickert, der seinen Posten als Vorstandvorsitzender bei der Deutschen Telekom verlor. Laut Branchenverband Bitkom geht der Umsatz mit Sprachdiensten in Deutschland jährlich um eine Milliarde Euro zurück. Im Jahr 2006 wächst der Umsatz für Mobilkommunikation leicht um 2 Prozent auf 23,9 Milliarden Dollar. Festnetzgespräche machen 5,8 Prozent des Umsatzes aus. Im Jahr 2007 soll sich dieser weiter um 5,8 Prozent auf 17,8 Milliarden verringern. Damit stellt sich natürlich die Frage, wo in Zukunft Wachstumsbereiche für die Branche liegen.
Größeres Wachstum gab es dagegen bei den Festnetzdatendiensten: um 8 Prozent auf 11,6 Milliarden Euro. 2007 sollen es dann 12,3 Milliarden sein. Dazu gehören auch DSL-Zugänge. Mit diesen halten auch Internet-Telefonie-Dienste im Consumer-Bereich Einzug. Laut Bitkom nutzen 11 Prozent der Privathaushalte derzeit Internet-Telefonie. Dabei verwechseln Anwender Voice-over-IP leicht mit Internet-Telefonie, wovon es jedoch nur eine Teilmenge ist. Für Unternehmen dreht es sich derzeit mehr um den internen Einsatz beziehungsweise den zwischen verschiedenen Standorten.
Bitkom nennt hier als Zahl 9 Prozent für VoIP im professionellen Bereich. Interessanterweise ist die Verbreitung bei Telekommunikationsunternehmen mit 19 Prozent deutlich höher. Hier klafft aber eine große Lücke zwischen der Integration von VoIP in Telekommunikationsprodukte und dem Einsatz von VoIP in Unternehmen. Gründe dafür sind etwa langfristige Laufzeitmodelle bei den derzeitigen Anlagen in Unternehmen. Außerdem sind Unternehmen eher nicht bereit Geld auszugeben, wenn das System läuft. Es sind aber nicht nur die technischen Fragen. Auch die bisherige organisatorische Trennung zwischen Telekommunikation und IT bereitet Probleme.
Diese wird auf der technischen Ebene mit VoIP aufgehoben. Hier müssen die Mitarbeiter folgen, was aber nicht einfach ist. So sind etwa die Beschaffungsprozesse sehr unterschiedlich. Der TK-Bereich funktionierte als relativ abgeschlossenes System, was bei der IT so nicht ist. Bei ihren Beratungen hat der Deutsche Verband für Post, Informationstechnologie und Telekommunikation (DVPT) die Erfahrung gemacht, dass es mit zunehmender Größe des Unternehmens bei VoIP immer mehr um Organisationsfragen geht. Je kleiner ein Unternehmen ist, desto mehr geht es um Technologiefragen und nicht um Strukturen. Überhaupt herrscht im Mittelstand nach den Erfahrungen des DVPT eine große Unsicherheit. Dieser hat zwar gehört, dass VoIP hilft, Kosten zu sparen. Eine Vorstellung darüber, welche Strategie es einzuschlagen gilt, fehlt aber. Deshalb gehört Informationsarbeit zu den dringlichsten Aufgaben in Sachen Voice-over-IP.
Noch haben die Unternehmen das Thema VoIP nicht richtig verdaut, da kommt unter dem Stichwort »Unified Communications« bereits die nächste Welle. Dabei geht es darum, die verschiedenen Kommunikationsmöglichkeiten wie VoIP, Präsenz, E-Mail, Video, Voice-Mail, Instant-Messaging, Web-Conferencing oder IP-Telefonie-Anlagen mit einander zu verknüpfen. Gartner sieht diesen Markt aber noch in einem frühen Stadium. Für Gartner haben die Hersteller neue Techniken wie Präsenzfunktionen aber noch nicht voll verstanden. Hierbei geht es darum mit Hilfe von Anwesenheitsinformationen, wie es sie schon beim Instant-Messaging gibt, die Kommunikation besser zu steuern. Ist ein Anwender in einer Konferenz, dann leitet das System etwa Anrufe auf die Mailbox. Für Unified-Communications hat Gartner drei Ansätze identifiziert. Beim ersten geht es darum, möglichst viel in einer Lösung zusammenzubringen. Ein Beispiel dafür sind Nortels »MCS5100« und Siemens »OpenScape«. Als zweites geht es um separate Lösungen, die an bestimmten Punkten wie Präsenz, Administration oder Verzeichnisse zusammenarbeiten. Gartner nennt hier etwa Cisco oder Microsoft. Der dritte Ansatz setzt auf ein Communications-Framework, das dann andere Applikationen nutzen wie bei IBM oder Oracle.
Im Herbst 2006 hat Microsoft ihre Unified-Communications-Strategie präzisiert. Dazu gehören unter anderem der »Office Communications-Server« (OCS) mit IP-Telefonie, »Exchange 2007« und der Soft-VoIP-Client »Office Communicator«. Damit dringt neben IBM oder Oracle ein weiterer Software-Hersteller in den Telekommunikationsmarkt ein. Auf der anderen Seite stehen nun TK-Hersteller wie Avaya, Cisco, Ericsson, Nortel oder Siemens. Das Geschäft mit Hardware könnte dabei längerfristig deutlich oder sogar komplett wegbrechen. Mit der Entwicklung hin zu Software-IPX-Anlagen ist keine spezielle Anlagenhardware notwendig. Die Software-PBX läuft auf Server-Hardware und benötigt lediglich Spezialkarten etwa für ISDN.
Mit VoIP-Trunking, also IP-Amtsanlagenanschlüssen, entfällt die Notwendigkeit für einen direkten Anschluss ins öffentliche Netz. Dieses befindet sich aber erst in einer Anfangsphase. Auf der Anwenderseite nehmen Softphones mit CTI-Funktionen den Platz von Hardware-IP-Telefonen ein. Sicher wird es Spezial-Hardware wie USB- oder Wireless-Headsets oder -Telefonhörer für eine gute Audioqualität geben. Aber mit wesentlich flexibleren Softphones besteht für IP-Telefone langfristig keine Notwendigkeit mehr. Ausnahmen sind etwa Arbeitsplätze ohne Computer. Mit dem Eintritt der SMS-Generation in den Beruf könnte sich die Akzeptanz von Softphones beschleunigen. Nun lässt sich über die Geschwindigkeit der Entwicklung spekulieren, die Richtung ist jedoch vorgezeichnet. Es wird sicher spannend, wie die einzelnen Hersteller in ihren Strategien auf diese Entwicklung eingehen.