Oracle greift nach der ERP-Krone. Der Softwarehersteller Oracle schließt durch die Siebel-Übernahme im CRM-Markt zu SAP auf und streckt die Hand nach der Krone im Geschäft für Unternehmensanwendungen (ERP) aus. Die Partnerkanäle spielen dabei eine entscheidende Rolle. Siebel-Partner fordern rasche Klarheit über die künftige Produktstrategie.
Autor: Eberhard Heins
Für rund sechs Milliarden Dollar will Oracle den Hersteller von Software für das Management von Kundenkontakten (CRM) Siebel Systems aufkaufen. »Wir wollen die Nummer eins im Markt für ERP-Anwendungen werden«, bekräftigt Oracle-Chef Lawrence Ellison damit seine Kampfansage an SAP, dem noch unumstrittenen Marktführer in diesem Geschäft. Mit den 1,3 Milliarden Umsatz von Siebel käme Ellison diesem Ziel näher, und Oracle läge ? zumindest laut den renommierten Analysten von AMR-Research ? im CRM-Markt gleichauf mit den Walldorfern. Beide Software-Hersteller würden im Jahr 2005 mit jeweils 1,7 Milliarden Dollar Umsatz einen Marktanteil von 15 Prozent erzielen (siehe Grafik).
Im Vergleich zum zähen Gerangel um Peoplesoft Anfang 2005 dürfte die Siebel-Übernahme ein Spaziergang für Ellisons Chef-Strategen Charles Pillips werden. Die meisten Siebel-Aktionäre sind sicher froh, wenn sie mit einem Premiumaufschlag aus ihrem unsicheren Engagement herauskommen, und das Kartellamt hat keine Argumente, die es nicht auch schon bei der Peoplesoft-Übernahme hätte anführen können.
Vertriebspartner von Siebel müssen sich also darauf einstellen, dass sie ab dem Frühjahr 2006 unter der Flagge des Datenbankspezialisten Oracle agieren werden. »Wir begrüßen das«, erklärt Joachim Bellinghoven, CIO bei Loyalty Partner (LP). Das von der Tochtergesellschaft der Lufthansa getätigte Investment in Siebel sieht Bellinghoven nicht gefährdet: »Kurzfristig habe ich keine Bedenken.« Die LP ist zwar aufgrund des Desasters der Midmarket Edition von Siebel ein gebranntes Kind, was Partnerschaften mit dem CRM-Spezialisten anbelangt, hat sich aber dennoch erst im vergangenen Monat für eine Zusammenarbeit mit dem kalifornischen Softwarehaus aus San Mateo entschieden. Bellinghoven wünscht sich aber rasche Klarheit bezüglich der künftigen Produktstrategie: »Oracle muss schnell kommunizieren, welche Rolle Siebel-Anwendungen künftig in der Produktpalette spielen.«
Da wird sich der Manager allerdings gedulden müssen. Die Beteiligten halten sich mit detaillierten Auskünften zurück. Auch Oracle Deutschland teilt auf Anfrage mit, dass man derzeit noch keine weiteren Informationen auf lokaler Basis zum Thema Siebel geben kann. Bislang versprach Oracle-CEO Ellison aber immerhin, die Siebel-Produkte solange weiter zu pflegen und zu vertreiben, bis im Rahmen des Projekts Fusion eine einheitliche CRM-Suite verfügbar ist ? also frühestens 2008. Die Kernfunktionalität dieses CRM-Anwendungspakets soll dann aus der bisherigen Siebel-Software kommen.
Mit der Peoplesoft-Übernahme, der ERP-Hersteller hatte einst den CRM-Spezialisten Vantive gekauft, kam zwar bereits CRM-Know-how zum Datenbankmarktführer Oracle. Mit den eigenen CRM-Lösungen erzielte die Ellison-Company jedoch bislang keinen durchschlagenden Erfolg. Siebel kann dagegen trotz aller Probleme weltweit über 4.000 Kunden vorweisen. Darunter befinden sich Unternehmen wie die Deutsche Telekom mit 41.000 Anwendern. Der CRM-Spezialist hat sich auch große Expertise in vertikalen Märkten erworben. Während sich der Konkurrent SAP gerade darum bemüht, ein wie auch immer geartetes On Demand-Angebot für seine CRM-Anwendungen zu stricken, offeriert Siebel zudem schon seit zwei Jahren seine Software zur Miete und kann dem Überflieger Salesforce.com zumindest etwas entgegensetzen. In diesem vor allem an den Mittelstand gerichteten On Demand-Angebot sieht auch der LP-CIO Bellinghoven eine Chance: »Ich denke, dort liegt großes Marktpotenzial für uns.«
Ein Engagement im CRM-Geschäft dürfte sich für interessierte Systemhäuser und -integratoren trotz der zunächst anfallenden Investitionen in das benötigte Know-how lohnen. Laut den Marktforschern von IDC kehrt der Markt für CRM-Services in Deutschland zu einem stabileren Wachstum zurück. Für den Prognosezeitraum 2005-2009 erwartet IDC einen Zuwachs von durchschnittlich jährlich rund 4,7 Prozent. Bis Ende dieses Jahres werde der Markt für CRM-Dienstleistungen ein Volumen von circa 1,6 Milliarden Euro aufweisen. Ein großer Teil davon entfällt auf den Mittelstand. Die CRM-Spezialisten der Hewson Group erwarten, dass die größten Wachstumsimpulse in Deutschland in den nächsten zwölf bis 18 Monaten aus diesem Marktsegment kommen, insbesondere von Unternehmen mit 200 bis 1.000 Mitarbeitern.
Bei diesen von allen Software-Herstellern umgarnten Kunden entscheidet sich letztendlich auch die Schlacht um die Marktführerschaft bei Unternehmensanwendungen. Den Partnerkanälen der Hersteller kommt dabei eine strategische Rolle zu. Allein der Reseller vor Ort genießt das Vertrauen dieser sensiblen Klientel. Das kann kein Direktvertrieb leisten. Siebel hat diese schmerzhafte Erfahrung bereits hinter sich und baut seit Dezember 2004 einen eigenen indirekten Channel für dieses Segment auf. Seit dem Start der Mittelstandsstrategie sind laut Stefan Sonntag, Siebels Channel Director für EMEA, weltweit 91 Partner dem Siebel Allianz-Programm beigetreten.
Der zumindest hierzulande noch kümmerliche Partnerkanal für die Unternehmens-Software E-Business Suite von Oracle könnte jeglichen Zuwachs dringend brauchen. Der große Siebel-Partner IBM Professional Services dürfte kein großes Interesse mehr daran haben, die Anwendungen seines schärfsten Konkurrenten im Datenbankgeschäft an den Mann zu bringen. Umso mehr kommt es für Oracle deshalb künftig darauf an, seine zahlreichen Datenbankpartner endlich auch für den Bereich Unternehmens-Software zu begeistern. Nur dann kann das Softwarehaus aus Redwood in diesem Geschäft dem etablierten Channel von SAP aber vor allem auch dem von Microsoft Paroli bieten. Gelingt das nicht, bleiben die Kronjuwelen in Walldorf.
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