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Unterwegs auf Deutschlands größter Computermeile: »Die Schwachen sterben, die Starken überleben«

Unterwegs auf Deutschlands größter Computermeile: »Die Schwachen sterben, die Starken überleben«. Viele IT-Händler mit Ladengeschäft kämpfen täglich um ihr Überleben. Gegen die immer stärker werdende Konkurrenz der Online-Händler und den dramatischen Preisverfall. CRN sprach mit den Betroffenen auf Deutschlands größter Computermeile, der Schillerstraße in München.

Autor:Markus Reuter • 13.7.2005 • ca. 3:45 Min

Unterwegs auf Deutschlands größter Computermeile: »Die Schwachen sterben, die Starken überleben«

Co-Autor: Samba.Schulte
Der Hauptverband des deutschen Einzelhandels (HDE) sieht noch keine Zeichen für einen Aufschwung der Branche. Und auch in der Münchener Schillerstraße nimmt kein IT-Händler das Wort »Aufschwung« in den Mund. Stattdessen herrscht in dem bunten Viertel am Hauptbahnhof vielerorts eine Mischung aus Resignation und Fatalismus. Doch häufig werden in den IT-Shops, die zwischen Döner-Buden und billigen Absteigen liegen, auch neue Geschäftsideen geboren und ökonomische Nischen besetzt. »Die Geschäfte laufen generell schlecht, das Sommerloch tut sein übriges«, betont Markus Jungmann vom Doscom Computer Markt. Die Firma hat ihren Sitz am Anfang der Schillerstraße, unweit der legendären Boxer-Kneipe »Cafe Schiller«.

In dem kleinen Ladengeschäft stapeln sich Druckerpatronen, Router, Switches und Gehäuse. »Patronen verkaufen sich ganz gut«, kann Jungmann der derzeitigen Geschäftssituation wenigstens einen positiven Aspekt abgewinnen. Zu 99 Prozent setzt der Händler die günstigen Kartuschen von KMP ab, Original-Zubehör von HP bleibt meist im Regal liegen. »Retailer sind keine Konkurrenz für uns, wir bieten unser Druckerzubehör 30 Prozent günstiger als ein Media Markt an«, sagt der Fachhändler. Der Doscom Computer Markt ist Kooperationsmitglied von Euronics mit der Marke »Red Zac«, wenngleich das Firmenlogo im Geschäft kaum sichtbar ist. Mit Used-IT hat das Unternehmen neuerdings eine Produktgruppe im Angebot, die durch hohe Margen von bis zu 30 Prozent gekennzeichnet ist. Ein Thema, das mittlerweile fast alle IT-Shops im »Schillicon Valley«, wie die ansässigen Händler ihre Computermeile liebevoll nennen, aufgegriffen haben.

Auf der anderen Straßenseite behauptet sich seit über 20 Jahren das Traditionshaus Seemüller Computer. »Wir gehörten 1984 zu den ersten Computer-Fachhändlern auf dieser Meile«, erklärt Stefan Graf stolz. Der Schillerstraßen-Dino hat die Goldgräberzeiten der Branche ebenso erlebt, wie die derzeitigen Margeneinbrüche und den Preisverfall. »Wir hatten zwischendurch auch schon 50 Mitarbeiter, nun sind es wieder fünf.« Seemüller verkauft vor allem Standard-PCs und -Notebooks. Mittlerweile eine Nische auf der Computermeile, denn die Straßenkonkurrenten setzen vor allem auf Komponenten, Zubehör und Peripherie. Natürlich verkauft auch Seemüller inzwischen gebrauchte Systeme. »Die Margen für Used-Artikel sind einfach besser«, führt Graf aus. Doch auch hier herrsche ein starker Preisverfall.

Für die Zukunft des Computerhandels sieht Graf schwarz: »Wir bedienen zu rund 80 Prozent Privatkunden. Vor allem die jungen Konsumenten orientieren sich nur noch am Preis ? Beratung spielt da kaum noch eine Rolle.« Und die billigsten Preise gibt es im Internet. »Der Online-Handel, und nicht etwa der Retail, ist der größte Feind des Einzelhandels«, konstatiert Graf. Mit den aberwitzigen Preisen der Online-Vermarkter könne man nicht mithalten, trotz zentraler Einkaufsmöglichkeiten über Kooperationen und Verbundgruppen, wie etwa Euronics und Electronic Partner. Wie es weitergehen soll, weiß der Seemüller-Chef noch nicht. Wahrscheinlich müsse er sich aber bald Gedanken über ein neues Geschäftsmodell machen. Mit einem breit aufgestellten Standard-Angebot fühlt er sich nicht mehr für die Zukunft gerüstet: »Ohne Spezialisierung im Produktangebot und einem Ausbau des Service-Geschäfts geht es künftig wohl nicht mehr.«

Die Online-Konkurrenz bekommt auch der Verkäufer im Outlet-Store von Allnet zu spüren. Dass die Online-Vermarkter häufig auf unseriöse Angebote setzen ? beispielsweise werde defekte und B-Ware nicht gekennzeichnet ? sei vielen Kunden egal, erklärt Gert Weigand von Allnet Outlet Stores. »Die Kunden erfragen on-line Preise und konfrontieren uns dann mit diesen unseriösen Angeboten, die weit unter unseren Preisen liegen. Der Allnet-Outlet trennt beim Verkauf streng nach Endkunden und Fachhandel. »HEKs gibt es bei uns nur für registrierte Fachhandelspartner«, sagt Weigand. Den Absatz konnte man zuletzt über alle Produktgruppen hinweg ausbauen, aber aufgrund des starken Preisverfalls konstatiert auch Weigand einen drastischen Umsatz-Rückgang von rund 20 Prozent. Die Fluktuation unter den Ladenhändlern in der Schillerstraße ist für Weigand eine selbstverständliche Tatsache: »Die Schwachen sterben, die Starken überleben.«

Wenn ein Geschäft in der Schillerstraße den Betrieb einstellt, eröffnet jedoch schon kurze Zeit später ein neuer Fachhändler seinen Laden. Gerade mal vor zwei Wochen startete Mistral Computerworld. Das Geschäft in der Schillerstraße ist für die ungarische Ladenkette die erste Filiale in Deutschland. »Das Business läuft für uns sehr gut an«, freut sich Geschäftsführer Andreas Sigel. Der Keller des Geschäfts dient als Lager. Dort türmen sich Gehäuse, Lautsprecher, Komponenten und Modding-Zubehör. Auf PC-Systeme verzichtet Mistral wie viele Reseller in der Schillerstraße. »Der Preisverfall bei PCs ist einfach zu groß.«

Auf 20 Prozent beziffert auch Peter Schragmann, Geschäftsführer von Net Service 2000, den Umsatzrückgang in diesem Jahr. »Schuld daran ist der rapide Preisverfall. Es hat sich aber auch das Einkaufsverhalten der Konsumenten verändert, der Online-Handel nimmt immer weiter zu«, klagt Schragmann. Trotzdem ist sein Geschäft während der Mittagszeit gut frequentiert. Viele Kunden besuchen den Laden in der Schillerstraße 17 nach einem schnellen Mittagessen in einem der benachbarten Döner-Imbisse und erkundigen sich nach Speicherprodukten. Preisbewusste Einkäufer informiert Schragmann über günstige Gebrauchtware. Von einem Sommerloch spricht auch D. Bot von GAL Netzwerke. PCs liefen nicht gut, »da wird gespart«, dafür seien aber Wasserkühlungen und weitere Modding-Produkte ein Renner.

Auch für IT-Profi Bot sind die Retailer nicht die Hauptkonkurrenten: »Wir sind günstiger als die Media-Märkte. Mit den Angeboten der Online-Händler, beispielsweise bei Ebay, können wir aber nicht mithalten.«