Huawei ? Hightech aus China

6. Oktober 2005, 0:00 Uhr |

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Huawei ? Hightech aus China (Fortsetzung)

»Wir wollen eine Alternative zu Cisco sein.« Shusheng Zheng, COO Huawei/3Com Foto: Ariane Rüdiger
»Wir wollen eine Alternative zu Cisco sein.« Shusheng Zheng, COO Huawei/3Com Foto: Ariane Rüdiger

Qualität zu Niedrigpreisen
Was nun ist das Geheimnis des chinesischen Erfolgs? Sicher nicht geringe Qualität. Huawei hat sich aus alle Welt diejenigen Bausteine zusammengeklaubt, die nach Meinung des Managements den höchsten Standard garantieren ? technisch und bei den Prozessen. So verwendet man in der Qualitätssicherung eine Methode der deutschen Fraunhofer-Gesellschaft. Software wird nach CMM5 (Capacity Maturity Model) erstellt und damit auf der höchsten zertifizierbare Qualitätsstufe. Produktentwicklung und Lieferkette wurden der IBM abgeschaut, das Finanzmanagement Price Waterhouse Coopers. Und so weiter.
Zudem müssen die Chinesen keine Rücksicht darauf nehmen, ob neue Lösungen möglicherweise alte kannibalisieren: Next Generation Switches, die öffentliche Sprach- und Dateninfrastrukturen zusammenführen und multiprotokollfähig sind, kosten nur ein Zehntel bis ein Dreißigstel der überkommenen Boliden. So hält sich naturgemäß das Interesse, solche Geräte zu produzieren, bei den etablierten Herstellern in Grenzen. Huawei dagegen hat nichts zu verlieren.
Weiter steht dem Unternehmen fast unbegrenzt frische Manpower zur Verfügung. Chinesische Universitäten spucken pro Jahr 400 000 Ingenieure und 250 000 Informatiker aus, die hervorragend ausgebildet, hungrig nach Erfolg und sozialem Aufstieg sind. Das Durchschnittsalter bei Huawei liegt denn auch unter 30. 85 Prozent der Mitarbeiter haben mindestens einen Bachelor-Abschluss, viele sind aber auch höher qualifiziert. Von den rund 24 000 Mitarbeitern sind rund 11 500 in Forschung und Entwicklung tätig. Nur acht Prozent der Angestellten verwalten Huawei. Ein Drittel widmet sich Marketing, Sales und Kundendienst.
Der Fokus auf Entwicklung schlägt sich natürlich auch in Patenten nieder, von denen Huawei zum Beispiel bei CDMA-Technik heute bereits um die 50 hält. Man hat die Zeichen der Zeit verstanden: Kunden wollen nicht für jedes Gerät eine separate Management-Plattform, sondern Durchgängigkeit. Also steckt in jedem Huawei-Produkt die gleiche ASIC-Hardware, was die Administration erheblich vereinfacht. Das alles addiert sich zu rund 30 Prozent Einsparung beim Kauf und weiteren Vorteilen im Betrieb ? ein entscheidendes Argument für viele klamme Operatoren, die ihr Heil in neuen Diensten suchen. Erst kürzlich wurde die gesamte ASIC-Entwicklung in ein separates Unternehmen, Haishi, ausgelagert. Es erscheint durchaus denkbar, dass dieses seine Technologie an andere Telekom- Anbieter lizenziert ? dann zum Beispiel, wenn die Kunden von ihnen ähnlich einfach verwaltbare Technologie fordert. Dann hätte Huawei zum ersten Mal in aller Stille einen De-facto-Standard geschaffen. Solche Husarenstreiche war man früher vor allem von Cisco gewohnt.
Überhaupt, Cisco: Wer erinnert sich nicht an den Patentstreit, der zwischen den beiden Unternehmen herrschte? Will man genau wissen, wie er ausgegangen ist, beißt man auf Granit. Bei den Chinesen heißt es durch die Bank, man habe sich geeinigt. Weiter nichts. Musste Huawei Code ändern? Die Chinesen schweigen. Im Westen dagegen heißt es, Huawei habe den Code seiner Systeme teilweise neu geschrieben.

Joint Ventures als Technologiequelle
Überhaupt ist man sehr gut darin, fremdes Wissen wirkungsvoll nach Hause zu holen. Und sich dabei zunutze zu machen, dass gute Entwickler nun einmal fast überall sonst in der Welt eine rare, teure Ressource sind. Was sonst hätte 3Com bewegen können, vor zwei Jahren das Joint Venture Huawei/3Com ins Leben zu rufen, in das der Hersteller sein gesamtes Know-how der Datenkommunikation einbrachte? Das gemeinsame Unternehmen sitzt in Hongkong und gehört derzeit zu 51 Prozent Huawei und zu 49 Prozent 3Com. 3Com bemüht sich, eine Option auf zwei weitere Prozente der Firma auszuüben, was den Amerikanern das Sagen sichern würde.Aber hierbei haben die chinesischen Behörden mitzureden, und was die sagen, ist offen. Sicher werden sie nicht so entscheiden, dass China daraus auf die Dauer Nachteile entstehen ? die Erfahrungen aus anderen Industriezweigen lassen grüßen.

Ganz offiziell bezeichnet 3Com Huawei als »unseren chinesischen Entwicklungsarm «. Das klingt angesichts der Tatsache, dass 3Com keinen einzigen Entwickler zu der Firma beigetragen hat, schon fast ein wenig beschönigend. Anfangs beschäftigte Huawei/3Com rund 1500 Entwickler, mittlerweile sind es 3500, Tendenz natürlich steigend. Insgesamt sieht sich das Joint Venture als Alternative zu Cisco ? eine Zielrichtung, die auch Nortel im letzten Jahr verkündete.

Marketing Verbesserungswürdig
Verwirrend ist allerdings das Marketing des Herstellers. Das mag daran liegen, dass in einer Planwirtschaft diese Aufgabe einfach nicht vorkam. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass sich Huawei eine ganze Reihe von Optionen offen halten möchte.
In Deutschland sind Huawei-Produkte unter mindestens zwei Labels erhältlich: 3Com vermarktet die Datenkommunikationslösungen aus dem Joint Venture unter seiner eigenen Marke und mit anderen Produktbezeichnungen über seine Händler. Dazu kommen die Lösungen aus dem schon vorher existierenden 3Com-Portfolio, zum Beispiel die NBX-Voice-Systeme oder die Office-Connect-Serie.
Siemens und seine Vertriebskanäle führen mehr oder weniger dieselben Produkte sowie Huaweis TK-Lösungen unter dem Label Huawei, und das gilt auch für Controlware. »Wir wollen, dass Controlware und Siemens eher das Highend adressieren, während 3Com die Produkte zu seinen klassischen Stammkunden im Mittelstand bringt«, sagt Huawei-3Com-COO Shusheng Zheng. Überschneidungen und Konkurrenz in bestimmten Marktsegmenten, etwa bei alternativen IP-Providern, in denen 3Com und Siemens oder Controlware potentielle Kunden sehen, nimmt man in Kauf. »Das lässt sich wohl kaum vermeiden«, sagt der Manager.
Der Marktanteil Huaweis auf dem deutschen Datenkommunikationsmarkt ist denn auch unklar: IDC-Analyst Peter Hulleman beziffert ihn auf rund ein Prozent, aber die 3Com-Geräte sind darin nicht enthalten. Im Bereich Telekommunikation, wo nur die Marke Huawei präsent ist, sind es fünf Prozent.
Die geplante Aufteilung der Kunden im Datenkommunikationsbereich scheint nicht richtig zu funktionieren. »Jede der Firmen entfaltet hierzulande ihre ganz eigene ökonomische Rationalität «, sagt Jörg Kracke, Area Sales Director bei 3Com Deutschland. Er habe sich das anders vorgestellt, »aber jetzt ist es nun mal so«. Zur Verwirrung trägt auch bei, dass 3Com manche Features später implementiert als Huawei und dass deswegen ansonsten baugleiche Geräte in Details doch unterschiedlich sein können.
Jüngst hat Shusheng Zheng dem Marken-Wirrwarr noch eine weitere Option hinzu gefügt. Zu gegebener Zeit könne er sich durchaus vorstellen, auf dem deutschen Markt unter dem Label Huawei/3Com aufzutreten. So oder so, in Deutschland dürfte Huawei zur festen Größe werden.      


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