VoIP-Protokolle

26. September 2007, 10:16 Uhr |

Drei Protokolle, SIP, H.323 und MGCP, ringen um die bevorzugte Position in VoIP-Umgebungen. Derzeit erscheint es, als ob SIP letztendlich als Sieger hervorgehen wird. Ist das die richtige Entscheidung der Hersteller oder sollte eines der beiden anderen Protokolle den Zuschlag erhalten?

Um die Interoperabilität zwischen den verschiedenen Standards zu sichern, müssen mehrere Protokolle unterstützt werden.

Burkhard Hollwitz, NCB Informationstechnik, Consultant

Für die Signalisierung und Verbindungskontrolle von IP-Telefonie-Verbindungen existieren zwei Standards, H.323 der telefoniegeprägten ITU-T und das Session-Initiation-Protocol SIP der Internet-geprägten IETF. Beide Standards repräsentieren verschiedene Verfahren zur Lösung des gleichen Problems: der Bereitstellung einer Protokollsuite für den Aufbau, die Aufrechterhaltung und den Abbau von Verbindungen, den Austausch von Leistungsmerkmalen und die Realisierung von Konferenzen in IP-Netzen. Beide Protokolle setzen intelligente Endpunkte im Netz (Endgeräte und Gateways) voraus. H.323 und SIP werden auch als Bearer-Plane-Protocols bezeichnet.

Daneben gibt es einen anderen Ansatz, der auf der Trennung von Nutzdaten und Signalisierung basiert. Für die Steuerung von unintelligenten Gateways, die an den Netzgrenzen nur die Nutzdaten übersetzen können, kommen sogenannte Call-Agents zum Einsatz, die die Signalisierungsfunktion beispielsweise von H.323 implementiert haben. Zwischen den Call-Agents und den Gateways wird nun beispielsweise MGC/Megaco eingesetzt. MGC/Megaco wirkt parallel zu H.323 oder SIP und wird auch als Signaling oder Control-Plane-Protocol bezeichnet.

Somit reduziert sich die Frage wohl auf den Wettbewerb zwischen SIP und H.323. SIP ist einfacher strukturiert als H.323, dafür hat H.323 die größere Installationsbasis. Nebenbei implementieren die meisten TK-Hersteller noch ihre eigene proprietäre Protokollwelt zur Realisierung der dem Nutzer vertrauten Telefonieleistungsmerkmale. Genauso wie in der bestehenden Telefoniewelt mit analoger und ISDN-Signalisierung, proprietären Signalisierungsprotokollen und herstellerübergreifenden Standardisierungsbestrebungen erwarte ich auch bei VoIP eine Koexistenz der bestehenden Protokolle. Somit sind diejenigen Hersteller gut beraten, die durch die Unterstützung einer breiten Protokollwelt die Interoperabilität zwischen den verschiedenen VoIP-Standards sichern können.

Multimediale Kommunikation wird SIP als Standard verwenden. Übergangsweise hat H.323 noch seine Berechtigung.

Klaus-Peter Scheer, Meta Group Deutschland, Manager-Consultant

Die Konvergenz von Daten und Sprache findet endlich statt. Da diese Konvergenzvision auf vielen physischen Voraussetzungen aufbaut, ist die langsame Entwicklung am Markt nicht verwunderlich. Hemmnis war in der Vergangenheit die Verfügbarkeit von kompatiblen, kostengünstigen Lösungen, die Interoperabilität zwischen unterschiedlichen Hersteller-Implementationen von Kommunikationsprotokollen sicherstellten. Der Protokollstandard für multimediale Kommunikation H.323, der durch die ITU eingeführt wurde, hat immer wieder durch proprietäre Ergänzungen der Hersteller zu Inkompatibilitäten zwischen Endgeräten und Systemen geführt. Dies gilt insbesondere für die Hersteller von TK-Systemen, die für die Implementierung von besonderen Leistungsmerkmalen, den Standard durch proprietäre Elemente erweitert haben.

Der H.323-Standard ist inzwischen in die Jahre gekommen, so dass eine Ablösung überfällig ist. Die Internet-Community IETF hat die Führung bei der Standardisierung von multimedialer Kommunikation übernommen und den Standard SIP als RFC 2543 eingeführt. Das Protokoll wurde vor allem für Multimediakonferenzen, Internet-Telefonie und Multimedia-Distribution designed und zeichnet sich durch einfache, kostengünstige Implementierung aus. Inzwischen gibt es Ergänzungen für Messaging und Instant-Messaging. Bei der Weiterentwicklung von Protokollen der IETF hat sich in der Vergangenheit die Dynamik und Innovation der Internet-Community bewährt, die VoIP trotz der enormen Anfangsschwierigkeiten durch entsprechende Ergänzungen der Standards zum Durchbruch verholfen hat. SIP und die Fortschreibung der Protokollfamilie wird sich deshalb als Standard gegenüber H.323 durchsetzen. Für eine Übergangszeit wird allerdings H.323 noch durch die Hersteller unterstützt werden, um bereits getätigte Investitionen zu schützen. Der MGCP-Standard (Media-Gateway-Control-Protocol) kommt in der Regel nur bei Gateways zur Anwendung und hat deshalb für den Anwender wenig Bedeutung.

SIP hat bereits volle Unterstützung der führenden Telekommunikationshersteller und wurde kürzlich durch 3GPP (Third-Generation-Partnership-Project) als Standard für multimediale Kommunikation in den Mobilfunknetzen der dritten Generation ausgewählt. Damit steht auch die Marktmacht der Mobilfunk-Hersteller und Service-Provider hinter SIP.

Vorteile, wie Einfachheit, Skalierbarkeit und Vielseitigkeit, von SIP haben dieses Protokoll zum Favoriten des Marktes gemacht.

Dr. Behrooz Moayeri, ComConsult Beratung und Planung

Das von der IETF standardisierte SIP ist nicht von ungefähr zum Favoriten der Hersteller und Anwender geworden. SIP ist ein weiterer Baustein der Erfolgsstory des Internets, indem es auf bewährte Konzepte des Netzes der Netze aufsetzt, Konzepte wie die klare Trennung zwischen der Infrastruktur und den Applikationen (womit neue Applikationen keine Veränderung der Infrastruktur erforderlich machen), Entlastung der Infrastruktur von komplexen Funktionen, Textkodierung des Protokolls (wie HTTP), Einfachheit im Vergleich zu H.323, Skalierbarkeit durch ein Transaktions- statt eines Verbindungsmodells, Nutzung der Sicherheitsarchitektur Secure-Socket-Layer (SSL) beziehungsweise Transport-Layer-Security (TLS). Der letztere Punkt verdient angesichts der zunehmenden Risiken besondere Beachtung. Die Nutzung von E-Mail-Adressen-ähnlichen URLs für die Adressierung erleichtert die Nutzung SIP-basierender Applikationen.

Während SIP und H.323 als Peer-to-Peer-Protokolle zwischen intelligenten Endgeräten einzustufen sind, gilt das Gateway-Control-Protocol gemäß H.248 als Master-Slave-Protokoll. In der Migrationsphase spielen diese Protokolle eine wichtige Rolle, aber konvergierte Applikationen kommen ohne ein Peer-to-Peer-Protokoll wie SIP nicht aus. Die Endgeräte kommen nicht nur für Telefonie, sondern auch für Anwendungen wie Internet-Zugriff, Calendering und Conferencing zum Einsatz. Das ist der Grund, weshalb das Third-Generation-Partnership-Project (3gpp), ein Zusammenschluss von Herstellern und Netzbetreibern aus dem Bereich des Mobilfunks der dritten Generation, SIP als Signalisierungsprotokoll im Bereich VoIP ausgewählt hat. Mit SIP ist die Implementierung von Applikationen einfach zu realisieren. Deshalb wird das SIP zum Bindeglied zwischen allen Endgeräten. SIP ist im Gegensatz zu H.323 nicht auf Telefonie und Videokonferenzen beschränkt, sondern unterstützt jede Session-basierende Applikation.


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