SOA fordert die ganze Organisation
Die Einführung von Service-orientierten Architekturen greift ebenso in die IT-Organisationen ein, wie in das Verhältnis von IT und Fachabteilungen. Um den Erfolg sicherzustellen, müssen Unternehmen daher vor der technischen Realisierung organisatorische Konzepte entwickeln, Regeln definieren und Kontrollmechanismen implementieren. Experten fassen diese Anforderungen unter dem Begriff »SOA-Governance« zusammen.
- SOA fordert die ganze Organisation
- Neues Paradigma der IT
- Wachstumstreiber des Service-Marktes
Bestechungsskandale, spektakuläre Firmenpleiten und Diskussionen um exzessive Abfindungszahlungen haben dem Thema »Corporate Governance« auch in der deutschen Wirtschaft zu Popularität verholfen. Vor einigen Jahren setzte die Bundesregierung eigens eine Kommission unter Leitung des früheren Thyssen- Krupp-Chefs Gerhard Cromme ein, um Regeln für die Führung und Kontrolle von Unternehmen aufzustellen. Was für die gesamte Organisation gilt, muss sich auch in deren IT-Abteilung widerspiegeln: Sie benötigen ebenfalls klar definierte Strukturen, Prozesse, Regeln und Kontrollmechanismen, um einen reibungslosen und effizienten Betrieb sicherzustellen.
Mit dem Aufkommen Service-orientierter Architekturen (SOA) rückt das Thema IT-Governance zunehmend in den Mittelpunkt. Denn bei einer SOA-Einführung handelt es sich um weit mehr als um die Implementierung neuer Technologien. Foto: www.fujitsu-siemens.com Tatsächlich verändert das Konzept die Strukturen in den Rechenzentren und greift in das Verhältnis zwischen IT und Fachabteilungen ein. In der Regel müssen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten neu zugeordnet werden. Das sei »ein Thema, das in Unternehmen stets heiß und mitunter sehr irrational diskutiert wird«, weiß Norbert Schädler, Lead Architect bei der IBM Software Group (siehe Interview). »Denn fast immer geht es darum, Pfründe neu zu verteilen.«
Aus diesem Grund sollte eine so genannte SOA-Governance die Einführung des neuen Architekturmodells von Anfang an begleiten. Das heißt, es müssen eigens Strukturen geschaffen, Prozesse implementiert, Regeln aufgestellt und nicht zuletzt Verfahren zur Erfolgskontrolle eingeführt werden. Aber längst nicht alle Anwender nehmen diese Anforderung ernst und setzen ihre Projekte damit nach Einschätzung der Analystengruppe Gartner einem hohen Risiko aus. »Unternehmen sollten nie über SOA nachdenken, ohne ein Set von Governance-Prozessen festzulegen, die Service-Definitionen, Implementierung und Betrieb betreffen«, warnt Paolo Malinverno, Research Vice President bei Gartner.
Die Gefahr, dass ein Projekt aus diesem Grund scheitert, sei zu Beginn zwar noch relativ gering, räumt der Analyst ein. Daher führe die Begeisterung für SOA in einigen Unternehmen dazu, dass sie es versäumen, robuste Governance-Modelle einzuführen. »Aber wenn sich das Projekt entwickelt, erhöht sich das Risiko.« Und die unzureichende Absicherung durch Kontrollmechanismen gefährde zunehmend das gesamte Vorhaben. Laut der pessimistischen Prognose von Gartner werden 2010 nicht einmal 25 Prozent der großen IT-Anwender sowohl über die technischen als auch die organisatorischen Skills verfügen, um SOA unternehmensweit auszurollen.
Dass es sich beim Projektbeginn kaum bemerkbar macht, wenn das Thema Governance vernachlässigt wird, hat einen einfachen Grund: Die meisten Unternehmen beginnen bei der SOA-Einführung taktisch in einem eng begrenzten Bereich. Problematisch wird es erst dann, wenn sie die breitere Umsetzung in der Organisation angehen. So beobachtet Torsten Winterberg, Leiter des SOA Competence Center bei Opitz Consulting, dass Anwender mit wachsender Zahl der Services gelegentlich »den Überblick verlieren«. Werden beispielsweise Services nicht nach einheitlichen Vorgaben erstellt, passen Komponenten auf einmal nicht mehr zueinander. »Die technischen Aspekte einer SOA – wie Webservices, Enterprise Service Bus (ESB) oder Business Process Execution Language (BPEL) – sind mittlerweile recht gut begriffen«, meint Winterberg. »Dagegen werden die nicht-technischen Aspekte, die nicht minder wichtig sind, oft vernachlässigt.«