So verringert sich der R-Wert für die Sprachqualität gemäß E-Modell nach ITU G.107 schon bei zehn Prozent Datenverlust um je nach Codec 25 bis weit über 40 Punkte, also Werte, die massive Probleme im Telefoniebereich sehr wahrscheinlich machen.
Auf Grund ihrer Bedeutung für die Übertragungsqualität haben wir daher das Datenrahmenverlustverhalten als primäres K.O.-Kriterium für unsere Tests definiert. Die Parameter Latency und Jitter – die wir standardmäßig ebenfalls messen – sind dann für die genauere Diagnose und weitere Analyse im Einzelfall wichtig. Sind jedoch die Datenverlustraten von Hause aus schon zu hoch, können gute Werte für Latency und Jitter die Sprachqualität auch nicht mehr retten.
Dafür, dass es zu solchen massiven Datenverlusten im Ethernet-LAN erst gar nicht kommt, sollen entsprechend gut funktionierende Priorisierungsmechanismen sorgen. Sie tun dies aber durchaus nicht immer, wie die Erfahrung aus vorhergehenden Tests zeigt.
Qualitätssicherung im LAN
Ethernet-basierte LANs ermöglichen eine kostengünstige durchgehende Netzwerk-Lösung vom Backbone-Bereich bis an die Endgeräte am Arbeitsplatz und sind nicht zuletzt aus diesem Grund weltweiter Standard in praktisch allen Unternehmen und Institutionen. Allerdings bietet das Ethernet auf Layer-2 und -3 nicht die selbe Übertragungsqualität wie von Hause aus echtzeitfähige Technologien, beispielsweise ATM.
Das Ethernet-Protokoll ist zwar einfacher und arbeitet mit geringerem Overhead, die Übertragungen erfolgen aber ohne vorherigen Aufbau einer Verbindung oder die Aushandlung der Qualität der Übertragungsstrecke von Endpunkt zu Endpunkt. Für alle Applikationen wird nur eine Best-Effort-Behandlung – so gut, wie eben möglich – bereitgestellt, unabhängig von deren tatsächlichen Anforderungen oder den Anforderungen der Nutzer. Die Absicherung einer Verbindung erfolgt – wenn überhaupt – erst in den Protokollen höherer Ebenen, wie dem TCP.
In Ethernet-Netzen und unter Verwendung des TCP/IP-Protokolls – und damit auch im Internet, Intranet oder Extranet – gibt es also keine garantierten Verbindungseigenschaften. Deshalb ist auch die Implementierung von Quality-of-Service oder kurz QoS, wie man es von ATM kennt, nicht möglich.
Trotzdem versuchen die Ethernet-Produktentwickler seit einigen Jahren durch Priorisierung und Reservierung von Ressourcen auch in IP-Netzen verschiedene Serviceklassen, die Class-of-Service oder CoS, zu etablieren. Allgemein sind zwei Wege zu unterscheiden, Service-Qualitäten zu realisieren. Zum einen über die Reservierung von Netzwerkressourcen, die Resource-Reservation, und zum anderen über eine bevorzugte Behandlung bestimmter Pakete bei deren Weiterleitung, die Daten-Priorisierung.
Grundlage für letztere ist die Entscheidung, welches Paket welche Priorität besitzt. Diese Entscheidung kann auf Grundlage der generell zur Verfügung stehenden Informationen aus den Headern der Ebenen 2, 3 oder 4 erfolgen.
So ist es möglich, den Verkehr beispielsweise hinsichtlich der Quell- und Zieladressen (MAC oder IP) oder der Protokoll- und Portnummern einzuteilen, natürlich in Abhängigkeit davon, bis in welche Ebene das Netzwerkgerät die Protokoll-Header analysieren kann. Geht man einen Schritt weiter, kann man in den Protokoll-Headern der verschiedenen Ebenen bestimmte Bits gezielt setzen und so die Zugehörigkeit eines Paketes zu einer Prioritätsklasse kennzeichnen.
Die Hierarchie der Prioritätsentscheidungen auf den verschiedenen Layern, die ja durchaus widersprüchlich sein kann, ist für jeden Switch intern gelistet und entweder frei konfigurierbar oder fest vorgegeben. Zu beachten ist auch, dass Layer-2-Priorisierungen auf dem Weg durch ein LAN in der Regel verloren gehen, sobald sie auf Layer-3 geswitched beziehungsweise geroutet werden.
Die Konfiguration des aktiven Netzwerks, das intelligent die Priorisierungsmechanismen nutzen soll, ist daher gerade in heterogenen Umfeldern nicht gerade trivial. Häufig wird der IT-Verantwortliche gut beraten sein, wenn er sich schon aus Gründen einer vollständigen Kompatibilität für ein Netzwerk aus einer Hand entscheidet.
Bei größeren Netzen ist auch eine entsprechende CoS-Management-Software unerlässlich, um die zur Verfügung stehenden Priorisierungsmechanismen auch wirklich effizient nutzen zu können.
Eine Möglichkeit der Zuordnung eines IP-Paketes ist die Nutzung des Type-of-Service-Byte, kurz ToS, im IP-Header Version 4. Dazu sind zwei Varianten beschrieben. RFC 791 definiert mit den Bits 0 bis 2 acht Klassen, von »Routine« über »Immediate« bis zu »Network-Control«.
Pakete mit einem höheren Octal-Wert in diesem 3-Bit-Feld werden vorrangig behandelt (IP-Precedence). Variante 2 verwendet die Bits 3 bis 6, um eine normale und vier um besondere Service-Klassen zu kennzeichnen. Festgehalten ist dies in RFC 1349. Ungünstigerweise wird dieses vier Bit große Teilfeld des ToS-Byte ebenfalls als Type-of-Service bezeichnet.
Es gibt also im IP-Header ein ToS-Byte und darin enthalten ist ein ToS-Feld. Pakete können anhand des ToS-Feldes entsprechend der eingestellten Klasse Warteschlangen unterschiedlicher Priorität zugeordnet werden. Im IP-Header Version 6 ist ebenfalls ein Byte für eine Klasseneinteilung vorgesehen. Es wird treffend als »Class« bezeichnet und könnte ähnlich verwendet werden.