Online-Shops im Aufwind: Wut und Bewunderung für virtuelle Läden
Online-Shops im Aufwind: Wut und Bewunderung für virtuelle Läden. Schwere Zeiten für den Einzelhandel. Anders bei Online-Shops. Sie profitieren vom Internet-Aufwind: Für 14,5 Milliarden Euro kaufen Konsumenten laut HDE in diesem Jahr übers Internet ein. Der Milliardenmarkt Internet-Handel zieht auch Betrüger und Hasardeure an. Die Wut unter den Fachhändlern nimmt indes stetig zu, denn die aberwitzigen Preise vieler Online-Anbieter lassen ihnen kaum noch Luft zum Atmen.
Online-Shops im Aufwind: Wut und Bewunderung für virtuelle Läden
Co-Autor: Samba Schulte
Die Hassliebe des deutschen Fachhandels gegenüber dem Internethandel ist allgegenwärtig. ITK-Händler blicken mit Verachtung, aber auch ein wenig Neid auf die Betreiber von Online-Shops. Noch! Aber die Front bröckelt schon. Und das Monat für Monat schneller. Denn: Immer mehr ITK- und CE-Fachhändler haben den Online-Shop als zweites Standbein erkannt. Oder wie es Robin Wittland, Aufsichtsrat der Wortmann AG, zackig formuliert: »Das Ladengeschäft für die Qualitätsarbeit ? also Beratung, Dienstleistung, Service ?, den Online-Shop zusätzlich für Produkte, die schnell, leicht und günstig zu verkaufen sind.«
Deshalb wird es auch in Zukunft noch IT-, TK- und vor allem CE-Fachhändler geben. Nur: Sie werden sich noch mehr in Richtung Dienstleister mit sehr hoher Servicekompetenz wandeln müssen. Dienstleister im wahrsten Sinne des Wortes, nämlich eng im Dialog mit den Kunden ? gewerbliche wie private Endkunden. Wer das nicht schafft, dem geben die Online-Shops den Todesstoß.
Denn die sind im Aufwind. Und das ganz ordentlich. Wer seine Plattform professional aufbereitet, gute, auch Markenprodukte zu interessanten, aber immer noch ertragssichernden Preisen anbietet und nicht zuletzt das Kapitel Service wie verschiedene Zahlungsarten, reichlich Informationen über Versandkosten, Verfügbarkeit oder auch kundenfreundliche Garantie- und Gewährleistungsabwicklung sicherstellt, der ist mit einem Online-Shop gut im Rennen um das, was ein Verkäufer am liebsten hat: Das Geld seiner Kunden. Das sitzt lockerer, als manch ein konjunkturgebeutelter Händler vermutet. Immerhin betrugen die E-Commerce-Umsätze des vergangenen Jahres allein in Deutschland 202,6 Milliarden Euro, wie der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) ermittelte. Das sind sage und schreibe 30 Prozent der gesamten westeuropäischen E-Commerce-Umsätze von etwa 680 Milliarden Euro. Damit ist Deutschland europäischer Spitzenreiter.
Ganz klar dominiert dabei der Business-to-Business-Umsatz. Mehr als 180 Milliarden Euro wurden in Deutschland umgesetzt ? bei jährlichen Wachstumsraten von knapp 40 Prozent. Bis zum Jahr 2008 soll das Volumen auf mehr als eine halbe Billion Euro steigen.
Online-Umsatz bereits bei 40 Milliarden Euro
Die Business-to-Consumer-Umsätze bewegten sich im vergangenen Jahr in Deutschland bei 10,6 Milliarden Euro. Das sind 26,2 Prozent vom gesamten westeuropäischen B-2-C E-Commerce-Umsatz in Höhe von knapp über 40 Milliarden Euro. Nur in Großbritannien war das Interesse der privaten Endverbraucher höher: 14,1 Milliarden Euro. Bis 2009 soll sich das europaweite Umsatzvolumen vervierfachen. Mit 167,3 Milliarden Euro ? Deutschland davon mit 42,8 Milliarden Euro westeuropäischer Spitzenreiter ? ist der Vertriebskanal E-Commerce aus dem privaten Endkundengeschäft nicht mehr wegzudenken.
Und davon wird nicht zuletzt der Handel mit ITK- und CE-Produkten profitieren. Mithin eine Entwicklung, die beispielsweise Jürgen Rakow, Geschäftsführer der Marke Yakumo, auch unter seinen Händlern feststellen kann. So zählt er unter den Vertriebspartnern nicht nur gut eingeführte Fachhandelsgeschäfte, sondern auch professionell betriebene Online-Shops. Und zusätzlich dienstleistungsbewährte Fachhändler, die ihren internetbegeisterten Endkunden mit einer virtuellen Einkaufsplattform entgegenkommen.
Wie lohnend dies sein kann, dokumentiert das »Monitoring Informationswirtschaft 2005«, herausgegeben von TNS Infratest und dem Bundeswirtschaftsministerium. In einer Auflistung der am häufigsten über das Internet georderten Produkte, steht »Computerhardware« auf Platz sieben. Demzufolge haben 2004 rund 4,5 Millionen Deutsche solche Produkte gekauft, 21 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Und »Telekommunikationsprodukte« kauften immerhin 2,9 Millionen private Endkunden übers Internet (plus 24 Prozent). Steffen Schwuchow, Geschäftsführer der Preisvergleichsplattform »schottenland.de«, geht sogar noch einen Schritt weiter: »Das Internet ist der beliebteste Einkaufsmarkt für Elektronikprodukte und Computer.« Er verweist dabei auf eine eigene Studie mit 250 Personen, die an Elektronikprodukten und Computern interessiert waren. Bei Mehrfachnennungen sprachen sich 93 Prozent für das Internet aus, das die besten und preisgünstigsten Einkaufskonditionen biete. Immerhin sehen noch knapp über 67 Prozent der befragten Verbraucher im Ladengeschäft eine bessere Möglichkeit günstig einzukaufen als aus dem Versandkatalog mit lediglich 30 Prozent.
Diesem Trend zum Online-Shop tragen mittlerweile auch die Distributoren Rechnung. So stellt beispielsweise Stephan Lein, Business Group Manager E-Commerce bei Ingram Micro, fest, dass die Kundenzugänge zu den E-Commerce-Angeboten der Grossisten individualisiert werden. »Immer stärker genutzt wird auch unser Händlershop-Konzept ?Superstore?. Große, aber auch kleinere Partner nutzen den Superstore, teils wird der Händlershop in den bestehenden Internet-Auftritt des Händlers integriert, teils basiert der komplette Auftritt des Händlers auf Superstore«.
Online-Handel ist der Feind
Ähnlich verfahren auch die Fachhandelskooperationen, wodurch die Onlineplattformen der Händler häufig deutlich bedienerfreundlicher und attraktiver werden. So bietet der Online-Handel durchaus zusätzliche Ertragschancen. Gerade der kombinierte Fachhändler, Ladengeschäft und Online-Handel hat noch ein zusätzliches Pfand in der Hand: Übers Internet bestellte Ware kann bei ihm im Geschäft abgeholt oder durch ihn geliefert werden. Damit ist der Reseller wieder persönlich am Kunden dran. Mit allen Chancen, die der Onlinehandel nicht, das Ladengeschäft aber jederzeit bietet.
Für den stationären Fachhandel sind vor allem die Billigpreis-Anbieter im Internet ? und nicht etwa die Flächenmärkte ? der größte Konkurrent. »Mit den Preisen der Internet-Anbieter können wir nicht mithalten«, konstatiert Stefan Graf vom Computer-Handelshaus Computer Seemüller. Die Wut auf die Margendrücker im Internet nimmt dabei quer durch alle Handelsformen stetig zu, denn vor allem viele kleinere Anbieter, welche bislang auf Hardware-Standard-Artikel setzten, sehen für sich im vom Preis dominierten Überlebenskampf kaum noch Chancen. »Vor allem junge Konsumenten orientieren sich nur noch am Preis ? Beratung spielt da kaum noch eine Rolle«, führt Graf aus. Und mit den günstigen Preisen, die Endkunden im Internet über Preisvergleichsportale ermitteln, können die Reseller meist nicht mithalten. »Die Kunden konfrontieren uns dann mit aberwitzigen Online-Angeboten, die weit unter unseren Preisen liegen«, erläutert Gert Weigand vom Münchner Allnet Outlet Store. Viele befürchten einen Kahlschlag in der Fachhandelslandschaft: »Bald werden Fachhandelsfirmen mit Lagerhaltung und Angestellten ihre Tore schließen müssen, weil immer mehr Anbieter aus ihren Wohnzimmer-Büros mit Minimal-Margen handeln«, prophezeit Dirk Schumacher von CTK Kruschick Computer. »Häufig fehlt es am kaufmännischen Sachverstand«, stellt Ingram-Manager Lein fest. Er geht davon aus, dass »Internet-Händler, die auf Minimal-Margen und unseriöse Angebote setzen, wie die Erfahrung zeigt, nicht lange überleben«. Beispielsweise sei diesen Anbietern selten klar, dass man für Retourenfälle Rücklagen bilden müsse, so Schottenland-Chef Steffen Schwuchow.
Internet ist der Hort des Grauwarenhandels
Ein auf lange Sicht weit größeres Problem stellt der blühende Handel mit Graumarkt-Ware im Internet dar. Denn nicht nur Kampfpreise auf einem vergleichbaren Endkunden-Preisniveau sind dort zu finden, sondern auch solche Preise, die noch unter dem Großhandelseinkaufspreis liegen. Grauimporte, »vom Laster gefallene« Artikel sowie Lagerrestbestände von Distributoren und OEMs kursieren für Schleuderpreise im Internet und sorgen für wenig Luft zum Atmen bei den Fachhändlern. Grundsätzlich sind die Lieferanten in der Pflicht, wenn es darum geht, den Graumarkthändlern das Wasser abzugraben. Eine verstärkte Kontrolle der Vertriebskette, wie beispielsweise von Hersteller Hewlett-Packard nun eingeleitet, sowie eine transparente Preispolitik können helfen, um den Graumarkt auch im Internet einzudämmen. Natürlich ist für die Lieferanten, Hersteller wie auch Distributoren, das Internet ein wichtiger und auch einfach zu betreuender Absatzkanal. Um den traditionellen Fachhandel zu schützen, sollten die Zulieferer jedoch auf unterschiedliche Preise setzen, findet Dirk Schumacher: »In anderen Branchen verkaufen Hersteller und Distributoren an Firmen ohne Lagerhaltung schließlich auch zu anderen Konditionen.«
Jedoch sind die Händler auch selbst verantwortlich für den Graumarkt. Der Verlockung nach billig einzukaufender Ware können nämlich viele nicht widerstehen. Das Branchenmagazin »Internet Handel« fragte seine Leser, aus welchen Quellen sie ihre Ware hauptsächlich beziehen. 44,9 Prozent der 118 befragten Online-Händler aus der ITK-Branche gaben dabei an, schon Grauware verkauft zu haben oder derzeit damit zu handeln. Der Graumarkt und damit auch der Mitmach-Druck ist im Internet besonders groß, beispielsweise gehen 83 Prozent der Befragten davon aus, dass im Internet deutlich häufiger als im stationären Bereich mit Grau-Importen gehandelt wird.
Der stationäre Fachhandel hält vor allem auch mit Seriösität und Beratungskompetenz dagegen. Der Vertrieb von mangelhafter oder defekter B-Ware über das Internet sorgt häufig für Verärgerung bei Endkunden und erschüttert langfristig das Vertrauen in die Billig-Anbieter.