Rundumbetreuung als Waffe. Unternehmen sind im Wettbewerb mehr denn je gefordert, täglich aufs Neue ihre Kunden zu überzeugen. Wer sich nicht auf einen langwierigen Preiskampf einlassen will, muss sich von der Konkurrenz differenzieren.
Besonders Erfolg versprechend bei der Abgrenzung von Mitbewerbern sind heutzutage schwer zu imitierende weiche Faktoren. Folglich gewinnen Unternehmensbereiche rund um die Kundenbetreuung zunehmend an Bedeutung. Unternehmen aus Sparten wie Mobilfunk, Versandhandel oder Tourismus verlassen sich hier zumeist auf Call Center. In vielen Fällen sind Multi-Channel-Lösungen im Einsatz, bei denen Kunden neben dem Telefon auch über Fax, E-Mail, Brief oder SMS in Kontakt treten können. Zumindest im B-to-C-Umfeld sind diese so genannten Customer Interaction Center (CIC) inzwischen sehr häufig anzutreffen.
Im B-to-B-Bereich jedoch sind die Lösungen bisher nur selten so umfassend ausgelegt, wie wir sie im Consumer-Bereich vorfinden. Hier besteht noch vielfach Optimierungsbedarf. Inzwischen erkennen aber immer mehr Unternehmen, dass es sich auch bei Unternehmenskunden rentiert, ein CIC aufzubauen und zu betreiben, auch wenn hier vielleicht statt hundert Agenten nur drei oder vier Mitarbeiter im Einsatz sind.
Arbeitsabläufe automatisieren
Im Customer Interaction Center wird eine große Vielfalt an unterschiedlichen Anfragen zu allen möglichen Produkten und oft auch von Kunden aus verschiedenen Regionen und Segmenten gebündelt. Durch diese Konzentration können die Fachabteilungen spürbar entlastet werden und es wird wirtschaftlich, die Arbeitsabläufe stärker zu automatisieren. Gleichzeitig profitieren die Kunden von einer besseren Erreichbarkeit und einer erhöhten Service-Qualität.
Wichtig ist zunächst der Zugriff auf alle relevanten Applikationen wie Kunden- und Lösungsdatenbanken, ERP-, CRM- oder Logistiksysteme. Viele der Prozesse sind deutlich komplexer als in einem Consumer-orientierten CIC und es müssen mehr Systeme eingebunden werden. Erst mit der Integration aller wichtigen Applikationen lassen sich Medienbrüche zuverlässig vermeiden. Ein so aufgestelltes CIC kann zum Beispiel Reparaturaufträge annehmen, Beschwerden entgegennehmen, Fragen zu offenen Lieferungen klären oder den Versand von Ersatzgeräten anstoßen. Gleichzeitig sieht der Agent alle den Kunden betreffende Informationen ein: Welche Produkte hat der Kunde bereits im Einsatz, gibt es offene Rechnungen, sind Mahnungen verschickt worden, wann hatte der Vertrieb den letzten Kontakt und sollte man hier für eine Wiederauffrischung der Verbindung sorgen?
Vielfach können selbst umfassend geschulte Mitarbeiter, die von einer modernen CIC-Lösung unterstützt werden, nur einen Teil der Anfragen sofort lösen. Für diese Fälle unterstützt das System den Agenten dabei, den richtigen Ansprechpartner in der Fachabteilung oder im Second Level Support zu identifizieren, leitet die Anfrage weiter und überwacht deren Beantwortung.
»An dieser Stelle wird ein großer Unterschied zu CICs im B-to-C-Bereich deutlich: Während hier viele gleiche oder ähnliche Anfragen auflaufen, von denen sich die meisten direkt beim ersten Kontakt beantworten lassen, ist es beim CIC im B-to-B-Bereich genau umgekehrt: Obwohl hier die Agents meist deutlich besser qualifiziert sind, können sie doch oft nur weniger als zwanzig Prozent aller Anfragen direkt im First Level Support beantworten«, erläutert Christoph Brüntrup, Produktmanager Customer Service & Support, Materna GmbH. Deshalb müssen CIC-Systeme im B-to-B-Bereich viel flexibler sein und deutlich komplexere Service-Prozesse unterstützen können als ihre Pendants im Geschäft mit Privatkunden.
Integration ist gefragt
Geht eine Kundenanfrage telefonisch ein, ermöglichen moderne Telefonie- und Multi-Channel-Lösungen wie beispielsweise ACD-Server, CTI und IVR eine optimale Erreichbarkeit des Customer Interaction Centers und die Identifikation des Anrufers, um ihn an den zuständigen Agenten durchzustellen. Dieser Agent erhält dann unter anderem den automatischen Zugriff auf die Kundenhistorie, bestehende Verträge und Service Level Agreements (SLAs). Diese Informationsbasis sichert eine kompetente Kundenansprache. Da diese Informationen in der Regel in den Backend-Systemen wie ERP,- SCM- oder CRM-Lösungen vorliegen, werden sie mit Connectoren oder Web-Services integriert. Auf diese Weise vermeidet man die Datendoppelhaltung sowie die damit verbundene Synchronisationsproblematik und erhält Daten in Echtzeit. Web-Services koppeln Backend-Systeme auf Basis der Standards HTTP und XML per Web-Technologie, Connectoren bieten dagegen als physikalische Schnittstelle Vorteile wegen ihrer besseren Performance für das System.
In der zentralen Lösungsdatenbank werden alle bewährten Problemlösungen über leicht zu bedienende Suchfunktionen zugänglich gemacht. Erst wenn die Möglichkeiten der Lösungsdatenbank ausgeschöpft sind, werden die Verantwortlichen in den Fachabteilungen eingeschaltet. So lassen sich nicht nur die Kosten der Bearbeitung senken, es steigt auch die Geschwindigkeit und die Qualität der Beratung im First Level Support an. Darüber hinaus werden systematisch neue Lösungsvorschläge in die Datenbank eingepflegt, so dass allen Agenten jederzeit vollständige und aktuelle Informationen zur Verfügung stehen.
Massgeschneidertes System
Der Aufbau eines Customer Interaction Centers im Unternehmen ist genauso individuell wie die Serviceanfragen der Kunden. Schließlich handelt es sich hier nicht um eine vorgefertigte Out-of-the-box-Lösung, sondern um ein maßgeschneidertes Konzept. So stehen Beratung und Bestandsaufnahme im Unternehmen an erster Stelle. Dabei werden die Fragen geklärt, welche Serviceprozesse eine CIC-Lösung konkret unterstützen soll und welche Frontend- und Backend-Systeme integriert werden müssen. Hier sind IT-Dienstleister gefragt, unterschiedliche Technologien zusammenzubringen, um die vielfältigen Prozesse von einem Arbeitsplatz anstoßen und steuern zu können.
Customer Interaction Center ermöglichen einen effizienten Kundenservice: Durch die ganzheitliche Sicht auf den Kunden und alle beteiligten Prozesse und Systeme werden Prozess- und Medienbrüche vollständig ausgeschaltet ? Anfragen werden schnell und professionell beantwortet. Der positive Effekt: zufriedene Kunden und ein Imagegewinn für das Unternehmen. Doch nicht nur die steigende Effizienz im Kundenservice bringt Vorteile für das Unternehmen ? es können auch Informationen aus dem CIC genutzt werden, um die Qualität der Produkte und Dienstleistungen zu optimieren. So erhalten Unternehmen über Reklamationen und Beschwerden, die im CIC bearbeitet werden, aus erster Hand Information darüber, was ihre Kunden von ihnen erwarten. Dieses Wissen kann direkt in die Produktentwicklung einfließen, um die Produkte noch besser auf die Anforderungen der Kunden abzustimmen. Kirsten Haupt ist freie Journalistin in Aschaffenburg