Sinkende Kaufkraft und Vergreisung im Osten Deutschlands, Schweden in Feierlaune, häusliche Polen und Italiener und über allem steht der gern auf Pump kaufende Konsument: Die viel gelobte Vielfalt Europas verändert sich immer schneller und setzt den internationalen Einzelhandel unter Druck.
Vom ehemaligen Chef der Deutschen Bank, Hermann Josef Abs, ist der Ausspruch überliefert, dass die Statistik wie eine Laterne im Hafen sei, die dem betrunkenen Seemann mehr zum Halt als zur Erleuchtung diene. Im Falle der krisengeschüttelten Karstadt Warenhaus GmbH sieht es fast so aus, als hätten die Manager des zum Arcandor-Konzerns gehörenden Einzelhändlers tatsächlich jahrelang wie Matrosen gehandelt.
Doch es wäre falsch, die Karstadt-Manager als Bestätigung für die grundlegende Kritik des legendären Deutschbankers Abs an statistischen Erhebungen ins Feld zu führen. Als Mitglied in fast 30 Aufsichtsräten hatte sich Abs sehr wohl mit der in Nachkriegs-Deutschland noch jungen Disziplin Marktforschung beschäftigt, insbesondere mit der 1955 erstmalig erschienen Kaufkraftkarte der Gesellschaft für Konsumgüterforschung (GfK), die bis heute wichtige Daten der Verbraucherforschung liefert.
Daten allerdings in einer Quantität und Qualität, deren Interpretation und Verbreitung dank der informationstechnischen Aufbereitung sich Abs wohl so nie hätte vorstellen könnte. Welche Rückschlüsse die sich aus zahlreichen Quellen speisenden Daten zulassen, darüber referierte kürzlich Simone Baecker-Neuchl, Leiterin Market Data & Research bei GfK GeoMarketing. Sie gab auf der diesjährigen »GfK Retail and Real Estate Konferenz« einen Ausblick, wie sich die stark wandelnden Lebens- und Konsumgewohnheiten in Europa auf den Einzelhandel auswirken.
Der GfK-Klassiker, die mittlerweile auf fast ganz Europa bezogene Kaufkraftverteilung (PDF Download ) belegt ein Nord-Süd-Gefälle. Verbraucher im Norden Europas verfügen über eine hohe Kaufkraft, entsprechend höhere Preise lassen sich hier erzielen. Doch mit solchen Grobrastern geben sich weder Statistiker noch deren Kunden aus dem Einzelhandel zufrieden. Im Süden Deutschlands beispielsweise ist die Kaufkraft höher als im Norden, ganz schlecht lauten die Prognosen für Ostdeutschland: »Die Lage hier wird sich weiter verschlechtern«, stellt Baecker-Neuchl fest. Die Arbeitslosenquote sei im Osten der Republik »auf einer Höhe mit dem Süden Italiens«. Verschärft wird Situation noch durch den steigenden Altersdurchschnitt der ostdeutschen Bevölkerung. Der Einzelhand müsse sich darauf einstellen.