IT-Trends aus Analystensicht
IT-Trends aus Analystensicht Fünf Marktforschungsfirmen befragte InformationWeek zu wichtigen IT-Trends der nächsten Jahre. Die Antworten zeigen: IT bleibt ein spannendes Geschäft. Ihr Nutzwert rückt noch stärker in den Mittelpunkt.





1. Wie wird die Hardware-Infrastruktur des Datenzentrums der Zukunft aussehen? Sie wird virtualisiert sein – in diesem Punkt waren sich alle Analysten einig. Die meisten sehen auch energieeffizientere Infrastrukturen kommen, um die weiter steigenden Bedarfe optimal zu befriedigen. Doch es gibt zusätzliche Neuigkeiten im Datenzentrum. Jürgen Brettel, Vorstandsvorsitzender der Experton Group, prognostiziert: »Hardware-Ressourcen werden automatisch Anwendungen und Geschäftsprozessen zugeordnet.« Stephan Kaiser, Berater und Analyst bei Pierre Audoin Consultants (PAC), glaubt: »Die Rezentralisierung wird zu großen Harmonisierungsprojekten führen.« Am Ende steht, so Wafa Moussavi-Amin, General Manager Deutschland und Schweiz bei IDC, »eine kostengünstige Service-orientierte Infrastruktur (SOI), bei der Server und Storage virtualisiert sind«. Sie wird, das vermutet jedenfalls Jamie Lewis, CEO und Vorstand für den Bereich Forschung der Burton Group, »aus einer Kombination von Blades und großen Serversystemen bestehen, auf denen viele virtuelle Maschinen laufen können.« Die bisher üblichen Formfaktoren dagegen sterben seiner Meinung nach aus. Chris Mines, Senior Vice President bei Forrester, ortet zukünftiges Konfliktpotenzial: »Einerseits kehren immer mehr Funktionen ins Datenzentrum zurück, andererseits investieren Unternehmen in Hardware für Mobile Computing, das geschäftskritisch wird, weil es immer mehr Mitarbeiter nutzen.« Das ergebe eine Mischung nicht unbedingt miteinander verträglicher Computing-Modelle.
2. Welche Rolle übernimmt in Zukunft der CIO? Jedenfalls keine, die weniger wichtig ist als heute, am Schnittpunkt zwischen technischer und ökonomischer Sphäre. Stephan Kaiser, PAC: »Der CIO wird noch stärker zum Bindeglied zwischen Business und IT. Dabei wird strategisches Sourcing aller Bereiche wegen der zunehmenden Externalisierung von IT-Leistungen immer wichtiger.« Damit sie ihre anspruchsvolle Aufgabe auch erfüllen können, ist es allerdings, so Wafa Moussavi-Amin, IDC, »unvermeidlich, CIOs stärker in die strategischen Entscheidungen des Gesamtunternehmens einzubinden und ihre Leistung am Unternehmenserfolg zu messen.« Das bedeutet, so Chris Mines, Forrester: »Er wird den Löwenanteil seiner Zeit der Optimierung von Geschäftsprozessen widmen, denn Geschäftsleute und nicht Techniker entwickeln zum Beispiel BPM-Prozesse.« Jürgen Brettel, Experton, sieht CIOs, wenn sie denn wollen, vor noch höheren Weihen: »Sie können sich auf qualitativ hochwertige Informations- und Kommunikationslösungen für ihr Unternehmen konzentrieren. Oder sie können über die Grenzen der IT hinausschauen und die Innovationsführerschaft mit großem Einfluss auf ihr Unternehmen übernehmen – als Chief Innovation Officer.« Von der kürzlich ernsthaft diskutierten, konfrontativen Frage, ob IT überhaupt etwas zu bedeuten hat (»Does IT matter?«) findet sich in diesen Antworten kaum ein Nachhall. Ein weiterer Beleg für die altbekannte These, dass Totgesagte länger leben.
3. Was ist der derzeit wichtigste Technologietrend im Markt für Unternehmens-IT? SOA (Service Oriented Architecture) wird von den meisten befragten Analysten für die wichtigste Technologie der Gegenwart gehalten. »SOA ist entscheidend dafür, sich in Richtung BT (Business Technology) zu bewegen und ermöglicht den Aufbau von IT-Shops mit wiederverwendbaren Services. So können relativ günstige BT-Tools das Geschäftsergebnis stark zum Positiven beeinflussen«, meint Chris Mines, Forrester. Allerdings gibt es auch kritische Anmerkungen dazu. So moniert Wafa Moussavi-Amin, IDC, »eine gewisse Unklarheit über die Einsatzszenarien und die optimale Vorgehensweise zur Einführung.« Insbesondere bei SOA stelle sich die Frage: »Technologie oder Konzept?« Doch es werden auch andere technologische Trends genannt, die die Zukunft der Unternehmens-IT nachhaltig prägen werden: die »allgegenwärtige Zugriffsmöglichkeit durch kontinuierliche Verbreitung drahtloser, breitbandiger Internetanbindungen und immer mehr mobile Endgeräte« (Jürgen Brettel, Experton), »weiterentwickelte Sicherheitstechnologien für den Schutz firmeneigener Daten und Netze« und konvergente Netzwerkstrukturen (Stephan Kaiser, PAC) sowie RFID (Wafa Moussavi-Amin, IDC).
4. Green IT ist in aller Munde. Ist das Hype oder echte Umorientierung? Dass es sich um eine dauerhafte Neuorientierung handelt, wird von keinem der befragten Analysten ernsthaft bestritten. Moussavi-Amin, IDC, spricht trotzdem von einem »Hype, der seitens der IT-Anbieter getrieben wird«. Auch Kaiser, PAC, sieht die Anbieter als treibende Kraft. Lewis, Burton, vermutet gar, dass »einige Anbieter versuchen werden, den Markt dadurch in die Irre zu führen, dass sie bereits existierende Produkte jetzt als grün verkaufen«, dies sei jedoch nicht die Mehrheit. Dagegen verortet Brettel, Experton, »Unmut bei den Anwendern über den enormen Energieverbrauch des IT-Betriebs«, und verweist auf Kapazitätsengpässe und den Bedarf nach teurer neuer Strom-Infrastruktur für Rechenzentren als Treiber für die neue Entwicklung. Altruismus vermutet kaum einer hinter der grünen Welle. Moussavi-Amin, IDC, prognostiziert stärkere Nachfrage nach energieeffizienterer IT wegen steigender Energiekosten. So auch Kaiser, PAC: »Green IT geht nur Hand in Hand mit nachhaltig erzielbaren Kosteneinsparungen wegen sinkender Energieverbräuche, die den ROI von Anschaffungen beschleunigen.« Einen optimistischen Ausblick bietet Mines, Forrester: »Wir erwarten grüne Untermarken und Produktlinien, erhebliche Anstrengungen bei Produktentwicklung, Herstellung, Recycling und Rücknahme.« Lewis, Burton, verweist auf die förderliche Rolle von Regierungsprogrammen. Beispiele sind die amerikanische Energy-Star-Norm oder die europäische EUP-Richtlinie (Energy-Using Products), die Obergrenzen für den Stromverbrauch von Endgeräten festlegt.
5. Werden SOA und Web Services die Erwartungen der Anwender erfüllen? Zunächst differenzieren die Antwortenden zwischen SOA und Web Services. Lewis, Burton: »SOA und Web Services sind unterschiedliche Dinge: SOA (Service Oriented Architecture) besteht aus Designprinzipien, Web Services sind ein Bündel von Technologien und ein Framework. Man kann SOA mit Web Services implementieren, aber auch mit anderen Technologien.« Umgekehrt scheint es nicht so einfach zu sein. Mines, Forrester: »Web Services ohne SOA funktionieren nicht.« Er bringt das Beispiel von AT&T, wo zunächst inkohärente Standardschnittstellen implementiert wurden, die erst dann zu erheblichen Einsparungen führten, als man Geschäftsprozess- und Verwaltungsaspekte hinzufügte und somit eine SOA-Infrastruktur aufbaute. Immerhin: »70 Prozent der von Forrester befragten Anwender wollen mehr SOA implementieren.« An der Zufriedenheit der Anwender werden jedoch durchaus auch Zweifel laut. Moussavi-Amin, IDC: »In Bezug auf Web Services sind die Erwartungen der Anwender erfüllt worden. Bei SOA hinken die Anwender ihren Möglichkeiten hinterher.« Anders Lewis, Burton: »Web Services haben ihre volle technologische Reife noch nicht erreicht. Sie könnten zur disruptiven Technologie werden, sind allerdings nur ein Schritt auf dem Weg zu Service-basierenden Architekturen.« Ziel ist es auf jeden Fall, die IT mit Web Services und SOA flexibler zu machen, den Informationszugang und die Anwendungsintegration zu erleichtern. Doch Brettel, Experton, sagt nüchtern: »Ob SOA letztendlich die richtige Strategie für die zu lösenden Aufgaben ist, kann sich immer nur im konkreten Fall zeigen.«
6. Wie beurteilen Sie die Zukunft sogenannter Service-Fabriken? Service-Fabriken bedienen ihre Kunden mit standardisierten (IT-)Dienstleistungen. Dabei können die Kunden unternehmensintern oder extern sein. Sie können sich, wie beim Near- oder Offshoring, auch in einem benachbarten Land beziehungsweise in Übersee befinden. Besonders bei Banken und Versicherungen ist das Konzept schon anerkannt. Dass seine Verbreitung zunimmt, bestreitet keiner der befragten Analysten. Treibende Faktoren sind Wettbewerbs- und Kostendruck, »prozessorientierte Unternehmensausrichtung, serviceorientierte Architekturen und ein Ausbau der Angebotsseite« (Brettel, Experton). »Gerade im Bereich der IT ermöglicht die Globalisierung, die Delivery an verschiedenen Knotenpunkten zu standardisieren und weltweit verfügbar zu machen«, erklärt Kaiser, PAC. Allerdings konstatiert Moussavi-Amin, IDC, »die Industrialisierung der IT-Dienstleistungen befindet sich noch in einer frühen Entwicklungsstufe«, werde sich jedoch beschleunigt durchsetzen, denn »nur durch standardisierte Prozesse, modulare Servicepakete und eine Reduzierung der Fertigungstiefe« sei der notwendige Wandel im IT-Bereich zu leisten.