Noch weit weg von Visionen

23. November 2006, 12:36 Uhr |

Noch weit weg von Visionen ILM befindet sich bei den meisten deutschen Unternehmen in einem frühen Umsetzungsstadium, so jedenfalls die Ergebnisse einer Studie der Experton Group. Wichtigster Motor der Implementierungs­pläne ist der Zwang zur Langzeitarchivierung.

ILM ist ein Thema, über das Anwender sprechen, aber noch lange keine Selbstverständlichkeit. So lässt sich das Ergebnis einer umfassenden Studie der Experton Group zusammenfassen. Nach einer Fünf-Stufen-Skala, die Experton entwickelte, und die die möglichen Umsetzungsstadien von ILM darstellt, befinden sich die meisten hiesigen Firmen gerade einmal zwischen Stufe 2 und 3. Das heißt, sie fangen an, Daten zu klassifizieren und ihre Anforderungen in SLOs (Service Level Operators), also Parametern für die Leistungsfähigkeit, abzubilden oder haben begonnen, den Informations-Lebenszyklus wenigstens für einzelne Anwendungen komplett und durchgängig zu verwalten. Ganze 15 Prozent der Befragten verortet Wolfram Funk, Studienleiter der Studie und Senior Advisor bei der Experton Group, in diesem Segment. Die Hälfte der befragten Anwender dagegen versucht derzeit, ihre Speicher und Server zu konsolidieren, zu vernetzen und zu virtualisieren – Grundvoraussetzungen, ohne die ILM gar nicht möglich ist. Auch hier bleibt noch genug zu tun: So nutzen bisher nur 44,1 Prozent der Befragten ein SAN, 30,8 Prozent NAS. Serverkonsolidierung und Backup-Architektur sind wichtige Themen. Lediglich 18,6 Prozent der Befragten automatisieren die Speicherverwaltung durch eine SRM (Storage Resource Management)-Lösung.

Gesetze als Motor
Zwar wissen 70 Prozent der Befragten, dass es Auflagen hinsichtlich der Langzeitarchivierung gibt, und rund ein Drittel von ihnen sieht darin den wichtigsten Grund für die ILM-Implementierung. Doch sagen andererseits 37 Prozent der Befragten, es gebe diesbezüglich keine konkreten gesetzlichen Regelungen, obwohl es sie zuhauf gibt – vom Handelsrecht über das DV-Recht und das Steuerrecht bis hin zu europarechtlichen und US-amerikanischen Bestimmungen, die bei international aktiven Firmen wirksam werden. Be­denk­lich stimmt auch, dass nur 20 Prozent der Befragten auf gerichtliches Verlangen ohne größere Schwierigkeiten den kompletten Schriftverkehr zu einem Vorgang hervorzaubern können. Weitere 68 Prozent würden an dieser Aufgabe zwar nicht scheitern, müssten aber erheblichen Aufwand dafür treiben. Das sollte möglichen Betroffenen zu denken geben. Besonders wichtige Treiber für die ILM-Implementierung sind auf Anwendungsseite denn auch E-Mail- und ERP-Systeme.

Noch keine reifen ILM-Prozesse
Von reifen ILM-Prozessen, nach deren Implementierung oben genannte Aufgaben eigentlich lösbar sein müssten, kann man heute nur selten sprechen. Das zeigt sich, wenn Experton nach einzelnen Merkmalen bezüglich der implementierten ILM-Lösungen fragt. So haben längst nicht alle befragten Firmen ein kontinuierliches Change Management für die ILM-Prozesse. Bei der Datenklassifizierung hapert es noch mächtig, und nur sehr selten ringt sich eine Firma zu Änderungen in den Prozessen durch, um die am Wert orientierte Datenhaltung zu realisieren. Wer den Ausbau seiner Infrastruktur plant, verlässt sich dabei vor allem auf Daten zur Auslastung des Plattenplatzes (76 Prozent). Anderen wichtige Informationen wie gemanagter Speicherplatz pro Administrator, Prozentsatz redundanter und überalterter Daten, Prozentsatz dezentral gehaltener und unstrukturierter Datenbestände verwenden höchstens die Hälfte der Befragten, obwohl sie wertvolle Aufschlüsse über die Qualität der Infrastruktur liefern könnten. Und immerhin jede zehnte Firma greift überhaupt nicht auf solche Informationen zurück, wenn geplant wird. Ähnlich unvollständig sind Service Level implementiert: 35 Prozent nutzen solche Festlegungen, 13 Prozent planen das. Von diesen 48 Prozent sind jeweils bei knapp zwei Dritteln der Anwender die SLA-Vereinbarungen eine wichtige Grundlage für die interne Kostenverrechnung und wurden mit den Anwender-Abteilungen vereinbart. Nur knapp 40 Prozent der SLAs sehen fixe Parameter vor und verhängen bei deren Verletzung Konventionalstrafen.

Neuer Trend zum Storage-Service
Auch die Anbieterseite ist sich der steigenden Bedeutung der übergreifenden Disziplin ILM bewusst. So sollen in den nächsten drei Jahren fünf bis zehn Prozent aller Storage-Investitionen irgend etwas mit ILM zu tun haben. Deren Gesamtvolumen in Deutschland betrug 2005 4,775 Milliarden Euro und soll bis 2008 auf 6,512 Milliarden Euro an­schwellen, was einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 11 Prozent entspricht. Services legen mit jährlich 14 Prozent zu, Hardware nur mit acht Prozent. Wegen des heiklen Themas Klassifizierung dürfte Content Management für alle Anbieter immer wichtiger werden. Denn nur, wenn Daten möglichst weitgehend automatisiert klassifiziert werden, ist eine wirklich umfassende ILM-Lösung möglich. »Die ILM-Anbieter werden ECM eher mit Kooperationspartnern verwirklichen«, meint Berlecon-Mann Funk dazu. Die Realität spricht hier allerdings eine andere Sprache, hat sich doch EMC bereits durch Documentum verstärkt, und es wäre kaum verwunderlich, wenn andere, zum beispiel Symantec, diesem Beispiel folgten. Experton geht auch davon aus, dass ILM, Business Continuity und E-Mail-Archivierung den Storage-Dienstleistern und ihren On-Demand-Konzepten neuen Auftrieb verleihen werden. »Wir werden in zwei bis zweieinhalb Jahren hier eine Renaissance erleben«, meint Funk. Der Grund: Inhouse-Konzepte sind bei weitem zu unflexibel. So gab fast die Hälfte der befragten Firmen an, mindestens eine Woche zu brauchen, um die Infrastruktur einem veränderten Storage-Bedarf anzupassen. Heute allerdings sind die dominanten Bereiche für den Einsatz von Externen Wartung, Schulung, Implementierung und Planung – also die klassischen Aufgaben für Reseller und Integratoren.

»Echtes« ILM ab 2007
»Ab 2007 gibt es die technischen Voraussetzungen, zum Beispiel von vielen implementierte Standards, für höhere Automatisierungslevels«, meint Funk optimistisch. Heute behaupten denn auch nur drei Prozent der befragten Firmen, ILM komplett unternehmensweit einzusetzen. Führend sind bei der Implementierung einige wenige Branchen, die durch besonders komplexe Abläufe gekennzeichnet sind oder die der Gesetzgeber mit besonderen Dokumentationspflichten belegt und so zu größeren Anstrengungen zwingt, etwa Banken und Finanzdienstleister, Versicherungen, Energieversorger oder TK-Dienstleister – bei letzteren ist Billing eine besonders wichtiges Thema. Schlecht sieht es besonders beim Handel aus, der seine Investitionen in ILM-Technik nach den Ergebnissen der Studie in der nächsten Zeit sogar senken will. Größere Unternehmen sind generell in der ILM-Implementierung weiter fortgeschritten als kleine. »Der klassische Mittelstand belässt es meist bei einer Archivierungslösung«, meint Funk.


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