Smart-Devices und Industrial-WLAN bahnen Ethernet den Weg
Wireless LANs etablieren sich auch in Fertigungsumgebungen.


Ethernet und das Internet-Protokoll haben längst damit begonnen, nach Büros und Wohnzimmern auch Fabriken und Fertigungshallen zu erobern. Die amerikanische Beratungsgesellschaft ARC Advisory Group geht davon aus, dass 2009 weltweit etwa 6,7 Millionen Industrial-Ethernet-Systeme installiert sein werden. Der Markt für Ethernet-Switches, die in der Fertigung zum Einsatz kommen, soll in drei Jahren ein Volumen von rund einer Milliarde Dollar erreichen. Firmen wie Rockwell und Siemens geben an, dass mittlerweile 70 bis 80 Prozent ihrer Produkte aus dem Bereich Automatisierungstechnik Ethernet unterstützen.
Das bedeutet allerdings nicht, dass in Fertigungsumgebungen künftig reinrassige Ethernet- und IP-Netze den Ton angeben. Dieses Vision, die vor allem Anbieter wie Cisco entwickelt haben, wird auch 2007 eine Wunschvorstellung bleiben. Denn speziell auf der Steuerungs- und Kontrollebene sind immer noch Feldbusse zu finden, von Profibus über CANopen bis hin zu Modbus und Controlnet. Ethernet dient vorzugsweise als Protokoll auf der Link-Layer-Ebene. Auf der Anwendungsschicht, dem Application-Layer, kommen weiterhin Feldbus-Protokolle zum Zuge.
Es ist jedoch absehbar, dass die Kombination aus Ethernet und IP die proprietären Protokolle ablösen wird. Bereits im vergangenen Jahr tauchten erste Steuerungen, Aktoren und Motoren auf, die neben einer Feldbus-Schnittstelle auch mit einem Ethernet-Interface ausgestattet waren. Solche »Smart-Devices« werden sich in den kommenden Monaten stärker in Produktionsumgebungen etablieren.
Dennoch wird im kommenden Jahr und darüber hinaus in den Fertigungsbetrieben ein Miteinander von Ethernet/IP und proprietären Bussystemen zu finden sein. Ein Grund dafür ist, dass es sich viele Unternehmen schlichtweg nicht leisten können, vorhandene Feldbus-Installationen auszutauschen. Es ist den Anwendern jedoch klar, dass neue Automatisierungssysteme und entsprechende Anwendungen »Ethernet-ready« gemacht werden müssen. Hier sind nicht nur die großen Hersteller von Automatisierungskomponenten wie Siemens gefragt, sondern vor allem Systemhäuser und Softwarelieferanten.
Der Trend in Richtung Ethernet wird die Konkurrenz zwischen den Anbietern von Automatisierungskomponenten weiter anheizen. Denn wenn sich Ethernet und IP als Standard etablieren, müssen diese dem Anwender ihre Produkte mit Hilfe anderer Eigenschaften schmackhaft machen. Software wird deshalb eine immer wichtigere Rolle spielen: Tools für das Automatisieren und Simulieren von Prozessen, für die Qualitätssicherung und die Ferndiagnose rücken in den Mittelpunkt. Ähnlich wie bei lokalen Netzen in Büros gewinnen »Add-ons« an Bedeutung, die dem Anwender das Leben erleichtern.
Doch nach wie vor gibt es beim Einsatz von Industrial-Ethernet Grenzen. Eine bildet das nichtdeterministische Verhalten von Ethernet. In Umgebungen, in denen fest definierte Reaktionszeiten von wenigen Millisekunden erforderlich sind, hat Ethernet nach wie vor das Nachsehen. Zwar haben Switches und Quality-of-Service-Mechanismen in diesem Punkt deutliche Verbesserungen gebracht. Dennoch ist es nur mit Hilfe von modifizierten Ethernet-/IP-Stacks möglich, Reaktionszeiten von weniger als zehn Millisekunden zu erzielen. Ein Beispiel dafür ist das Industrial-Ethernet-Protokoll »Profinet« von Siemens. Anwendungen, die extrem niedrige Latenzzeiten erfordern, werden somit weiterhin auf solche speziellen Implementierungen von Industrial-Ethernet zurückgreifen müssen.
Eine ähnliche Entwicklung wie beim kabelgestützten Industrial-Ethernet zeichnet sich auch bei Wireless-LANs ab, die in Fertigungsumgebungen eingesetzt werden. Standardkomponenten taugen bestenfalls für den Einsatz in Lagerhallen, alleine wegen der Empfindlichkeit gegenüber Temperaturschwankungen und Erschütterungen. Mittlerweile haben Hersteller wie Siemens, Phoenix Contact oder Lancom »Industrial-WLAN«-Komponenten entwickelt. Einige unterstützen neben den WLAN-Standards IEEE 802.11 b/g auch Bluetooth.
Mit Hilfe solcher Komponenten lassen sich beispielsweise mobile Fertigungssysteme oder Steuerungen in ein Netz einbinden. Die Hersteller haben auch in diesem Fall Erweiterungen integriert, etwa Schnittstellen zu verkabelten Industrial-Ethernet-Systemen oder Feldbussen. Somit sind drahtlose Industrial-WLANs kein »Spielzeug« mehr, sondern eine ernst zu nehmende Technik, die auch in Produktionsumgebungen Einzug halten wird.