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Siemens-Handys bald »made in Taiwan«

Siemens-Handys bald »made in Taiwan«. Der taiwanische Elektronikkonzern Benq übernimmt die komplette Siemens-Mobilfunksparte inklusive der Fertigung in Brasilien und Deutschland. Wie lange der Produktionsstandort Kamp-Lintfort erhalten bleibt, ist noch fraglich.

Autor:Redaktion connect-professional • 15.6.2005 • ca. 2:20 Min

Siemens-Handys bald »made in Taiwan«

Die mühselige Suche nach einer Lösung für die Siemens-Handysparte ist beendet. Der taiwanische Elektronikhersteller Benq übernimmt bereits im vierten Quartal 2005 das gesamte Siemens-Mobiltelefongeschäft mit mehr als 6.000 Mitarbeitern weltweit. Ab dem 1. Oktober 2005 geht die gesamte Mobilsparte, inklusive aller Gewinne und Verluste, an Benq über. Laut Vertrag verpflichtet sich Siemens im Gegenzug, Aktien der Benq Corporation im Wert von 50 Millionen Euro zu erwerben und den Integrationsprozess mit 250 Millionen Euro zu begleiten. Als Teil der Transaktion erhält die Benq Corporation für die Dauer von 18 Monaten nach Vertragsabschluss die exklusiven Rechte am Markennamen Siemens für Mobiltelefone. Für weitere fünf Jahre darf Siemens auf allen Handys als Co-Branding auftauchen. Ob Siemens bei dem Deal wirklich »eine nachhaltige Perspektive« für sein Mobiltelefongeschäft gefunden hat, wie Konzernchef Klaus Kleinfeld jubelt, darf bezweifelt werden. Denn anders als vermutet, wurde die Siemens-Handysparte nicht in ein Gemeinschaftsunternehmen eingebracht. Der Münchner Konzern hat die defizitäre Sparte mit einer millionenschweren Dreingabe vielmehr komplett abgegeben. Der taiwanische Aufsteiger Benq erhält durch den Kauf Zugang zu den europäischen und lateinamerikanischen Märkten, wo der Markenname Siemens noch stark ist, und kann unter die vier größten Handyhersteller weltweit aufrücken. »Mit der Transaktion bekommen wir exzellente Mitarbeiter, etablierte Verkaufskanäle und eine hochkarätige Kundenbasis. Die starke Siemens-Marke unterstützt diese Expansionsstrategie«, erklärte Benq-CEO Lee Kuen-yao.

Standorterhalt fraglich

Hauptsitz des Mobilfunkgeschäfts soll München bleiben. Benq übernimmt auch die Entwicklungs- und Produktionsstandorte von Siemens in Brasilien und im deutschen Kamp-Lintfort sowie Marketing und Vertrieb. Auch die Fabrik in Shanghai, die mit einem chinesischen Partner betrieben wird, bleibt als Entwicklungs- und Produktionsstandort erhalten. Darüber hinaus hat Benq aber keinerlei Garantien für die rund 3.000 deutschen Arbeitsplätze der Sparte abgegeben. Benq-Chef Lee will mit dem gemeinsamen Mobiltelefongeschäft bereits 2006 die Gewinnzone erreichen und hat bereits angekündigt, dass das ohne einschneidende Kostensenkungen nicht zu machen sei.

Beide Partner haben außerdem eine enge Zusammenarbeit vereinbart. Benq wird laut Lothar Pauly, Chef des Siemens-Bereichs Communications, künftig der bevorzugte Partner für Komplettlösungen für mobile Kommunikation. Der Aufsichtsrat der Siemens AG, Berlin und München, und das Board von Benq haben der Vereinbarung bereits zugestimmt. Die Vereinbarung steht außerdem noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung einer Hauptversammlung von Benq.

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Kommentar

Während der Deal für die Siemens-Beschäftigten in Deutschland vermutlich nichts Gutes bringt, werden die Karten auf dem umkämpften Mobilfunkmarkt neu gemischt. Denn trotz einer Reihe von Management-Fehlern und Versäumnissen hat die Handymarke Siemens nicht nur in Deutschland einen guten Ruf. Der starke Brand und das Siemens-Know-how bei der Geräteentwicklung, gepaart mit dem Gespür der Taiwanesen für Consumertrends, könnten Benq in die Führungsriege der Handyhersteller katapultieren. Die einst europäisch dominierte Elite der Handybauer um Marktführer Nokia sieht sich nach Samsung und LG nun dem nächsten Angreifer aus Asien ausgesetzt. Und auch den führenden asiatischen Herstellern Sharp, NEC oder Panasonic, droht auf ihrem Heimatmarkt und für den boomenden chinesischen Markt ein neuer Konkurrent. Der zukunftsträchtige Mobilfunkmarkt wird neu verteilt. Wie lange die Marke Siemens dabei noch eine Rolle spielen wird, ist fraglich.

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INFO

Benq Deutschland GmbH
Große Elbstraße 39, D-22767 Hamburg
Tel. 040 822264-0, Fax 040 822264-100
www.benq.de

Siemens AG
Richard-Strauss-Straße 76, D-81679 München
Tel. 089 9221-0, Fax 089 9221-4499
www.siemens.de