Qualitätskontrolle im WAN
Quality-of-Service – Carrier-Ethernet-Netze erfreuen sich derzeit bei Carriern, Service-Providern und Unternehmen einer großen Popularität. Eine wichtige Rolle für deren erfolgreichen Einsatz spielt die Übertragungsqualität.

Sowohl TDM-basierte Netze wie Sonet/SDH- als auch ATM-Netze erlauben eine strikte Einhaltung von SLA-Parametern wie Bandbreite, Delay oder Paketverlusten. Bei IP-basierten Netzen können festgelegte Bandbreiten per Service zunächst nicht garantiert werden. Unterschiedliche Aktivitäten seitens der Hersteller und Standardisierungsorganisationen haben sich dieses Themas angenommen und entsprechende Lösungen entwickelt. Vor allem spezialisierte Carrier-Ethernet-Unternehmen wie Atrica tun sich mit entsprechenden Ansätzen hervor.
In der entsprechenden Diskussion wird im allgemeinen zwischen Soft-QoS und Hard-QoS unterschieden. Soft-QoS bezieht sich dabei auf ein Modell, in dem bestimmten Services Vorrang vor anderen Daten zugewiesen wird. Dies ermöglicht vor allem die Einrichtung mehrerer Serviceklassen, der Class-of-Service (CoS). Definierten Services wird dabei eine höhere Klasse zugewiesen. Allerdings erlaubt diese Herangehensweise nicht die Garantie von entsprechenden Bandbreiten oder niedrigen Paketverlusten. Das führt vor allem dazu, dass Carrier dazu gezwungen werden, ihre Netze mit entsprechend hoher Leistung auszustatten, um in allen möglichen Szenarios über genügend Kapazität verfügen zu können.
Hard-QoS schließt demgegenüber Mechanismen ein, die Bandbreiten durch die Nutzung eines verbindungsorientierten Ansatzes und die Reservierung von Netzwerkressourcen auf dem gesamten Übertragungsweg garantieren. Reine IP-Technologien wie Unternehmens-Ethernet, die verbindungsorientierte Techniken nicht unterstützen, können Hard-QoS deshalb nicht bereitstellen.
Die wichtigste Applikation für Hard-QoS im Carrier-Ethernet-Umfeld bilden heute Services für Unternehmen. Ein Carrier wird im allgemeinen zur Sicherung effizienter, konsistenter und verlässlicher Netzwerke in Service-Level-Agreements festgelegten Bandbreiten, Delay, Jitter, Paketverlustraten und Verfügbarkeit garantieren müssen. Ein Hard-QoS-Approach kann es dem Carrier ermöglichen, die SLA-Festlegungen für einen Kunden von der konkreten Netzbelastung durch andere Kunden zu entkoppeln.
Residential-Triple-Play ist ein anderes Einsatzfeld für Carrier-Ethernet, um Haushalte mit Internet-Zugang, Sprach- und Videoservices zu versorgen. Auch hier wäre ein einfacher Ansatz für die Garantie von Voice- oder Video-Services durch Priorisierung möglich, aber überaus problematisch. Hard-QoS wäre allerdings in der Lage, Datenverkehr bei Engpässen in andere Übertragungswege umzuleiten.
Standards sollen durchgängige Qualität sichern
Verschiedene Standardisierungsgremien haben sich des Themas Quality-of-Service in Carrier-Ethernet-Netzen angenommen. Das Metro-Ethernet-Forum betrachtet QoS eher aus dem Blickwinkel der Definition von Services als aus der Sicht der Protokoll- oder Implemtierungsdetails. Das MEF definiert Attribute und Voraussetzungen für unterschiedliche Ethernet-Services und ihre Messbarkeit. Traffic-Management wird in MEF 10 mit den Attributen Committed-Information-Rate (CIR), Committed-Burst-Size (CBS), Excess-Information-Rate (EIR) sowie Excess-Burst-Size (EBS) definiert. Übertragungsprofile können je Ethernet-User-to-Network-Interface (UNI), je Ethernet-Virtual-Circuit (EVC) oder je EVC und 802.1p-Class-of-Service zugewiesen werden. MEF definiert zudem Frame-Delay, Frame-Delay-Variation sowie Frame-Loss-Ratio.
Differentiated-Services, kurz Diffserv, wird von der IETF in einer Liste von RFCs definiert, wobei die RFCs 2474 und 2475 die übergreifende Architektur betrachten. Prinzipiell definiert Diffserv Serviceklassen, die Per-Hop-Behaviours (PHB) genannt werden. Diese PHBs werden in jedem IP-Packet-Header festgelegt. Die derzeit definierten PHBs sind Default-PHB für Best-Efford-Forwarding, Expedited-Forwarding für High-Priority-Real-Time-Traffic sowie Assured-Forwarding. Zudem stellt MPLS Mechanismen für Traffic-Engineering und QoS im Rahmen von Label-Switched-Paths (LPS) bereit. Der MPLS-Support für Diffserv ist in RFC 3270 definiert.
Ein Ansatz, der die stringente Umsetzung von Hard-QoS-Elementen für Carrier-Class-Ethernet-Services Top-to-Bottom analog zu Services, die von Metro-ATM-Switches bekannt sind, verfolgt, findet sich beispielsweise beim Carrier-Ethernet-Spezialisten Atrica. Die QoS-Architektur basiert dabei auf mehreren Bausteinen.
Zunächst ist für den Anbieter Carrier-Ethernet ein verbindungsorientierter Service. Pre-Provisioning erlaubt es dem Netzwerkoperator, den Übertragungsweg für den Datenverkehr festzulegen sowie Netzwerkressourcen je Service zu definieren. Jedem Service können eine vereinbarte Bandbreite sowie eine darüber hinausgehende Bandbreite zugewiesen werden. Comitted-Bandwidth garantiert dabei einen minimalen Datentransfer unabhängig von der Netzwerkbelastung, Excess-Bandwidth definiert die Bereitstellung von zusätzlicher Leistung, falls das Netzwerk nicht ausgelastet ist.
Um verschiedene Delay- sowie Jitter-Anforderungen zu erfüllen, werden von der Atrica-Lösung unterschiedliche Serviceklassen über das Netzwerk hinweg genutzt. Dabei werden die Classes-of-Service nicht als reiner Mechanismus zur Garantie von Bandbreite genutzt, weil alle Serviceklassen Bandbreite garantieren können. Vielmehr können etwa Comitted-Bandwith-Zuweisungen einer niedrigeren Klasse gegenüber Excess-Traffic einer höheren Klasse priorisiert werden.
Jedes Atrica-Device im Netzwerk unterstützt Multiple-Queues. Diese Queues ermöglichen im Falle des Datenstaus ein Feintuning der Schedules, Discard-Policies und Dateigrößen in Korrespondenz zu den Serviceklassen. Congestion-Control ermöglicht darüber hinaus die Bereitstellung einer Committed-Bandwidth unter allen Umständen. Alle Geräte nutzen standardisierte MPLS-Kontrollprotokolle für QoS. Das schließt OSPF-TE als Weg zur Verteilung von Informationen an alle Netzwerkgeräte hinsichtlich der Verfügbarkeit von Bandbreite per Serviceklasse an allen Verbindungen ein. Jedes Device besitzt so ein komplettes Bild der verfügbaren Bandbreite im Netzwerk und kann diese Information bei der Entscheidung über mögliche Übertragungswege nutzen.
Connection-Admission-Control ist ein Mechanismus, der ursprünglich in ATM-Switches zum Tragen kam, um die Verfügbarkeit von Ressourcen auf dem gesamten Übertragungsweg sicherzustellen. Das selbe Konzept wird heute in Carrier-Ethernet-Switches genutzt, um Hard-QoS zu garantieren. Es kommt darüber hinaus in MPLS-Geräten zum Einsatz. So nutzen beispielsweise alle Atrica-Geräte einen ausgefeilten CAC-Mechanismus, um genügend Bandbreite über den gesamten Pfad hinweg zu garantieren.
Um sicherzustellen, dass LSP-Tunnel nicht mit VC-Bandbreite überlastet werden, nutzen die MPLS-Geräte einen hierarchischen CAC-Mechnismus, der sowohl die aktuell bereitgestellte Bandbreite für die Übertragung als auch die Bandbreite für LSP-Tunnel kontrolliert. Alle Point-to-Point-Services werden unter Verwendung der beschriebenen Elemente bereitgestellt. Auf diese Weise wird Hard-QoS über den gesamten Übertragungsweg hinweg mittels Pre-Provisioning und Bandbreiten-Reservierung erreicht.
Während alle beschriebenen Methoden auch für Multipoint-to-Multipoint-Services mit VPLS-TE zum Einsatz kommen, stellen E-LAN-Services zusätzliche Anforderungen. Die Devices nutzen zur Lösung dieser Problemstellungen ein Konzept, das VPLS-TE genannt wird. Dieses Konzept erweitert VPLS in einem ähnlichen Weg wie OSPF-TE für OSPF in Richtung auf Traffic-Engineering und QoS. Neben der Implementierung aller notwendigen Protokolle in den verschiedenen Netzwerkgeräten benötigt der Operator zur Sicherstellung der QoS die Möglichkeit, alle Elemente unter einer Oberfläche zu kombinieren und Services zu definieren, zu ändern und zu kontrollieren. Dazu stellt beispielsweise Atrica mit »Atrica Service Provisioning for Ethernet Networks«, kurz »ASPEN«, ein entsprechendes Werkzeug bereit. Aspen erlaubt dem Operator mittels eines grafischen Point-and-Click-Interfaces einen Endpunkt für E-Line-, E-LAN- oder Multicast-Video-P2MP-Services auszuwählen und die Bandbreitenanforderungen sowie andere SLA-bezogene Attribute zu definieren. Aspen ermittelt die verfügbaren Ressourcen und konfiguriert alle notwendigen Geräte über den Übertragungsweg hinweg, sobald der Operator mit der Auswahl zufrieden ist. Das System ermöglicht zudem das Monitoring des Verbindungsstatus, der Devices sowie Verbindungen im Netzwerk und führt notwendige Änderungen wie Re-Routing oder SLA-Modifizierungen aus.
Gemeinhin wird der Carrier bei der Bereitstellung von Hard-QoS-Services die SLA-Performance kontinuierlich überwachen. Die Messung der Performance dient dabei zwei Zielen. Intern wird damit die Fähigkeit erreicht, Probleme etwa bei Packet-Loss oder größeren Delays zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen. Extern wird der Carrier mit entsprechenden Statistiken den Nachweis über die Erfüllung der SLAs erbringen wollen. Atrica kommt dieser Anforderung mit der Bereitstellung vielfältiger Reports entweder durch Aspen oder auf Basis einer Reihe von anderen Tools nach.
Quality-of-Service in Carrier-Ethernet-Lösungen bleibt eine der prägenden Voraussetzungen für deren erfolgreichen, großflächigen Einsatz. Lösungen, die QoS in einem Top-to-Bottom-Design aller Netzwerkelemente von Carrier-Class-Ethernet-Switches über standardbasierte MPLS-Implementierungen bis hin zu Managementsystemen umsetzen, schaffen die Grundlage hierzu.
Uwe Scholz,
freier Journalist, Berlin