Wer individuelle Server für besondere Kunden oder Einsatzgebiete benötigt, erhält mit Barebone-Systemen die nötige Modularität, um sich die gewünschten Systeme zusammenzustellen.
Vor zehn Jahren bauten Systemhäuser und Computerhändler eigene PC-Server und Clients komplett aus Einzelkomponenten zusammen. Doch der Eigenbau-PC und -Server kann heute vom Preis nicht mehr mit den massengefertigten Rechnern der großen Hersteller konkurrieren. Dafür lassen die in großen Stückzahlen gefertigten Komplettsysteme relativ wenige individuelle Anpassungen zu, besonders wenn es um die Software-Ausstattung oder spezielle Hardwarekomponenten geht. Händler, die ihren Kunden Komplettlösungen aus Maschine, Software und Service anbieten wollen, müssen daher Standardhardware großer Hersteller durchreichen, an welchen sie kundenspezifische Änderungen vornehmen. Eine individuellere Zusammenstellung, die dem Händler auch die Gelegenheit gibt, an der Hardware noch etwas zu verdienen, ermöglichen Barebone-Serversysteme. Auch große Unternehmen mit angepassten Serverfarmen und Clustern zeigen verstärkt Interesse an den Bausteinsystemen.
Ein Barebone besteht in der Regel aus dem Servergehäuse, Netzteilen und dem Motherboard. Der Händler oder das Systemhaus selbst bestückt das System mit Platten, Prozessoren, Speicher, zusätzlicher Hardware und der kundenspezifischen Software-Konfiguration. Barebones eigenen sich ferner sehr gut für Hersteller von Appliances, die nicht über eine eigene Hardware-Plattform verfügen. Häufig kommen diese Systeme daher für Firewalls, Security-Appliances oder NAS-Systeme zum Einsatz. Auch große Unternehmen können beim Serverkauf sparen, wenn sie Barebone-Systeme erwerben und von der eigenen IT-Abteilung für die spezifischen Aufgaben anpassen lassen. Barebone-Server-Systeme offeriert heute ein Großteil der Motherboard-Hersteller. Zudem gibt es einige Unternehmen, die sich auf den Vertrieb der modularen Server spezialisiert haben. Auch Chiphersteller wie Intel haben ein umfassendes Barebone-Server-Portfolio, bieten dies meist aber nur OEM-Nehmern oder dem Großhandel direkt an. Wie interessant Barebone-Systeme sein können, zeigt, dass auch namhafte Server-Hersteller einzelne Produktlinien von Barebone-Anbietern im OEM-Lizenz übernehmen. So stammten HPs LP-Rackserver von Asus, IBMs Opteron-Server e325 baut Tatung, und Anbieter wie Acer oder Maxdata nutzen Intel-Barebones für die hauseigenen Server-Portfolios.
Neben den Kernmodulen kommt es bei Barebones zudem darauf an, welche Erweiterungsmöglichkeiten das Board und das Gehäuse bieten. So stellt eine Firewall geringe Anforderungen an den Plattenspeicher, benötigt im Gegenzug aber Slots für zusätzliche LAN-Adapter. NAS-Server hingegen brauchen Platz für mehrere Festplatten, und je nach Kundenanforderung sollten dabei wahlweise SCSI- oder IDE-Laufwerke mit oder ohne RAID-Adapter Verwendung finden können. Neben verschiedenen Board-Ausstattungen für ein Gehäuse sollte ein Barebone-Hersteller daher auch unterschiedliche Hot-Swap-Backplanes anbieten. Im Gegenzug soll ein bestimmtes Board in verschiedene Gehäuse von 1-HE- über 2-HE bis zu 5-HE und Tower passen. Die 5-HE-Geräte beanspruchen zwar den meisten Platz, lassen sich in der Regel aber am besten mit Hot-Swap-Netzteilen, internen Platten und Erweiterungskarten ausbauen. Üblicherweise setzen Hersteller einen einzigen Gehäusetyp für 5-HE- und Tower-Server ein. Mit einem passenden Umrüst-Kit bekommt das 19-Zoll-Case Füße und einen soliden Deckel, so dass es, um 90 Grad gedreht, als Standgerät operieren kann. 5-HE-Modelle liefern die Herstller mit Motherboard-Varianten von ein bis vier CPUs. Das größte Angebot findet sich im Bereich 2-HE-Rackserver mit Motherboards für ein bis zwei Prozessoren. Bei einigen Herstellern wie Tyan gibt es bereits 2-HE-Systeme für vier Opterons. Neue 2-HE-Barebones offerieren in der Regel bis zu sechs PCI- und PCI-X-Steckplätze für Low-Profile-Karten. Damit verzichten die Systeme auf umständliche Raiser-Karten und quer liegende Steckplätze. Für große Serverfarmen bieten sich die flachen 1-HE-Systeme für ein bis zwei CPUs an. Dabei muss man aber gewöhnlich mit einem bis zwei quer liegenden Steckplätzen auskommen und auf redundante Netzteile verzichten. Auch nehmen 1-HE-Geräte nur zwei bis vier Festplatten auf, während man in 2-HE-Servern fünf bis neun Plattenplätze erhält. Bei der Auswahl der Gehäusegröße muss man zwei wesentliche Faktoren in Betracht ziehen, die auf den ersten Blick gar nicht so wichtig erscheinen: Kühlung und Lärmentwicklung. Kleine Gehäuse müssen mit mehreren kleinen und daher hochtourig drehenden und dementsprechend lauten Lüftern arbeiten. Ein hoher Lärmpegel sollte eigentlich nicht stören, da die Server ohnehin in einem abgeschlossenen Server-Raum stehen. Doch sollte man dabei nicht außer Acht lassen, dass ein Rack mit vier oder mehr 1-HE-Servern bereits soviel Lärm erzeugen kann, dass man die schrillen Lüftergeräusche selbst durch die geschlossene Tür in den Gang und damit benachbarte Büros hören kann. Zudem lässt sich ein Rack mit mehr als fünf übereinander montierten 1-HE-Servern nur schwer kühlen. Hier muss ein schlüssiges Klimakonzept vorliegen. Ein voll bepacktes Rack mit 42 1-HE-Servern benötigt auf jeden Fall eine aktive hintere Türe mit Ventilatoren, welche die heiße Abluft der Server sofort abführt.
Dabei gilt es auch zu berücksichtigen, dass die thermischen Probleme mit dem Alter der Server ansteigen. Eingetrocknete Kühlpaste zwischen CPU und klein dimensionierten Kühlkörpern so wie Staubablagerungen, welche die Luftwege in den flachen Servern einengen, führen nicht selten nach Betriebszeiten von einem Jahr und länger zu Serverfehlern. Auch fallen kleine, hochtourige Ventilatoren eher aus als große, langsam drehende. IT-Leiter mit geräumigen Rechenzentren sollten daher größere Servergehäuse nach Möglichkeit vorziehen. Hier finden sich dann auch Lösungen mit zwei oder gar drei redundanten Netzteilen, die eine höhere Ausfallsicherheit garantieren.
Um dem Integrator freie Wahl bei den Platten zu lassen, liefern die Barebone-Hersteller vierschiedene Backplanes für die Plattenaufnahmen an. Wer SCSI-Laufwerke einsetzt, bleibt dabei stets auf der sicheren Seite, denn der SCA-Anschluß für Hot-Swap-fähige SCSI-laufwerke ist genormt und passt für SCA-Laufwerke aller Hersteller. Gleiches gilt für FC-Platten mit SCA2-Backplane und S-ATA-Drives. Doch erste Tests in den Real-World Labs der Network Computing zeigen bei S-ATA-Backplanes noch wesentliche Schwächen. Verglichen mit den SCA- und SCA2-Connectoren fallen die S-ATA-Anschlüsse teilweise mechanisch sehr schwach aus. Erschütterungen beim Transport des Barebones mit eingelegten Platten können die vergleichsweise dünnen Plastik-Stecker der S-ATA-Anschlüsse brechen lassen. Daher sollten Barebones mit S-ATA-Laufwerken grundsätzlich nur mit ausgebauten Platten transportiert werden. Hier sind die Hersteller gefordert, nachzubessern. S-ATA- und die mechanisch identischen SAS-Backplanes für die kommenden Serial-Attached-SCSI-Laufwerke werden in fast allen Serversystemen zum Einsatz kommen und dabei SCA sowie proprietäre Backplanes schrittweise ersetzen.
Schwierig wird es, wenn Kunden P-ATA-Laufwerke in Hot-Swap-Rahmen einsetzen. Hier gibt es keine offizielle Hot-Swap-Backplane, und die angebotenen Lösungen folgen keinem Standard. Einige Hersteller offerieren daher spezielle Wechselrahmen mit proprietär belegten Industrie-Connectoren. Auch nutzen einige Anbieter das SCA-Backplane der SCSI-Platten mit einem proprietär belegten Umstecker. Einfach hingegen scheint der originale P-ATA-Connector mit dem regulären Power-Stecker als ein auf der Backplane fest montierter Hot-Swap-Anschluss. Allerdings bindet dieser den Anwender an Platten eines Herstellers. Intel setzt beispielsweise einen P-ATA-Hot-Swap-Connector in einigen Barebones ein, der nur auf Seagate-Laufwerke passt. Bei P-ATA-Laufwerken gibt es keine Norm, die dem Plattenhersteller vorschreibt, wie groß der Abstand zwischen dem 40-poligen Daten- und dem 4-poligen Stromanschluß sein muss. So weichen die Distanzen der Connectoren bei Seagate- und Maxtor-Platten um etwa 1 mm voneinander ab, und das genügt bereits, dass die P-ATA-Backplanes nur für die Laufwerke eines Herstellers funktionieren.
Wer Systeme mit S-ATA- oder SCA/SCA2-Backplane anschafft, ist auf jeden Fall auf der sicheren Seite, auch wenn man bei S-ATA vorsichtig mit den Connectoren umgehen muss. Von proprietären Connectoren sollte man Abstand halten.
Kommende Generationen an Barebone-Systemen werden wesentliche Änderungen einführen. Da SAS und S-ATA die gleichen Connectoren verwenden, dürften künftige Barebone-Systeme mit fest integrierten Plattenbackplanes auf den Markt kommen, die SAS und S-ATA unterstützen. Auch steigt die Plattendichte in den Serversystemen an. Seagates neue Enterprise-Laufwerke im 2,5-Zoll-Formfaktor erlauben, dass 1-HE-Barebones mehr als nur vier Laufwerke fassen. In 2-HE-Systemen lassen sich diese neuen Laufwerke bereits hochkant integrieren, so dass mehr als zwölf Platten in ein Gehäuse passen. Auch die Leistungsdichte steigt. Tyan hat bereits ein Barebone im Programm, das vier Opteron-CPUs in einem 1-HE-Server unterbringt.
Neben den Rack- und Tower-Servern gibt es eine Reihe weiterer interessanter Barebones für spezielle Einsätze. PC-Server in besonders kompakten Gehäusen eignen sich für Appliances und Kleinst-Server im SoHo-bereich. Hier überschneidet sich die Barebone-Server- mit der regulären Barebone-PC-Hardware. Shuttle, Epox und andere Hersteller liefern ihre Barebone-PCs in verschiedenen Ausstattungen. Darunter gibt es auch Systeme, die auf Client-Hardware wie AGP-Steckplatz und Soundkarte verzichten und stattdessen eine simple integrierte Grafikkarte und mehrere LAN-Interfaces einbauen. Besonders kompakte Motherboards im Micro- und Flex-ATX-Formfaktor kommen mit sehr kleinen Gehäusen zurecht. Mit den langsameren und kühleren Prozessoren wie Pentium M oder Via C3 lassen sich damit nahezu geräuschlose Systeme aufbauen. Solche Server oder Appliances können ihre Dienste dann auch in Umgebungen verrichten, die keine abgetrennten Räume für Server aufweisen. [ ast ]