Servicemanagement als Erfolgsfaktor

22. Juli 2007, 15:05 Uhr | Markus Bereszewski

Servicemanagement als Erfolgsfaktor Mit intelligenten Dienstleistungen, die Kunden einen echten und spürbaren Nutzen ­bringen, lassen sich noch gute Margen erzielen. Das gilt auch für die Automobilbranche.

Die Automobilindustrie steht aufgrund des globalen Wettbewerbs unter hohem Kostendruck. Ausstattungsmerkmale ähneln sich immer mehr, Einsparpotenziale durch Rationalisierung und Optimierung des Einkaufs sind häufig ausgeschöpft. Eine Differenzierung vom Wettbewerb erfolgt zunehmend über Markenimage. Signifikante Margen zwischen 30 und 200 Prozent – wie sie Aberdeen Group in der Studie »2006: Service as a Profit Center – The CFO’s View« beschrieb – lassen sich vermehrt nur noch über den Service, den der Kunde nach dem Kauf seines Autos erhält, erzielen. Das bedeutet insbesondere schnelle Verfügbarkeit von Ersatzteilen und Erledigung von Reparaturan­fragen gleich beim ersten Werkstattbesuch. In vielen Fällen liegt diese »First Time Fill Rate« nach eigenen Erkenntnissen aber kaum über 60 Prozent. Gerade Service und damit die Verfügbarkeit von benötigten Ersatzteilen zu einem angemessenen Preis stellt die Autohersteller vor große Herausforderungen: weltweiter Vertrieb, unabhängige Händler, unabhängige Zulieferer, verschiedenste IT- und Logistiksysteme, unterschiedliche Sprachen, Währungseinheiten und kurze Produktlebenszyklen et cetera. Für ein funktionierendes Servicemanagement in der Automobilindustrie ist Transparenz über den gesamten Serviceprozess notwendig und das möglichst auf einer einzigen IT-Plattform. Der Schlüssel zur Transparenz und damit Steuerungsmöglichkeit der einzelnen Geschäftsprozesse ist eine Service-Business-Intelligence-Lösung (SBI), die Daten aus den verschiedenen Systemen konsolidiert und nach den benötigten Kriterien auswertet.

Webbasierte Applikationen entscheidend Zwingend notwendig sind Schnittstellen zu den jeweils eingesetzten ERP-Systemen (in der Regel SAP, Oracle oder mainframe-basierte Eigenentwicklungen) und Logistik-Systemen wie beispielsweise Manhattan ­Associates PKMS, Exe, Red Prarie oder anderen. Die Automobilindustrie nutzt hier und um Daten aus ­anderen Systemen zu verarbeiten bereits ETL-Tools (Extract, Transform, Load), die meist in regelmäßigen Abständen in einer Batchverarbeitung Daten aus den Systemen extrahieren. Vielfach landen die Daten dann – zur Darstellung (selten zur Analyse) – in webfähigen Applikationen, nicht jedoch in webbasierten. Der Unterschied ist entscheidend: Webfähige Applikationen nutzen traditionell Client-Server-Softwarestrukturen. Diese können nur unter großem Aufwand für einen weltweiten Einsatz über verschiedene Zeitzonen hinweg eingesetzt werden, da Informationen aufgrund der Batchverarbeitung notwendigerweise nur zeitversetzt dargestellt werden können. Webnative, Java-basierte Applikationen erlauben jedoch den Zugriff auf Informationen in Echtzeit. Ge­rade im Serviceteilemanagement muss das Autohaus wissen, ob ein Ersatzteil jetzt im Lager verfügbar ist – und nicht, ob es heute Morgen noch verfügbar war. Zwei entscheidende Informationssysteme werden beim Servicemanagement noch häufig vernachlässigt: Serviceteilemanagement und Preismanagement. Im Serviceteilemanagement versuchen viele Automobilunternehmen immer noch, ihre ERP-Systeme an die spezifischen Anforderungen anzupassen. Meist mit mäßigem Erfolg. Einige wenige nutzen bereits spezialisierte Serviceteile-Managementtools, um die wachsende Anzahl von mehreren Tausend bis Hunderttausend Teilen für verschiedene Modellreihen zu verwalten. Diese Teilemanagementlösungen sind – anders als Supply Chain Managementtools – auch in der Lage, Retouren, aufbereitete und ähnliche Teile in der Planung und Lagerverwaltung zu berücksichtigen und ermöglichen insbesondere eine Planung über den ge­samten Lebenszyklus einer Autoserie oder zugehöriger Ersatzteile. Zulieferer und Hersteller nutzen zwar zur Interaktion bereits Tools zum Produktdatenmanagement (PDM-Systeme), die in der Lage sind, über EDI (Electronic Data Exchange) CAD-Zeichnungen aus unterschiedlichen Systemumgebungen auszutauschen und zusammen mit einer Beschreibungsdatei als ENG-DAT- (Engineering Data Message) Paket zu versenden. Berücksichtigt wird dabei jedoch immer nur das singuläre Ersatzteil – nicht mögliche Alternativen wie Reparatur oder ein ähnliches Teil. Insofern ist dieser Prozess sehr deutlich auf die Supply-Chain ausgerichtet, nicht jedoch auf das Servicemanagement.

Lagerbestand um ein Drittel senken Mit Hilfe eines dezidierten Teilemanagementsystems, das genau diese Alternativen einer Beschaffung überprüft, kann der Lagerbestand bestimmter Teile meist um mehr als ein Drittel gesenkt werden – ohne Kompromisse bei der generellen Teileverfügbarkeit. Auch hier müssen jedoch die relevanten Daten aus dem spezialisierten System in ein übergeordnetes Service Intelligence Tool überführt werden, um Transparenz und Planungssicherheit zu erhalten. Weniger als fünf Prozent der Automobilhersteller nutzen zudem ein spezialisiertes Preismanagementtool. Zum einen hat das strukturelle Gründe, weil in vielen Unternehmen die Preiskalkulation in der Verantwortung des Marketings oder des Vertriebs liegt, nicht jedoch in der Serviceorganisation. Hier werden dann nur Preise für ein bestimmtes Modell oder Ersatzteil eruiert, häufig begleitet von aufwändigen Marktstudien und Umfragen zur Preissensitivität einzelner Teile. Doch diese kostspielig in Erfahrung gebrachten Daten verschwinden – häufig in Form von Excel-Listen – irgendwo in den IT-Systemen des Unternehmens. Einige haben bereits die Notwendigkeit einer nachhaltigen Preismanagementstrategie erkannt und eigene Lösungen entwickelt – häufig mainframebasiert. Nachteil: Auch hier fehlt meist die Schnittstelle zu einem SBI-Tool. Vorherrschend ist jedoch noch die Preisfindung über eine Kosten-plus-Gewinnmarge-Methode, die spezifische Preissensitivitäten, historische Daten über Nachfrage oder auch Informationen über Wettbewerbspreise gar nicht berücksichtigt – dabei lassen sich Gewinnmargen bei Ersatzteilen mit dem Einsatz eines spezialisierten Preiskalkulationstools um bis zu fünf Prozent steigern – vorausgesetzt auch hier, dass die Daten intelligent auf einer zentralen Plattform mit den Informationen zu Lagerbeständen, Nachfrage und Produktlebenszyklus kombiniert werden. Das Bewusstsein, dass das Markenimage heute entscheidend vom Service nach dem Kauf eines Autos geprägt wird, hat die Integration von unabhängigen Händlern in die Serviceorganisation der Automobilhersteller vorangetrieben. Unter dem Schlagwort ­»Dealer Managed Inventory« werden webfähige Applikationen eingesetzt, bei denen Händler einsehen können, welches Ersatzteil zu welchem Preis wo verfügbar ist. Zum Einsatz kommen hier beispielsweise Systeme von Reynolds and Reynolds, Mitchell oder ADP. Nachteil dieser Lösungen ist zum einen die mangelnde Integration in die Bestandsverwaltungs- und Logistiktools als auch das Fehlen jeglicher Planungsmöglichkeiten – diese Tools zeigen den Händlern zwar an, was genau heute verfügbar ist, nicht jedoch, was morgen oder in einigen Wochen verfügbar sein müsste, um ­optimalen Service sicherzustellen. Stellt man sicher, dass die SBI-Lösung auch hier die entsprechenden Schnittstellen bietet, lässt sich der prozentuale Anteil der Service-/Ersatzteilanfragen, die gleich beim ersten Mal erfüllt werden können, auf über 90 Prozent steigern. Service Business Intelligence bietet exzellente Möglichkeiten, Service als wettbewerbsrelevanten Faktor IT-seitig umzusetzen. Voraussetzungen sind Schnittstellen zu ERP-, Logistik- oder Supply-Management­systemen, Lagerverwaltungssysteme und der Einsatz spezialisierter Serviceteil- und Preismanagementtools, die über ­eine zentrale webnative Plattform interagieren und ­Informationen sicht- und nutzbar machen.

Gavin Hartland, Marketing & Alliances Director EMEA Servigistics Ltd.


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