Fernsehen, Telefon, Breitband-Internet aus einer Hand

Warum IPTV viel mehr bieten muss als bunte Bilder

4. August 2008, 16:16 Uhr | Bernd Reder

Fortsetzung des Artikels von Teil 3

Dienste vor Ort bereitstellen

Was viele Experten bereits vermuteten, hat sich beim Roll-out der ersten IPTV-Angebote in großem Maßstab bewahrheitet: Die Hausverkabelung des einen Teilnehmers gleicht, ähnlich wie ein Fingerabdruck, kaum der eines anderen, und sie ist in der Regel für IPTV nicht ausreichend. Dies bedeutet für den IPTV-Anbieter, dass er die Hausverkabelung »anpacken« muss, da häufig ohne Optimierung kein IPTV möglich ist.

Im besten Fall befindet sich die Telefondose sehr nahe am TV-Gerät. Hier kann der Installateur den DSL-Netzabschluss (NT) anbringen und mit einem kurzen LAN-Kabel die STB anschließen (»Best Case«).

Es gibt jedoch auch durchaus den Fall, dass der Kunde in einem Einfamilienhaus lebt, das Telefonkabel direkt hinter der Haustür endet und der Fernseher im Obergeschoss angeschaltet werden soll (Worst Case).

Möchte der Kunde eine zweite STB, wird die Sache noch schwieriger: Denn hierzu wäre es hilfreich, wenn ein LAN-Kabel zwischen NT und dem zweiten IPTV-Standort vorhanden wäre – tut es aber meistens nicht.

Alternative Powerline Communication

Die Schnurlos-Variante, das heißt, einen zweiten Fernseher über WLAN anzuschalten, wurde von der Industrie nicht mit Hochdruck weiter verfolgt. Stattdessen erlebt die Powerline-Technologie ihre Wiedergeburt. Bei ihr wird das Fernsehsignal über das Stromnetz des Hauses übertragen.

Was einfach klingt, hat oft einen Pferdefuß, etwa dann, wenn mehrere Teilnehmer eines Mehrfamilienhauses die Stromleitung als Datenkabel nutzen. Dann müssen sich alle Nutzer die zur Verfügung stehende Bandbreite teilen, und das kann schnell zu Engpässen führen.

Eine weitere Herausforderung für den Netzbetreiber ist die Managebarkeit der vielen Endgeräte eines Triple-Play-Kunden. Im einfachsten Fall hat er einen NT und eine STB. Komplizierter wird es, wenn der User einen NT, einen Splitter, eine STB, einen WLAN-Router, einen NTBA, ein WLAN-VoIP Telefon und eine Nebenstellenanlage (PBX) besitzt.

Hinzu kommen die sich schnell ändernden Softwarestände der einzelnen Endgeräte. Tritt beim Endkunden ein Fehler auf (»Mein Telefon funktioniert nicht mehr«), ist der Netzbetreiber gefordert. Das heißt in der Regel teure Support-Einsätze vor Ort.

Für Abhilfe soll ein neuer Managementstandard für Endkundenequipment (CPE) namens TR-069 sorgen. Er erlaubt eine verbesserte Fernwartung der Geräte aus der Netzmanagementzentrale heraus.

Die Netztechnik

IPTV bedarf auch Investitionen in die Netztechnik. DSLAMs der ersten Generation mit ATM-Kern sind für den TV-Multicasting-Betrieb in der Regel ungeeignet. Benötigt werden vielmehr IP-DSLAMs mit IP/Ethernet-Kern.

Weiterhin müssen sie Multicasting und ein ausgefeiltes VLAN-Handling (Virtual LANs) mit QoS-Differenzierung (Quality of Service) unterstützen, um die erforderliche Dienstqualität zu gewährleisten. Auch die Ethernet-typischen Schutzmechanismen wie RSTP (Rapid Spanning Tree Protocol), Black-/Whitelists und Weighted Fair Queueing (WFQ) sind unabdingbar.

Ähnlich verhält es sich im Metro- und Kernnetz. Hier darf man nicht am falschen Ende sparen und Ethernet-Switches mit QoS einsetzen. Um ein solch komplexes Dienstpaket wie einen Triple-Play Service beherrschen zu können, sollten die Metro-Knoten wenigsten ein ordentliches Traffic Engineering, diverse Schutzmechanismen und Diensttrennung mittels VPNs vorsehen – die Unterstützung von MPLS (Multi-Protocol Label Switching) ist also durchaus von Vorteil.

In den Anfangstagen, wenn der Verkehr noch gering ist, können Betreiber durchaus einen »flachen« Layer-2-Ansatz wählen, das heißt ein Ethernet-Feeder-Netz ohne MPLS, um den Netzbetrieb nicht unnötig komplex zu gestalten. Auf Dauer führt jedoch kein Weg an einem Traffic Engineering im Feeder-Netz vorbei.

Fazit

Bei Prognosen wandelt man naturgemäß auf dünnem Eis. Dennoch lassen sich einige Thesen zu künftigen IPTV-Herausforderungen formulieren:

Der frühe Vogel fängt den Wurm: Wer Triple-Play-Dienste inklusive IPTV einführen will, dem sollte bewusst sein, dass es sich hier nicht nur um ein kleineres Upgrade handelt. Vielmehr muss das gesamte Netz umstrukturiert, erweitert und verbessert werden. Anbieter, die den Weg gegangen sind, haben im Vergleich zu Betreibern ohne konvergente Dienste-Plattform und multimediafähiges IP-Netz einen massiven Wettbewerbsvorsprung.

IPTV ist kein »Box-Moving Business«: Im jetzigen frühen Stadium könnte der Eindruck entstehen, dass man sich als Betreiber nur einmal für eine IPTV-Systemlösung entscheidet, und diese dann nach dem Return-on-Invest eventuell wieder austauscht. Wer so denkt, denkt falsch! Beschränkt sich der Transport der Dienste derzeit in der Regel auf DSL, so sind in Zukunft durchaus hybride IPTV-Angebote vorstellbar, bei denen beispielsweise der TV-Broadcast über Satellit oder DVB-T ausgestrahlt und der interaktive Teil über DSL oder vielleicht sogar Mobilfunknetze abgerufen wird.

Content is King: Um es mit Bill Clinton zu sagen: »It’s the content, stupid.« Der Endverbraucher muss von einem IPTV-Netz einen eindeutig höheren Nutzen als von einem Konkurrenzangebot haben. Das bedeutet nicht zwangsläufig die Präsentation einzelner Highlights wie zum Beispiel Live-Konzerten oder Fußball.

Zusammenfassend ist die maximale technische und operative Flexibilität eine wichtige Vorgabe, um sich bei ändernden Marktgegebenheiten schnell anpassen zu können.

Aufgrund der starken Verflechtung einer solchen multimedialen Netzlösung ist ein kompletter Austausch der IPTV-Plattform als solche künftig kaum denkbar. Sie muss vielmehr so konzipiert sein, dass man einzelne Bestandteile daraus mit minimalem Aufwand und Risiko ersetzen und verbessern kann. Wie in der Natur ist es auch im IPTV-Umfeld nicht der Stärkste, der überleben wird, sondern der Anpassungsfähigste.

Marc Kahabka ist Leiter des Fachbereichs Consulting bei Keymile.

Technische Voraussetzungen eines Triple-Play-Dienstes auf einen Blick

SDTV (Standard Definition TV)

- 2 bis 6 MBit/s pro TV-Kanal mit MPEG-2-Kompression

- 1,5 bis 3 MBit/s pro TV-Kanal mit MPEG-4-Kompression (oder VC-9)

HDTV (High Definition TV)

- 12 bis 19 MBit/s pro TV-Kanal mit MPEG-2-Kompression

- 6,5 bis 8 MBit/s pro TV-Kanal mit MPEG-4-Kompression

Electronic Program Guide (EPG)

- circa 0,5 MBit/s downstream

High-Speed Internet (HSI)

- Typischerweise bis zu 3 MBit/s downstream und 1 MBit/s upstream

- Für SME und SOHO höher


  1. Warum IPTV viel mehr bieten muss als bunte Bilder
  2. Wie sich eine IPTV-Lösung für den Netzbetreiber rechnet
  3. Die Übertragungstechnik
  4. Dienste vor Ort bereitstellen

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