ERP auf Open-Source-Basis: Der Pinguin wird Buchhalter. Zahlreiche Unternehmen vertrauen ihre Buchhaltung einem Open-Source-System an. Dabei zeichnen sich zwei positive Trends ab: Im Backend hat sich Linux etabliert, während sich für »reinrassige« Open-Source-ERPs ein Kandidat herausschält, über dessen Marktreife die Meinungen auseinander gehen.
Autorin: Dr. Jakob Jung
ERP-Systeme sind aus den Unternehmenslandschaften nicht mehr wegzudenken. In diesem Bereich, wo mit kritischen Daten gearbeitet wird, wurde bis vor einigen Jahren Linux noch argwöhnisch beobachtet. Das hat sich mittlerweile geändert: Vor allem ERP-Anbieter, die bisher ausschließlich auf IBM-Mainframes mit dem Betriebssystem OS/400 zu finden waren, hoffen auf zusätzliche Geschäfte und Partner, wenn sie ihre Software auf Linux und Windows portieren. So haben sich etwa die Schweizer Bison AG und die Münchner SoftM AG zusammengetan und propagieren das Produkt »Greenax«, das hauptsächlich für den Handel ausgelegt ist und erstmals auf der Cebit vorgestellt wurde. Die neue Software basiert auf Java und service-orientierter Architektur (SOA). In ähnlicher Weise strukturiert auch die Kölner GUS-Group, die ebenfalls von der AS/400 kommt, ihr Portfolio um. »80 Prozent des Neukundengeschäftes laufen dann aber auf Windows, Linux ist in erster Linie im Vorfeld ein Thema«, berichtet Rolf Eckertz, Vorstand Entwicklung bei GUS. Eine andere Tendenz erkennt dagegen Helge-Frank Zimpel, Produktmanager bei Bäurer: »Im Backend ist bei unseren Kunden das Verhältnis Windows zu Linux 50:50.« Von einem Linux-Anteil von 40 Prozent mit steigender Tendenz bei den Kunden im Backend, berichtet auch Wolfgang Grandjean, Marketingleiter bei Wilken.
Ein interessantes Thema im Open-Source-Umfeld ist nach Einschätzung von Thorsten Wichmann, Vorstand des Marktforschungsinstituts Berlecon, die Entstehung von echten, lizenzfreien Open-Source-Applikationen. Es zeichnet sich ab, dass bei ERP nur ein Projekt das Potenzial hat, zu einem ähnlichen Erfolg zu werden, wie J-Boss bei Application Servern und My-SQL bei Datenbanken: Die Compiere-Lösung positioniert sich laut Yves Sandfort, Vorstand des größten deutschen Compiere-Partners Comdivision, in erster Linie als Alternative zu Navision: »Kunden, die eine einfache Warenwirtschaft wollen, sind mit den Box-Produkten von Lexware oder Sage besser beraten.« Compiere erfordert einen ähnlichen Beratungsaufwand wie eine SAP-Implementation, Projektlaufzeiten von mehreren Monaten sind nichts Ungewöhnliches. Dass das Produkt noch Schwächen bei der Produktionsplanung hat, wie Analysten und Wettbewerber bemängeln, gesteht auch Sandfort zu. Zudem warnt er ausdrücklich davor, die OS-ERP-Lösung mit anderen Open-Source-Produkten zu kombinieren, sondern empfiehlt einen Betrieb auf einer Oracle-Datenbank unter Solaris. Dennoch sieht er eine gute Chance für neue Compiere-Partner mit ERP-Kompetenz, vor allem bei Kunden aus dem Handel, lizenzfreie Software an den Mann zu bringen.
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www.baeurer.de
www.berlecon.de
www.comdivision.com
www.gus-group.com
www.sap.de
www.softm.de
www.wilken.de