No-Angels-Sängerin Nadja Benaissa soll einen Mann mit HIV angesteckt haben. Kritiker werfen den Ermittlern vor, Intimes öffentlich gemacht zu haben. Nun beginnt der Prozess um ungeschützten Sex trotz Aids- Virus. Darmstadt (dpa) - Am Tag vor Ostern...
…schlagen die Ermittler zu. Kurz vor einem Auftritt im Frankfurter Club «Nachtleben» wird die No- Angels-Sängerin Nadja Benaissa am 11. April 2009 festgenommen. Sie kommt zehn Tage in Untersuchungshaft. Der Fall schlägt hohe Wellen, da der Vorwurf das Intimleben betrifft und die Ermittler Einzelheiten veröffentlichen. Die 28-Jährige soll einen Mann bei ungeschütztem Sex mit dem Aids-Erreger infiziert haben, obwohl sie von ihrer Ansteckung wusste. Eine HIV-Infektion kann zur Immunschwächekrankheit Aids führen. Die No Angels waren vor zehn Jahren berühmt geworden. Die Gruppe gilt als erfolgreichste deutsche Mädchenband.
Von diesem Montag an (16. August) steht Benaissa in Darmstadt vor dem Amtsgericht. Die Staatsanwaltschaft wirft der Angeklagten gefährliche Körperverletzung vor. Dem Popstar drohen zwischen sechs Monaten und zehn Jahre Haft. Für den Prozess sind fünf Verhandlungstage angesetzt.
Vor Beginn des Prozesses gibt sich Verteidiger Oliver Wallasch zugeknöpft. «Wir sagen nichts», lautet sein kurzer Kommentar. «Vielleicht sagen wir etwas am ersten Prozesstag.» Benaissa hatte sich im Juli 2009 in der RTL-Sendung «Stern TV» geäußert: «Ich kooperiere mit den Behörden und helfe bei der Aufklärung, aber ich darf darüber nicht sprechen. Das ist halt bei einem Verfahren so, dass ich in den Medien darüber nicht sprechen darf.»
Ähnlich auch die Reaktion des No-Angels-Managers Khalid Schröder. Meldungen, nach denen die 28-Jährige nicht mehr Mitglied der Gruppe ist, will er nicht kommentieren. «Nach dem Prozess werden wir sicherlich eine Stellungnahme abgeben.»
Benaissa wird ein Fall von gefährlicher Körperverletzung aus dem Jahr 2004 vorgeworfen, dazu kommen noch vier Fälle von versuchter gefährlicher Körperverletzung aus den Jahren 2000 bis 2004. Da die Angeklagte beim ältesten Tatvorwurf aus dem 2000 erst 17 Jahre alt war, muss sie sich vor einem Jugendschöffengericht verantworten. Der Vorsitzende ist Richter Dennis Wacker (43).
Unter den rund 20 Zeugen sind auch die drei Band-Kolleginnen. Außerdem soll ein Sachverständiger gehört werden. Der Mann, den Benaissa angesteckt haben soll, tritt als Nebenkläger auf.
«Wir erwarten ein großes Interesse», sagt der Sprecher des Amtsgerichts, Albrecht Simon. Deshalb wird im Saal 3 des Landgerichts verhandelt, in dem etwa 50 Zuschauer Platz finden: «Das ist der größte Saal der Justiz in Darmstadt.»
Es sind auch besondere Sicherheitsvorkehrungen geplant. So soll es zwei Einlasskontrollen geben - einmal am Haupteingang des Gerichts und dann noch einmal vor dem Verhandlungssaal. Dabei suchen die Beamten auch nach Waffen. Handys müssen ausgeschaltet werden. Fans dürfen keine Fotos machen oder Teile der Verhandlung filmen.
Die Staatsanwaltschaft Darmstadt hatte Details des Vorgangs und den Grund für den Haftbefehl öffentlich gemacht. Dies brachte ihr Kritik ein. Mit dem Vorgehen der Justizbehörde befasste sich auch der hessische Landtag. Zuletzt war im Fall des Fernsehmoderators Jörg Kachelmann Ermittlungsbehörden vorgeworfen worden, das Privatleben eines Prominenten an die Öffentlichkeit gezerrt zu haben.
Nachdem die Vorwürfe in der Welt waren, sprach Benaissa mehrmals über ihre HIV-Infektion, auch bei einer Gala der Deutschen Aids- Stiftung in Berlin. Am Weltaidstag am 1. Dezember 2009 sagte sie in einem Interview des hr-Jugendradios YOU FM: «Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir wünschen, dass ich negativ wäre.»
Sie sprach auch über ihre Gefühle. «Ich bin HIV-positiv, aber ich habe kein Aids», erzählte sie. «Ich hoffe, dass nichts Schlimmes passiert, und ich schaue mit Hoffnung nach vorne. Ich glaube daran, dass ich alt werde.»
Im Mai wurde bekannt, dass Benaissa ihre Teilnahme an einer Club- Tournee der No Angels aus gesundheitlichen Gründen absagen musste. Die Gruppe war im Jahr 2000 bei der TV-Show «Popstars» gecastet worden.
Die Alben der No Angels verkauften sich allein zwischen 2000 und 2003 etwa fünf Millionen Mal. Die No-Angels-Sängerinnen Sandy Mölling, Jessica Wahls und Lucy Diakovska werden nicht schon zum Prozessauftakt erwartet, sondern erst am letzten Verhandlungstag am 26. August.
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## Orte - [Prozess](Landgericht Darmstadt, Mathildenplatz 13 und 15)