Verwaltungsrecht hemmt Fortschritt

30. November 2006, 11:47 Uhr |

Verwaltungsrecht hemmt Fortschritt Der direkte Kontakt zu Bürgern und Unternehmen steht im Mittelpunkt des Interesses von Verwaltungsfachleuten, die sich mit E-Government befassen. Doch gibt es auf dem Weg dorthin noch viele Hindernisse zu überwinden.

Bund, Länder und untergeordnete Gebietskörperschaften versuchen seit Jahren, die Verwaltungsarbeit durch Informationstechnik effizienter zu gestalten. Im Jahr 2005 wurden vom Bund knapp 1,05 Milliarden (0,5 Prozent des Bundeshaushaltes) für IT ausgegeben. Auch Länder, Kreise und Gemeinden haben be­trächtliche IT-Budgets. Eine aktuelle Studie von IDC un­tersuchte, welche IT-Themen Vertreter von Gemeinden und Landkreisen für besonders wichtig halten, welche Ziele sie damit anstreben und welche Hindernisse das Erreichen der angestrebten Ziele hemmen. Dafür wurden 54 Vertreter von kreisfreien Städten und Landkreisen befragt. Wegen der geringen Teilnehmerzahl sollten die Ergebnisse nicht verabsolutiert, sondern nur als Trendaussage ge­wer­tet werden. Das wichtigste IT-Thema ist für die befragten Verwaltungsvertreter der digitale Informationsaustausch mit Bürgern, Unternehmen und Be­hörden. Ziel sei letztlich, so IDC-Analyst Joachim Benner, dass Bürger und Unternehmen möglichst alles selbst und online erledigen. »Allerdings ist die Bürgerresonanz häufig bei weitem nicht so stark wie erhofft. Dabei spielen fehlende Technik-Affinität, aber auch Sicherheitsfragen eine Rolle«, räumt der Analyst ein. Und so wird dann eben doch oft ausgedruckt oder persönlich vorbeigeschaut. Wenig überraschend, sehen die IT-Fachleute in den Rathäusern die Vermeidung von Medienbrüchen zu 89 Prozent als Herausforderung bei der Umsetzung von E-Government. Zudem sei, so Benner, die Verlagerung von Verwaltungsprozessen in den Cyberspace stark von der Durchsetzung der E-Signatur abhängig. Immerhin 70 Prozent der Befragten empfinden das als Herausforderung. »Die Signatur verursacht durch die Beschaffung der nötigen Geräte und Signaturen Kosten. Das lohnt sich nur für Un­ternehmen, nicht für Private. Also werden sich die elektronischen Verfahren nur durchsetzen, wenn sie insgesamt billiger werden«, meint Benner.

Kostensenkung mit IT?
Weitere wichtige IT-Themen der Verwaltungsfachleute sind der Beitrag der IT zur Kostensenkung und die Optimierung von Prozessen. Gerade hier allerdings lauern große Probleme: So hat sich schon so manches öffentlich-rechtliche IT-Projekt als schwarzes ­Finanzloch entpuppt, in dem ergebnislos Millionen versickern – es sei nur an die Modernisierung der IT der Bundeswehr erinnert. Meist nicht ausreichend berücksichtigte Folgekosten der digitalisierten Verwaltung können die Kostenkalkulation kippen. Zum Beispiel müssen plötzlich Unmengen digitaler Dokumente auf potenziell unabsehbare Zeit elektronisch archiviert und verwaltet werden, ein Problem, für das es zwar technische, oft aber wohl noch keine organisatorischen und ­finanziellen Lösungen gibt. »Es gibt heute noch keine schlüssigen Nachweise, dass E-Government lang­­fristig tatsächlich Kosten spart. So etwas ist langwierig«, konzediert Benner. Zudem erweisen sich gerade Verwaltungsprozesse häufig als erstaunlich änderungsresistent. So nennen denn auch 83 Prozent der Befragten die notwendigen Änderungen der Arbeitsprozesse als wichtige Herausforderung beim IT-Einsatz. Das liegt, so Analyst Benner, an mehreren Faktoren: Das Verwaltungsrecht schreibt für viele Aufgaben Verfahren bis ins Detail und häufig auch die E-Signatur vor. Diese Verfahrensvorschriften an das elek­tronische Zeitalter anzupassen, ist wiederum langwierig. »Dazu kommt, dass in der Verwaltung häufig politische Interessen das Verhalten steuern«, sagt Benner – anscheinend nicht immer zugunsten neuer, elek­tronischer Prozesse. Schließlich vollziehen sich im öffentlichen Dienst eventuell nötige Personalwechsel eher langsam. So dürfte es wohl noch eine Weile dauern, bis sich die nach Meinung der Befragten wichtigsten Ziele des angestrebten IT-Einsatzes, nämlich Verbesserungen der Servicequalität, mehr Transparenz für den Bürger und mehr Effizienz von Prozessen und Arbeitsabläufen, wirklich manifestieren. »Die Euphorie ist erst einmal abgeklungen, und man denkt heute bei IT-Innovationen stärker an die Automatisierung interner Prozesse als an Kontakte nach außen. Für den Rest ist viel Geduld nötig«, sagt Benner.


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