»Entscheidend ist das Commitment der Partner zu Open Source«

16. Februar 2006, 0:00 Uhr | Michael Hase

»Entscheidend ist das Commitment der Partner zu Open Source«. Der frühere Suse-Chef Richard Seibt beleuchtet im Gespräch mit CRN-Redakteur Michael Hase die wesentlichen Trends auf dem Open-Source-Markt. Außerdem erläutert der langjährige IBM-Manager, warum er sich als »aktiver Investor« bei dem Linux-Start-Up Collax engagiert. Seit seinem Ausscheiden bei Novell im Mai 2005 betätigt sich Seibt als Business-Angel.

»Entscheidend ist das Commitment der Partner zu Open Source«

CRN: Warum engagieren Sie sich bei Collax als Investor?

Seibt: Mich fasziniert das Geschäftsmodell. Im Grunde beruht es auf meinem Konzept, das ich bereits innerhalb von Novell vorgeschlagen und dort teilweise realisiert habe: Dem Mittelstand einfach zu installierende Open-Source-Produkte anzubieten, die sich ohne Linux-Wissen implementieren und verwalten lassen. Solch ein Konzept ist leichter in einem kleinen, schnellen Unternehmen umzusetzen als bei einem großen Anbieter, der gleichzeitig an vielen Ecken und Kanten arbeitet. Die Firma Collax ist gerade erst im vergangenen August gegründet worden und kann daher ihre Strategie fokussiert umsetzen.

CRN: Welche Rolle werden Sie dabei spielen?

Seibt: Ich verstehe mich als aktiver Investor, der sein Wissen, seine Markterfahrung und sein Netzwerk einbringt. Das heißt aber nicht, dass ich operative Verantwortung übernehme. Die gleiche Funktion, ob als Investor oder auch als Aufsichtsrat, übe ich übrigens auch bei Open Xchange und Scali aus. Seit meinem Ausscheiden bei Novell verändere ich meine Tätigkeit dahingehend, dass ich junge Open-Source-Unternehmen unterstütze.

CRN: Wohin entwickelt sich aus Ihrer Sicht der Markt?

Seibt: Die höchste Wachstumsrate mit 35 Prozent haben im vergangenen Jahr »Linux und Open Source in der Infrastruktur« verzeichnet: also nicht nur das Betriebssystem, sondern weit darüber hinaus alle Software-Lösungen, mit denen sich das Web managen lässt, wie Webserver, Datenbankserver oder PHP. All diese Technologien gewinnen in den IT-Abteilungen großer und mittelständischer Unternehmen stark an Akzeptanz. Das ist ein wichtiger Trend, der sich fortsetzen wird. Die Wachstumsrate wird eher sogar noch steigen.

CRN: Welche großen Trends erkennen Sie darüber hinaus?

Seibt: Das Thema »Collaboration« sehe ich als zweiten großen Trend an. Dabei wird es zum einen um die Unterstützung mobiler Devices gehen, zum anderen um die Verbesserung der Mail-Services. Darüber hinaus werden Systemmanagement-Lösungen eine immer größere Rolle spielen. Das ist der dritte große Trend. Wenn Linux in der Infrastruktur immer wichtiger wird, müssen die Systeme optimal gemanagt werden. Das lässt sich zwar mit proprietären Produkten wie Tivoli von IBM gewährleisten. Künftig werden dafür aber zunehmend Open-Source-Lösungen zur Verfügung stehen. Novell ist auf diesem Feld sehr aktiv.

CRN: Sehen Sie zukünftig einen Markt für CRM, Content-Management oder ERP auf Open-Source-Basis?

Seibt: Wir haben noch einen längeren Weg vor uns, bis wir bei diesen Anwendungen über so hohe Marktanteile wie in der Infrastruktur reden können. Denn es wird noch eine Weile dauern, bis Produkte wie Sugar-CRM oder das ERP-System Compiere die gleiche Funktionalität aufweisen wie die Software der etablierten Hersteller. Aber es gibt heute bereits viele Anwender, für deren Anforderungen diese Lösungen gut genug sind. Daraus entstehen Marktanteile, daraus entsteht aber auch die Motivation, die Funktionalität weiter zu entwickeln, so dass diese Produkte mit der Zeit über die etablierten Angebote hinauswachsen. Dabei reden wir aber von vielen Jahren. Wir dürfen nicht erwarten, dass SAP und Oracle morgen durch Open-Source-Anwendungen abgelöst werden.

CRN: Hat ein Unternehmen ein Produkt gefunden, das seinen Anforderungen genügt, dürfte der niedrigere Preis den Ausschlag für die Open-Source-Alternative geben.

Seibt: Ja, aber Open Source bietet darüber hinaus weitere Vorzüge. Der Trend in der IT geht heute dahin, die Dinge zu vereinfachen, Komplexität abzubauen, Plattformen zu reduzieren. Die Software-Industrie hat sich deshalb auf offene Standards geeinigt. In dieser Hinsicht ist Open Source weiter als die Hersteller proprietärer Produkte. Denn quelloffene Software funktioniert ausschließlich auf Basis offener Standards. Wenn ein Unternehmen ein Angebot gefunden hat, das seine Ansprüche erfüllt, dann ist es mit Open Source besser bedient als mit jedem anderen Produkt.

CRN: Wir haben bisher über Technologie-Anbieter und Anwender gesprochen. Welche Chancen bietet Open Source für Dienstleister?

Seibt: Gerade für Unternehmen, die Beratung, Implementierung oder Support gegenüber Endanwendern anbieten, stellt Open Source ein ausgesprochen attraktives Betätigungsfeld dar. Die Kompetenz, die solche Partner-Unternehmen aufbauen, ist in der Regel höher, als wenn sie Closed-Source-Produkte anderer Hersteller implementieren. Denn bei Open Source haben sie die Möglichkeit, tiefer in das, was sie tun, einzudringen. Das erhöht zum einen die Motivation im Unternehmen selbst, zum anderen die Akzeptanz bei den Kunden.

CRN: Teilweise wünschen sich große Anbieter wie etwa IBM jedoch ein stärkeres Commitment der Partner.

Seibt: Die Kritik ist sicher berechtigt, und das ein oder andere Unternehmen verpasst hier seine Chance. Entscheidend ist die Qualität der Service-Anbieter und ihr Commitment zum Thema. Man darf allerdings nicht den Druck unterschätzen, den Partner, die hauptsächlich mit Microsoft zusammenarbeiten, unterliegen. Insofern gehört nicht nur Überzeugung, sondern häufig auch Mut dazu, sich ein zweites Standbein im Open-Source-Bereich aufzubauen.

CRN: Noch einmal zurück zum Ausgangspunkt: In den USA sind 2005 etwa 400 Millionen Dollar Risikokapital in junge Open-Source-Firmen geflossen. Hierzulande dagegen scheint Collax eines der wenigen VC-finanzierten Start-Ups zu sein.

Seibt: Das dürfte sich künftig ändern. Einerseits gibt es in Deutschland eine ganze Reihe von Projekten, die Risikokapital suchen. Andererseits ist das Interesse der VC-Branche an Open Source immens groß. Deshalb werde ich in Nürnberg gemeinsam mit der Stadt einen »Linux Business Campus« eröffnen. Dabei handelt es sich um ein Gründerzentrum, das jungen Firmen, die an Open-Source-Entwicklungen arbeiten, eine Heimstatt bietet. Darüber hinaus wird es einen Business-Plan-Wettbewerb geben, für den wir europaweit Ideen entgegennehmen und prämieren.


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