Feilschen mit den Lieferanten
- Ungeliebtes Retail-Business
- Feilschen mit den Lieferanten
In dieser Wettbewerbssituation ist es begreiflich, dass viele Retailer ihre ganze Einkaufsmacht bei den Lieferanten ins Gewicht legen, um noch bessere Konditionen auszuhandeln: Um noch niedrigere Einkaufspreise wird da gefeilscht, noch längere Zahlungsziele werden gefordert. Doch die Lieferanten aus der Distribution stehen bereits mit dem Rücken zur Wand, denn während die Preise verfallen, steigen die Kosten deutlich. Die Broadline-Distributoren haben bislang mit Prozessoptimierungen und schlanken Kostenstrukturen gegengesteuert. Doch: »Das Potenzial in der Distribution, Kosten zu optimieren, stößt längst an die Grenzen«, hält Thomas Weissmann, Präsident des Verwaltungsrats beim Distributor Also, fest, der bereits im Frühjahr eine Preisdiskussion angestoßen hat und forderte: »Preisanpassungen sind absolut zwingend!«
Der Unmut der Distributoren über manche Aspekte des Retailgeschäfts, insbesondere über das Geschäft mit Deutschlands größtem Retailer MSH, nimmt zu, wird bisher aber oft nur hinter vorgehaltener Hand geäußert. An vielen Geschäften, vor allem an Aktionsgeschäften zwischen Hersteller und Retailer, in denen die Dis-tributoren nur als Logistik-Dienstleister fungieren, sei nichts zu verdienen – manchmal würde sogar draufgezahlt. Nun feiert Media Markt ausgerechnet in diesem Jahr sein dreißigjähriges Firmenjubiläum, entsprechend häufen sich die Jubiläumsaktionen. Frömming beschreibt die Situation folgendermaßen: »Retail war immer dazu da, Volumen zu generieren und Hersteller und Distribution haben den Retail gemeinsam groß gemacht. Seit einigen Jahren müssen wir als Distributor auch in diesem Segment profitabel agieren. Und damit wir wirtschaftlich erfolgreich sein können, ist es wichtig, sich Zahlungsziele und Retourenvereinbarungen genauer anzuschauen, eventuell Zahlungsziele zu kürzen und Retourenverträge zu überarbeiten. Hier haben wir schon sehr viel optimiert und sind auf einem guten Weg.« Auch Ingram Micros Consumer Channel-Chef Maier stellt fest: »Einer Wirtschaftskrise mit Zahlungszielverlängerungen zu begegnen, ist sicherlich kein Patentrezept. Ebenso wenig sinnvoll ist es, Geschäfte zu betreiben, die für Distributoren und Handelspartner gleichermaßen nicht von Nachhaltigkeit geprägt sind.«
Branchenbeobachter berichten, dass beide Münchner Broadline-Distributoren immer häufiger konsequent auf unprofitable Deals in diesem Geschäft verzichten. Womit sie nicht zuletzt auf die Vorgaben ihrer US-amerikanischen Konzernzentralen reagieren, die eben dies immer wieder fordern. Freilich finden sich Grossisten, die mit Blick auf die möglichen hohen Absatzzahlen im Flächengeschäft, gerne als Lieferant einspringen. Entsprechend hat beispielsweise der Straubinger Distributor Also zuletzt sein Retail-Geschäft signifikant ausgebaut. Als Software-Lieferanten für den Retail haben sich längst auch Spezialisten wie Koch Media oder Trademail etabliert. Dass aber künftig vermehrt SMB-Distributoren und Spezialisten den Retail beliefern, kann sich Volkan Weissenberg, Vetriebsleiter Retail/Etail bei Actebis Peacock, nicht vorstellen: »Das Retail-Business hat bestimmte Spielregeln und sehr komplexe Anforderungen. Optimale Kostenstrukturen wie sie die Broadliner bieten, sind eine Grundvoraussetzung, um hier profitabel arbeiten zu können. Nicht jeder kann und möchte sich darauf einlassen.«
Von einer pauschalen Abkehr vom Retail-Geschäft wollen die Broadliner indes nichts wissen: »Der Retail ist nach wie vor ein wichtiger Markt für uns mit einer gleich bleibend großen Bedeutung«, sagt Weissenberg. Auch Frömming betont: »Das Retail-Segment ist unverändert Teil unseres Geschäftsmodells und wird es auch in Zukunft bleiben.« Alexander Maier weist diesbezüglich auf die Stabilität im Consumer Business hin: Das Konsumklima habe sich bislang nicht eingetrübt, Ausgaben für Consumer-Produkte seien in der Gunst der Kunden sogar gestiegen. Für die Retailer gelte es nun, wie auch schon länger für Fachhändler, eine stärkere Differenzierung gegenüber der Etailer-Konkurrenz, beispielsweise über die Beratungskompetenz, zu etablieren. »Sonst sind beim informierten Kunden mangels Differenzierung teure Preiszugeständnisse unausweichlich.« Maier sieht in der unzureichenden Differenzierung zum Wettbewerb einen Grund für die zunehmende Rivalität zwischen Etailern und Fachhändlern.