Ingram Micro: Grenzen zwischen VAD und Commodity verschwimmen

1. September 2005, 0:00 Uhr |

Ingram Micro: Grenzen zwischen VAD und Commodity verschwimmen. Die Ära Compushack endet nun endgültig am 1.9.2005, wenn sich die Pforten in Neuwied schließen. Die Kosten zur Erhaltung der Westerwälder Außenstelle in Neuwied sind dem Mutterkonzern zu hoch. Evi Hierlmeier, Chefredakteurin der CRN, sprach mit dem Geschäftsführer von Ingram Micro, Gerhard Schulz, über die Perspektiven der Ingram Micro-VAD-Netzwerksparte.

Ingram Micro: Grenzen zwischen VAD und Commodity verschwimmen

CRN: Es gibt Stimmen im Markt, die behaupten: Es war von Anfang an die Absicht von Ingram Micro gewesen, Compushack sozusagen zu zerschlagen und jetzt Profitmaximierung zu betreiben ? Ihre Meinung dazu?

Gerhard Schulz: Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn, und wer hätte etwas davon haben sollen? Was wir im vergangenen Jahr gemacht haben, ist Compushack auf ihre Kernkompetenzen zu reduzieren und damit wieder rentabler zu machen. Dazu haben wir als Unternehmenskonzern bestimmte Prozesse ins Mutterhaus geholt und in die bereits existierende Infrastruktur eingebunden ? ebenfalls um durch unseren hohen Automatisierungsgrad, geringe Abschreibungen, hocheffiziente EDV Kostenvorteile zu schaffen. Was hat das alles mit Zerschlagen zu tun? Im Gegenteil: Auch in der Zeit nach Compushack halten wir im Netzwerkbereich bei den in Neuwied gemanagten Lieferanten zwischen 30 und 40 Prozent Marktanteile.

CRN: Nichtsdestotrotz monieren Kunden, dass die technische VAD-Kompetenz seit der Übernahme gelitten habe ? allein durch das Wegfallen der Trainings.

Schulz: Würden wir Perspektiven sehen, die eine extrem technisch orientierte VAD-Division im NW-Bereich rechtfertigten, würden die Margen jenseits fünf Prozent liegen, hätten wir die Division erhalten. Nicht aber, wenn der Netzwerk-Markt selbst nur noch sehr moderates Wachstumspotenzial hat und massiv mit einem Preisverfall kämpft. Und zwar nicht nur bei den Commodity-Produkten, sondern auch im Segment der High-End-Nortel-, HP- und Cisco-Produkte. Im Projektgeschäft trägt ein Höchstmaß an Preistransparenz dazu bei, dass die Margen in die Knie gehen. Ich sehe ganz deutlich einen Trend in die andere Richtung SMB, Masse, Volumen. Die Grenzen zwischen VAD und Commodity werden verschwimmen. Darauf muss ich mich als Unternehmer einstellen und wettbewerbsfähige Strukturen sicher- stellen. Das ist meine unternehmerische Verantwortung. Falsch wäre es, Strukturen, die nicht wettbewerbsfähig sind, zu erhalten, Subventionspolitik am falschen Fleck ist unverantwortlich.

CRN: Dann ist der Umzug nach Dornach also ein leises Servus für den VAD?

Schulz: Nein, ist es definitiv nicht; wir halten an unserem Konzept Volume & Value fest. Dafür holen wir die Kompetenzträger aus Neuwied nach Dornach. Aber Fakt ist auch: Die Lösungskompetenz an sich muss der Händler mitbringen. Unsere Kompetenz als Distributor liegt in der Unterstützung beim Projektgeschäft und in der Breite des Produktsortiments ? unsere Kunden können immerhin unter den Produkten von 350 Lieferanten One-Stop-Shopping betreiben.

CRN: Neuwieder in München ? das ist ein weiter Weg. Sind die Teammitglieder denn überhaupt bereit, den Standort zu wechseln?

Schulz: Es ist uns wichtig, dass wir unsere Kompetenzen mitnehmen, also bieten wir auch attraktive Konditionen: Die Mitarbeiter können sozusagen neun Monate testen, ob ihnen die Arbeit hier zusagt. Wir unterstützen das, indem wir in dieser Zeit die Flüge bezahlen, Apartments stellen und auch München-gerechte Gehälter zahlen. Und schließlich ist der Arbeitsmarkt derzeit nicht als sonderlich sicher zu bezeichnen: Da fährt ein Mitarbeiter sicherlich besser, wenn er seine Ansprüche aus dem bestehenden Vertrag behält und dafür Veränderungen in Kauf nimmt, anstatt in einem neuen Job eine Probezeit zu riskieren. Die ersten Signale der Leute sind jedenfalls ausgesprochen positiv.

CRN: Wohnung, Autos, Heimatflüge, hohe Gehälter ? wäre es da nicht billiger gekommen, die Leute in Neuwied zu lassen?

Schulz: Nein, bei weitem nicht. Bei allen diesen Leistungen handelt es sich um Einmalkosten gegenüber den weitaus höheren Strukturkosten, einen ganzen Standort aufrecht zu erhalten.

CRN: Die Kompetenzträger aus Technik, Einkauf, Marketing und Vertrieb sollen also nach München. Was passiert mit dem Rest Ihres 80-köpfigen Neuwieder Teams?

Schulz: Wir nehmen diejenigen mit, denen wir einen sinnvollen Job hier in München anbieten können ? auch außerhalb des Netzwerkgeschäfts. Aber es bleiben natürlich Leute übrig. Wir sind uns jedoch unserer sozialen Verantwortung bewusst ? wir haben einen fairen und vernünftigen Sozialplan aufgestellt und eine Outplacement-Agentur engagiert, die den Mitarbeitern dabei hilft, anderswo unterzukommen.


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