Kopfnuss

Toiletten-Affäre: Das Jahr für Menschenfreunde

2. April 2008, 5:20 Uhr |

»Schützt Humanismus denn vor gar nichts?« Leider nein, muss man regelmäßig auf die Frage des Schriftstellers Alfred Andersch antworten. Sie schützt Dieter Schwarz nicht davor, dass er in seinem Discounter-Reich die Banalität des Bösen herrschen lässt

Dieter ist Sohn des Lidl-Gründers Josef Schwarz, der mehrfache Milliardär hat es geschafft und kann es sich leisten als gebildeter Menschenfreund angesehen zu werden, auch oder vor allem was den Umgang mit seinen Angestellten anbelangt. Da wäre, wenn wir schon bei so einem gewichtigen Thema wie der Philantropie sind, die Toiletten- Affäre, die im Zuge des aufgedeckten Spionage-Skandals bei Lidl vergangene Woche ans Licht kam.

Jahrelang haben Detektive Angestellte bei Lidl auf deren Gang zum Klo »begleitet«. Wie oft jemand geht, wie lange er sich dort aufhält und möglicherweise auch wie viel Papier je Durchgang ein Angestellter benötigt, alles wichtige Daten, die fein säuberlich in Protokollen auftauchen. Dass allerdings eine Kündigung ausgesprochen wurde, mit dem Hinweis: Frau B. ernähre sich hauptsächlich durch fettreiche Kost, womit der im Lidl-Vergleich deutlich überproportionale Verbrauch von Toilettenpapier zu erklären sei, ist eine bösartige Erfindung gehässiger Journalisten. Richtig ist vielmehr, dass Frau B. nahe gelegt wurde, sie solle doch zum Lidl-Markt auf Sumatra wechseln. In Indonesien legt man nämlich noch Wert auf kulturelle Tradition wie der Reinigung lediglich mit Wasser und verzichtet auf Papier. Lidl wäre aber nicht Lidl, würde man seinen Angestellten nicht immer auch einen zweiten Weg zur Zusammenarbeit aufzeigen. Um das Arbeitsverhältnis aufrechtzuhalten, kann sich Frau B. auch vertraglich verpflichten, die Nahrungsaufnahme künftig einzustellen.

Wer könnte die Ohnmacht im Lidl-System besser verstehen als Menschfreund Dieter Schwarz. Willfährig und böswillig ist nun einmal die Natur des Menschen, vor allem wenn sie in Gestalt eines ruppigen Discounter-Chefs daherkommt. Und wie das bei besseren Menschen nun einmal so ist: Es gilt den Sachverhalt von einer höheren Warte aus zu betrachten.

Daher werden bei Lidl künftig Professoren und Dozenten der von Schwarz gestifteten Heilbronner Business School auf den Hochstand in den Filialen gesetzt, um die Toilettengänge des Lidl-Personals mit eigenen Augen zu verfolgen. Warum 2008 als »Anus Horribile« in die Lidl-Bilanz eingehen wird, wollen die klugen Köpfe in einer Festschrift feierlich darlegen.


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