Oracles Sorgenkind. Im internationalen Vergleich bleibt der amerikanische Software-Anbieter Oracle in Deutschland derzeit unter seinen Möglichkeiten.
Der in Kalifornien ansässige Software-Hersteller Oracle kann insgesamt nicht klagen: Im abgelaufenen Geschäftsjahr stieg der Umsatz weltweit um 22 Prozent auf 14,4 Milliarden Dollar, der Gewinn erhöhte sich um 17 Prozent auf 3,4 Milliarden Dollar. Bei den neuen Lizenzen für Datenbanken und Middleware konnte sich Konzern-Chef Larry Ellison über einen Zuwachs von 9 Prozent freuen. Bei den Applikationen betrug das Wachstum beeindruckende 66 Prozent: Die Akquisitionen der Applikationshersteller Peoplesoft und Siebel zahlen sich inzwischen offenbar aus.
In Deutschland gibt es hingegen weniger Anlass zur Freude: die Zahlen hinken dem weltweiten und auch dem europäischen Durchschnitt arg hinterher. Im Fiskaljahr 2006, das am 31. Mai endete, stieg der Umsatz um gerade mal 4,5 Prozent auf 464 Millionen Euro. Die Umsätze von Siebel sind darin noch nicht enthalten, die von Peoplesoft erstmals schon.
Ehrgeizige Ziele
Jürgen Kunz, seit Juni der hiesige Oracle-Geschäftsführer, hat das Ziel, in Deutschland jährlich zweistellig zu wachsen. Ein Schritt dorthin ist der Plan, das Consulting wieder auszubauen, das sein Vorgänger Rolf Schwirz zurückgefahren hatte. An Chancen mangele es nicht: »Datenbanken sind keine Commodity-Produkte«, betont er. Besondere Möglichkeiten bietet das Datenbanksystem Oracle 10g im Hinblick auf Clustering und Grid Computing. Auftrieb verspricht ferner die Möglichkeit, XML-Content zusammen mit relationalen Daten zu verwalten. Die Wettbewerber IBM und Microsoft vermögen letzteres freilich auch, und am unteren Ende nagen außerdem Open-Source-Datenbanken wie MySQL an den Marktanteilen. Neue Technologien
Vom Aufschwung durch serviceorientierte Architekturen und dem Bedarf an geeigneter Infrastruktur-Software will Oracle ebenfalls profitieren. Die Middleware Fusion dient als Basis der hauseigenen Applikationen, sie wird aber auch unabhängig davon vermarktet. Lücken bei der Modellierung von Geschäftsprozessen schließt der Anbieter gerade durch eine weltweite Kooperation mit dem deutschen Software-Hersteller IDS Scheer. Verwegen mutet indes die Hoffnung an, nächstes Jahr die Nummer eins in diesem Markt zu werden: Erhebungen der Marktforschunsgfirma Gartner zufolge errang Oracle vom weltweiten Middleware-Umsatz im Jahr 2005 einen Anteil von 8,7 Prozent ? weit weniger als BEA Systems mit 14,5 und IBM mit 37,2 Prozent. Wachsenden Zulauf haben ferner Open-Source-Alternativen wie JBoss.
Große Wachstumsmöglichkeiten gibt es derzeit bei den vorgefertigten Anwendungsprogrammen. »Wir wollen eine starke Nummer zwei werden«, gibt Kunz tapfer als Ziel für diesen Bereich aus. Im ERP-Segment liegt Oracle inklusive Peoplesoft hierzulande bei drei Prozent Marktanteil, wie die Experton Group ermittelt hat. Schlechte Nachricht für Kunz: Potenzial für signifikante Verschiebungen bei den Anteilen gebe es bis auf weiteres nicht, meinen die Marktforscher. SAP, auch weltweit die klare Nummer eins, dominiert im Stammland Experton zufolge mit riesigem Vorsprung und 56 Prozent Marktanteil im Jahr 2005.
Produktseitig laufen die Anstrengungen Oracles auf Hochtouren. Zum einen wird zeitlich unbegrenzt Unterstützung für die Anwendungen von Peoplesoft (vor allem in Personalabteilungen im Einsatz) und Siebel (zur Verwaltung von Kundenbeziehungen) versprochen. Die Kunden hätten dadurch Planungssicherheit und könnten den Zeitpunkt der Migration selbst bestimmen, argumentiert Kunz. Zum anderen erfinden die Entwickler die Oracle-Applikationen auf Basis einer serviceorientierten Architektur neu. SAP arbeitet an einer ähnlichen Umgestaltung und scheint die Nase zeitlich vorn zu haben. Zudem muss den Anwendern dieser Architekturwechsel erst noch schmackhaft gemacht werden.
Software als Service anzubieten betrachtet Oracle als strategische Option. In Europa seien die Unternehmen allerdings skeptischer als in den USA, berichtet Kunz. Der Deutschland-Chef will sich zunächst um die niedriger hängenden Früchte kümmern und den Vertrieb durch Partner stärken, um so bei mittelständischen Kunden besser punkten zu können.
Kritische User
Auch die Deutsche Oracle-Anwendergruppe (Doag) ist eine Besonderheit, mit der Kunz sich wird einrichten müssen. In einer aktuellen Umfrage hat der Verein Defizite bei den Sicherheits-Updates des Herstellers und Unzufriedenheit bei den Anwendern zutage gefördert. Gemeinsam will man nun für Verbesserungen sorgen.