Over-the-top-Dienste

Wertschöpfungskiller OTT?

10. April 2014, 14:59 Uhr | Diana Künstler, Redaktion funkschau
© fotolia.com

Die Deutschen verschicken mehr SMS denn je – und trotzdem hat sich der Umsatz der Telekommunikationsunternehmen laut Branchenverband VATM in diesem Bereich seit 2008 nahezu halbiert. Services wie „WhatsApp“ haben die Branche grundlegend verändert. Diese so genannten „Over-the-top“(OTT)-Anbieter ermöglichen ihren Kunden die kostenlose Übermittlung von Text-, Video- und Audioinhalten. Auf diese Weise setzen sie Mobilfunk- und Festnetzbetreiber, die vergleichbare Services kostenpflichtig anbieten, unter Druck.

Westeuropäische Mobilfunknetzbetreiber verloren 2012 bereits 23 Milliarden Dollar Umsatz an OTTs, weil immer mehr Kunden SMS/MMS durch Smartphone-basierte Dienste wie „WhatsApp“, „iMessage“ oder „Blackberry Messenger“ ersetzten. Circa 33 Prozent aller Sprachminuten im Festnetz wurden über Skype ab-gewickelt. Das seit 2011 entwickelte vergleichbare Angebot für Mobilfunknetze, Viber, verzeichnet bis dato bereits 200 Millionen Nutzer in 193 Ländern, die monatlich zwei Milliarden Minuten telefonieren und sechs Milliarden Nachrichten versenden. Premium-OTT-Videoportale wie Netflix und Maxdome sind währenddessen auf dem besten Weg, Kabelnetzbetreibern und Pay-TV-Anbietern den Rang abzulaufen. Ergo: Konventionelle Unternehmen müssen sich dem technischen Fortschritt schnell anpassen, wenn sie ihre Marktposition nicht verlieren wollen.

Eine aktuelle Untersuchung der Management- und Technologieberatung „Bearingpoint“ zeigt aber, dass gegenwärtig keiner der auf dem deutschsprachigen Markt agierenden Netzbetreiber für die notwendigen Anpassungen gerüstet ist. Die Ergebnisse zeigen auch, dass OTT-Services sich mittlerweile auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfung dieser Branchen erfolgreich etabliert haben. Ob die aufgebaute Marktposition der OTT-Anbieter nachhaltig ist, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilt werden. Fakt ist: Die Degeneration der Telekommunikationsnetzbetreiber zur reinen Bitpipe-Utility ist nicht der einzig mögliche Entwicklungspfad für diese Industrie – der Wettbewerb zwischen Alt- und Neu-Anbietern hat gerade erst begonnen. TK-Netzbetreiber erlitten jedoch bereits ernsthafte Niederlagen. Die strategisch konsequente Einführung von Flatrates erfüllte zwar den Wunsch der Kunden nach bezahlbaren Datendiensten via Smartphone und förderte die Nachfrage nach Smartphones und Postpaid-Verträgen, entfernte aber letztlich eine der letzten Barrieren, die die weitgehend
kostenlose Nutzung der Netze durch OTT-Anbieter verhinderte.

Die Hoffnung der Netzbetreiber, ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit im Wettbewerb einsetzen zu können, greift allenfalls noch im Geschäftskunden-Markt. Gewisse Einschränkungen im Servicelevel nehmen Konsumenten bei OTT-Anbietern wie Whatsapp und Viber in Kauf. Zudem müssen Letztere mit OTT-Diensten marktmächtiger, stark diversifizierter Ecosysteme wie Apple, Google oder Microsoft konkurrieren, die mit höherer Wettbewerbskraft und vielfältigen Einnahmequellen die technische Qualität sowie den Fortbestand proprietärer OTT-Services nachhaltiger sichern können als unabhängige OTT-Anbieter.

Ungeachtet der Erfolge der OTT-Anbieter sind die Umsätze der etablierten Branchen weiterhin erheblich und profitabel. Immerhin wurden in Deutschland 2012, trotz OTT, 2,8 Milliarden Euro Umsatz mit SMS erzielt. Die Nutzung von Telefonie belief sich auf 233,2 Milliarden Minuten im Festnetz und 113,2 Milliarden Minuten im Mobilfunknetz. Die Profitabilität klassischer Kommunikationsdienste geht jedoch nachweislich zurück. Ungeachtet dieser teilweise relativierenden Sicht auf die Bedrohung durch OTT ist gegenwärtig keiner der auf dem deutschsprachigen Markt agierenden Netzbetreiber gegen die vom Markt erzwungenen Anpassungen gerüs-tet – dies wäre nur mit erheblichem Aufwand möglich. Zu sehr sind Organisation und Strategie dieser Unternehmen derzeit noch auf das klassische Sprach- und Datendienste-Geschäft ausgerichtet.

Anbieter zum Thema

zu Matchmaker+

  1. Wertschöpfungskiller OTT?
  2. Der Sieger steht noch nicht fest
  3. Expertenkommentar: Kommunikationsdienste der Zukunft – es gibt eine Rolle für TK-Anbieter
  4. Expertenkommentar: Marktmacht OTT-Anbieter: Wenn du Deine Feinde nicht besiegen kannst, umarme sie!

Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu MPC GmbH

Weitere Artikel zu MPC Service GmbH

Weitere Artikel zu Unified & Instant Messaging

Weitere Artikel zu Mobilfunk-Dienste

Matchmaker+