Fachhandel und Distribution: Talsohle durchschritten ? Aufstieg wird aber schwer. Es geht wieder langsam aufwärts, prognostizieren Verbände und Institute. Fachhandel und Distribution hören es gern. Doch der Aufschwung klappt nur dort, wo die Hausaufgaben gemacht sind. CRN befragte Grossisten und Händler. In den Antworten schwingt Hoffnung mit.
Das vergangene Jahr steckt dem ITK-Handel noch immer mächtig in den Gliedern. Schadensbegrenzung stand bei den meisten Fachhändlern und Distributoren im Vordergrund. Denn besonders finanzschwache Händler hatten schwer zu kämpfen. Zumal weder die privaten noch die gewerblichen Endkunden große Investitionsfreude zeigten. Entsprechend fiel die Pleiten-Bilanz des Jahres 2003 aus: Mehr als 40.000 Insolvenzen, darunter viele ITK-Fachhändler und Distributoren.
Gerade rechtzeitig zum Jahresende sandten führende Branchenverbände und Markforschungsinstitute jedoch positive Signale aus. So ermittelte das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim zusammen mit dem Verband der Vereine Creditreform in Neuss wieder eine positivere Stimmung unter den IT- und TK-Dienstleistern. Etwa 1.000 Unternehmen nahmen an der Umfrage teil. Sie hatten bereits im dritten und vor allem im vierten Quartal 2003 einen leichten Aufschwung ausgemacht. Aufgrund dieser Entwicklung rechnen die befragten Firmenchefs mit weiter zunehmender Nachfrage im neuen Jahr.
Dies korrespondiert durchaus mit den Prognosen des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien, Bitkom. Die Interessenvertretung stellt ebenfalls einen leichten Nachfrageschub für 2004 in Aussicht. Nach einer Marktanalyse unter den Bitkom-Mitgliedsfirmen »rechnen die ITK-Unternehmen mit steigenden Umsätzen im deutschen Markt«. Bitkom-Präsident Will Berchtold prognostiziert eine Wachstumsquote von etwa zwei Prozent für 2004. Unterstützt wird diese Prognose vom Ifo-Institut in München, das 2003 wiederholt von einer sich bessernden Stimmung in der Wirtschaft gesprochen hat. »Die konjunkturellen Auftriebstendenzen verfestigen sich«, weiß auch Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn.
Ähnlich äußert sich gegenüber CRN auch Axel Feldhoff, Executive Vice President der Magirus AG in Stuttgart. »2003 war insgesamt sicherlich kein Glanzlicht für die Distribution«, stellt er fest. Doch gehe er davon aus, dass sich der verstärkte Optimismus der zweiten Jahreshälfte im neuen Jahr fortsetzen werde, »da längst überfällige politische Entscheidungen, wenn auch in abgespeckter Form, endlich getroffen wurden«. Außerdem seien nach der letzten großen IT-Investitionswelle bereits drei Jahre vergangen, womit das damals beschaffte IT-Equipment am Ende des Abschreibungszyklus liege. »Das sollte für gut positionierte Unternehmen durchaus eine positive Ausgangsposition sein.
Auch bei den von CRN-WEKA Research + Consulting im Rahmen der CRN Channeltracks befragten IT- und TK-Fachhändlern hellt sich die Stimmung trotz der Marktschwäche langsam auf: Nachdem im dritten Quartal 2003 mehr als 35 Prozent der Händler einen Aufschwung in der Geschäftsentwicklung festgestellt hatten, prognostizierten knapp 55 Prozent der Händler für das vierte Quartal des vergangenen Jahres einen weiteren Zuwachs. Und für das gerade begonnene Jahr erwarten die ITK-Fachhändler einen weiteren leichten Anstieg ? bei aller Vorsicht. Denn für emotionale Höhenflüge besteht kein Grund. Zumal, wie Klaus Hellmich, Geschäftsführer der Actebis-Gruppe, gegenüber CRN feststellt, »das erforderliche Konsumklima noch fehlt«.
Und das hängt nicht nur mit »Geiz ist geil« zusammen. Eher mit der Verunsicherung von Geschäfts- und Privatkunden über die Ent- beziehungsweise Belastungen, die in diesem Jahr noch auf sie zukommen. Deshalb bleiben dringend notwendige Investitionen aus. Eine fatale Entwicklung, die sich in der Leistungsfähigkeit der Handelsbetriebe negativ niedergeschlagen hat. Nicht allein wegen der konjunkturellen Situation haben im vergangenen Jahr immerhin 4.500 Handelsunternehmen Insolvenz beantragen müssen. Jürgen Rakow, Vorstand der Vobis AG, befürchtet deshalb, dass »wir leider auch 2004 eine ähnliche Entwicklung beobachten müssen ? allerdings in abgeschwächter Form«. Zumal er nicht nur die schwache Konjunktur als Pleitengefahr ausgemacht hat. So konnte die fast erreichte Sättigung des PC-Marktes nur teilweise durch den Notebook-Boom ausgeglichen werden. Hinzu komme, so Rakow, dass wegen der gestiegenen Anzahl der Vertriebsstellen die durchschnittlichen Umsätze der einzelnen Läden gesunken seien.
Skeptisch äußert sich für Compu-Shack Michael Kaack, Senior Vice President European Networking Services bei Ingram Micro: »Blauäugiger Optimismus wäre heute unrealistisch, denn die wirtschaftlichen Kennzahlen sprechen nicht für deutliche Wachstumsraten«. Aus diesem Grund werde sich Compu-Shack in diesem Jahr noch mehr auf Value-Add-Strategie und -Stärke fokussieren. Wenngleich Kaack keine deutlichen Wachstumsschübe sieht, erwartet er doch Zuwächse in den Märkten für Voice-over-IP, Security, Storage und Wireless. Ähnliches ist auch vom Mitbewerber Azlan zu erfahren. Geschäftsführer Erich Glaeser erwartet vor allem im Security-Umfeld »überproportionales Wachstum«. Gleichwohl hält auch Glaeser nichts von zu großer Euphorie, der Investitionsmotor werde nur langsam wieder in Schwung kommen. »Erfolg in einem Markt wie Deutschland und speziell in unserer Branche entsteht nicht ohne Arbeit und ständige Anpassung der Leistungen an die Erfahrungen der Kunden«, stellt er fest.
Wenig Hoffnung auf zurückgehende Insolvenzen macht auch COS-Vorstand Anke Kugies. Auch sie befürchtet, dass die Firmenpleiten in diesem Jahr auf dem hohen Niveau von 2003 bleiben werden, da bei vielen Unternehmen die Eigenkapitaldecke nicht stimmt. Gleichwohl rechnet sie mit einer insgesamt etwas entspannteren Marktlage bei steigender Nachfrage.
Nicht nur die dünne Eigenkapitaldecke, sondern auch »der gnadenlose Verdrängungswettbewerb« bedrohen laut Hartmut Haubrich, Vorsitzender der Electronic Partner Geschäftsführung, den Handel. »Soweit uns bekannt ist, gibt es in Deutschland keine Branche, deren Zukunftsaussichten von Banken und Kreditversicherern schlechter bewertet wird als das Geschäft mit Consumer Electronic. Es besteht deshalb kein Zweifel, dass für die nächsten Jahre weitere spektakuläre Pleiten, Fusionen und Marktaustritte zu erwarten sind«, teilt er unverblümt mit.
Trotzdem sehen Haubrich und die anderen Mahner auch Licht am Ende des Tunnels. Voraussetzung ist allerdings, dass sich der Fachhandel endlich verstärkt um die wesentlichen Faktoren des Geschäfts kümmern: Verbesserung des eigenen Ratings, Stärkung der Eigenkapitalquote und Akquise rentabler Geschäfte. »Wer hier nicht gut aufgestellt ist, wird dies sicherlich in diesem Jahr zu spüren bekommen«, mahnt Anke Kugies. Dies trifft selbstverständlich auf Distributoren und Fachhändler gleichermaßen zu, wie Klaus Elias, Vorstandsvorsitzender NT plus AG, anmerkt. »Einen weiteren Druck auf die Margen werden viele Distributoren nicht verkraften. Allen Marktteilnehmern muss einfach klar sein, dass sich auch die Distribution nicht bedingungslos auspressen lässt und dass sich ihre sehr höherwertige funktionale Leistung in entsprechender Vorkonditionierung niederschlagen muss.«
Bei aller Hoffnung auf eine bessere Konjunktur befürchtet Elias, dass der Fachhandel unter dem Druck der Flächenmärkte noch stärker in die Knie gehen wird. Deshalb werde die schwierige Lage auch 2004 bleiben. Auch Frank Garrelts, Vorstand Akcent Computerpartner, befürchtet, dass sich der Fachhandel auf einen weiteren Preiskampf im Dienstleistungssektor und auf geringere Margen in der Hardware einstellen muss. Trotzdem werde das laufende Jahr besser als 2003. Und auf die Kooperation bezogen erwartet er einen weiteren Mitgliederzuwachs, da »der Sinn von Kooperationen vielen Unternehmen der Branche immer deutlicher wird«.
Dem kann sich Cemal Osmanovic, Geschäftsführer I-Team, nur anschließen. Außerdem komme es darauf an, dass sich Fachhändler mehr denn je positionieren und als Spezialisten Lösungen anbieten. Dass dies mehr denn je nötig ist, könne er durch Beispiele aus der eigenen Kooperation belegen. »Es gibt durchaus Unternehmen in der I-Team, die eine gute zweistellige Umsatzrendite machen, obwohl sie 50 Prozent Hardwareanteil haben«, erläutert er. Auf jeden Fall mache ihm die Geschäftsentwicklung der I-Team-Partner im letzten Quartal 2003 Mut zu der Prognose, dass es in diesem Jahr mit leichtem Zuwachs weiter aufwärts gehe.
Mit einem weiteren Plus rechnet auch Tech-Data-Geschäftsführer Marcus Adä. Zusätzliche Marktanteile und Umsatzzuwächse in den letzten Monaten des vergangenen Jahres machen im Mut zu der Prognose: »Diesen Trend werden wir 2004 fortsetzen.« Dabei baut er auf die drei wichtigsten Faktoren für Tech Data im Jahr 2004: Stabilität, Wachstum und Kundenzufriedenheit. Ähnlich argumentiert auch Gerhard Schulz, Sprecher der Geschäftsführung Ingram Micro. So begründet er »ein, trotz eher steinigem Marktumfeld, sehr erfolgreiches Jahr 2003« damit, dass »wir in den vergangenen Jahren mit einer stabilen Mannschaft ohne innere Turbulenzen gearbeitet haben und uns deshalb auf unsere Kunden und Lieferanten konzentrieren konnten«.
Durchweg positiv ging Karsten Hartmann, Geschäftsführer der Devil Computer GmbH, in dieses Jahr. Er rechnet mit einer weiteren Steigerung seines Marktanteiles, obwohl »die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung nur schwer einzuschätzen ist«. Auf jeden Fall erwartet er ein spannendes Jahr 2004: »Denn innerhalb der Distribution wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Nur wer wirklich konkurrenzfähigen Service bietet und betriebswirtschaftlich sauber aufgestellt ist, wird am Markt bestehen.« Zumindest mit diesem letzten Satz kann sich auch Jürgen Unger, Vorstand Komsa Kommunikation Sachsen AG, einverstanden erklären. Er habe die Erfahrung gemacht, »dass wir mit unserem Angebot, mit der Qualität unseres Supports und letztlich mit dem Nutzen, den ein Händler hat, richtig liegen«. Die Faktoren guter Service und Support für den Fachhandel ergänzt Axel Keller, Geschäftsführer Also ABC in Straubing, noch um den Kostenfaktor. »Heute und in den kommenden Jahren geht es für die Distribution vorwiegend um Verdrängungswettbewerb mit starkem Margendruck und in der Konsequenz um die bessere Kostenposition gegenüber dem Mitbewerb.« Als Ziel sieht er für Also, »das einseitige Image als reiner Projekt-Distributor abzustreifen«, da die Mehrzahl der Stammkunden bereits heute kleine und mittlere Fachhändler seien.