Gestaltungsprinzipien
Material muss fließen: Je schneller das Material durch die komplette Supply Chain fließt desto besser. Liegezeiten sind Effizienzkiller. Hohe Losgrößen, lange Rüstzeiten, nicht harmonisierte Arbeitsinhalte, fehlende Synchronisation der einzelnen Prozessschritte sind typische Beispiele für ineffiziente Prozesse. Eine verlorene Stunde im Engpass ist eine verlorene Stunde für die gesamte Wertschöpfungskette. Daher sollten Rüstengpässe schnell identifiziert und deren Ursachen analysiert sowie anschließend behoben werden.
Eine ideale minimale Losgröße lässt sich über das so genannte EPEI-Verfahren (»Every Part Every Interval«) so ermitteln, dass es möglich ist, die jeweilige Variante auch in der entsprechenden Periode zu produzieren. Die Aufgaben für einzelne Arbeitsstationen werden so verteilt, dass ein einheitlicher Takt entsteht, bei dem keine Pufferbestände entstehen.
Flexible Lieferkette
Flexible Supply Chains sind charakterisierbar durch ihre Robustheit gegenüber Änderungen von Angebot und Nachfrage. Planänderungen müssen so antizipierbar sein, dass sie zum einen technologisch realisierbar sind und zum anderen prozessbedingt keine Kosten- und Geschwindigkeitsnachteile verursachen. Mit Methoden wie SMED (Single Minute Exchange of Die ? Werkzeugwechsel im einstelligen Minutenbereich) können produzierende Unternehmen ihre Rüstzeiten an Engpassarbeitsplätzen reduzieren. Durch eine geschickte Segmentierung in der Fertigung lässt sich die Forderung nach Prozessflexibilität genauso erfüllen wie durch die Einführung von flexiblen Arbeitszeiten. Standardisierte Maßnahmen und Abläufe zum Beherrschen von Ausnahmesituationen tragen dabei ihr Übriges zur Flexibilitätsverbesserung bei.
Die wertanalytische Betrachtung der Supply Chain und die immer differenzierteren Analysemöglichkeiten für die Wertschöpfung sind ebenso wie die präventive Fehlervermeidung Anforderungen an moderne Produktionssysteme. Verschwendung und Blindleistung in Standardabläufen sind genauso zu eliminieren, wie zum Beispiel das Auftreten von Sonderaktivitäten.
Unternehmen, die ihre Geschäftsprozesse mithilfe von ERP-Systemen (Enterprise Ressource Planning) planen, muss es beispielsweise gelingen, das systemimmanente Problem des Rückstandes zu überwinden. Nur so ist eine sinnvolle und effiziente Steuerung von Terminen und Ressourcen möglich. Wertvolle Unterstützung leisten dabei Software-Tools zur operativen Feinplanung und Steuerung.
Wertstromdesign als Initialzünder
Eine Wertstromperspektive einzunehmen bedeutet das Gesamtbild der Leistungserstellung zu betrachten und nicht nur Ausschnitte der Supply Chain anhand einzelner Fertigungsprozesse. Betrachtet man tatsächlich den kompletten Weg eines Erzeugnisses vom Rohstoff bis zur Auslieferung an den Endkunden, müsste man den Wertstrom über viele Firmen und noch mehr Produktionsstätten hinweg verfolgen. In der Realität beschränken sich Unternehmen häufig auf die Betrachtung der eigenen Supply Chain, wobei dies die direkten Lieferanten und verlängerten Werkbänke einschließt.
Als Initialzünder für die Startkonfiguration eines Methodenbaukastens für ein spezielles Produktionssystem sind Unternehmen in der Lage, mithilfe eines Wertstromdesigns sehr schnell und ohne großen Aufwand Schwachstellen und Handlungsfelder in ihrer Lieferkette zu identifizieren. Durch die Gegenüberstellung von Ist-Situation und Soll-Zustand der Wertschöpfungskette können in weniger als zwei Tagen die Ergebnisse zusammengefasst, die Potenziale abgeschätzt und erste geeignete Lösungsansätze gefunden werden. Wie auch beim Lean Management garantiert das frühe Einbeziehen von Mitarbeitern in den Veränderungsprozess eine hohe Akzeptanz bei allen Prozessbeteiligten und fördert die schnelle Umsetzung der Verbesserungsmaßnahmen.
Das Wertstromdesign ist eine einfache, aber verblüffend wirksame Methode, die hilft, den aktuellen Stand der Wertströme eines Unternehmens zu erfassen und effizienter zu gestalten. Der Materialfluss und die Steuerung desselben können mit dieser Methodik in einfacher Weise kombiniert beschrieben werden.
Prinzip »Cherry-Picking«
An welchen Arbeitsplätzen oder Prozessschritten welche Optimierungsverfahren eingesetzt werden, ist von den spezifischen Anforderungen und Möglichkeiten des jeweiligen Unternehmens abhängig. Die Zusammensetzung erfolgt über ein »Cherry-Picking«. Bei der Auswahl von geeigneten Methoden und Konzepten sind zunächst die Methoden zu berücksichtigen, die auf Prozess- und Informationstransparenz im Unternehmen abzielen. Hierauf aufbauend gilt es, die Ansätze zu identifizieren, die eine gezielte Verbesserung der Performance in den einzelnen Bereichen der Leistungserstellung ermöglichen. Um die Nachhaltigkeit des Systems zu sichern, sind schließlich Methoden zu integrieren, die die kontinuierliche Verbesserung im Sinne einer ständigen Rückkopplung hinsichtlich Methodeneinsatz und Performance ermöglichen.
So gesehen gleicht kein Produktionssystem dem anderen. Jedes ist individuell auf das Unternehmen zugeschnitten. Die Impulse für Smart Manufacturing kommen aber nicht nur von außen. Wichtig ist auch der Transfer von Best-practice-Lösungen innerhalb des eigenen Unternehmens oder innerhalb des Produktionsnetzwerks. Dies kann zum Beispiel durch gegenseitige Auditierung geschehen. Die Verbreitung von Lösungen, die sich intern bereits bewährt haben, ist auch ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Motivation der eigenen Mitarbeiter.
Klare Nutzen
Die Einführung eines Produktionssystems stellt zwar hohe Anforderungen an ein Unternehmen hinsichtlich der Systematik der Vorgehensweise sowie der Projektorganisation. Ziel eines Produktionssystems ist jedoch die Durchdringung und Optimierung der gesamten Supply-Chain-Strukturen und -prozesse. Dementsprechend sind die realisierbaren Potenziale erheblich. Durch ein Maßnahmenbündel aus flussoptimierten Layouts, Losgrößenreduktionen bei der Vormontage, Taktung der Endmontage und einer konsequent engpassorientierten Bestandsdimensionierung erzielen Unternehmen aus der metallverabeitenden Industrie substanzielle Fortschritte unter anderem was die Durchlaufzeiten und Lagerbestände betrifft. Erfolge, die den Aufwand für die Einführung eines neuen Produktionssystems im Sinne von »Smart Manufacturing« mehr als rechtfertigen. Falk von Falkenhausen ist Executive Vice President Consulting bei Wassermann AG