Warum viele Insolvenzen nicht zur Sanierung führen

Zu später Sprung über den eigenen Schatten

27. März 2013, 11:53 Uhr | Martin Fryba

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Negatives Stigma überwinden

Rechtzeitige Insolvenzmeldung erhöht die Chancen auf Sanierung erheblich (Grafik: CRN).
Rechtzeitige Insolvenzmeldung erhöht die Chancen auf Sanierung erheblich (Grafik: CRN).

Das deutsche Insolvenzrecht wurde schon vor Jahren der US-amerikanischen Praxis angepasst, die Sanieren und Fortführen will statt Zerschlagen und Abwickeln. Rechtlich sind dafür die Voraussetzungen hierzulande geschaffen, und auch viele Insolvenzverwalter sehen ihre Aufgabe darin, die Substanz eines insolventen Unternehmens zu retten. Doch das faktische Instrumentarium ist oft unwirksam. Viel zu spät blicken Unternehmer der Realität ins Auge, dass ihr Unternehmen und ihre eigene Existenz gefährdet sind. 96 Prozent der in einer Studie zu den Gründen einer Insolvenz befragten Verwalter sagten, dass Unternehmer angeschlagener Firmen bis zuletzt die Hoffnung hegen würden, dass es »irgendwie von selbst wieder aufwärtsgehen« würde. »Der Unternehmer hat alles Geld in die Firma gesteckt, bis zum letzten Hemd, und erst dann Insolvenz beantragt«, heißt es in der Studie. Auf Verständnis freilich stößt der ruinierte Unternehmer kaum. Dafür haben die jüngst prominent gestrauchelten Anton Schlecker und Quelle-Erbin Grete Schickedanz selbst gesorgt.

Wunder, auf die jedes Jahr tausende unbekannte Unternehmer in Zwangslagen hoffen, wären tatsächlich möglich. Allerdings nur dann, wenn Gefährdungen realistisch und rechtzeitig erkannt und Schritte zur Sanierung frühzeitig eingeleitet würden. Dann seien die Chancen für eine Gesundung und Fortführung des Geschäfts sogar sehr hoch. Drei von vier Insolvenzverwaltern berichten allerdings davon, dass Unternehmer einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens viel zu spät stellen.

Am Zentrum für Insolvenz und Sanierung an der Universität Mannheim (ZIS) rücken denn auch gerade die »weichen« Faktoren eines Insolvenzverfahrens und damit die Persönlichkeit eines Unternehmers stark in den Vordergrund. »Das negative Stigma der Insolvenz muss überwunden werden«, sagen die Professoren Georg Bitter und Ulrich Falk. Mit ihren Fragen an über 120 Insolvenzexperten, die insgesamt 19.000 insolvente Unternehmen verwalteten, haben sich die Wissenschaftler dem Phänomen Insolvenz auf der Ebene der Sozialpsychologie genähert. Ihr klares Fazit: Die Reform des Insolvenzrechts in Richtung Fortführung ist richtig, aber in den meisten Fällen unwirksam. »Wenn eine Veränderung zum Vorteil bedrohter Unternehmen erreicht werden soll, müssen zunächst emotionale Vorurteile und negative Einstellungen zum Insolvenzverfahren überwunden werden«, heißt es in der Studie.

Vor allem Inhaber geführte Unternehmen tun sich mit dem Eingeständnis ihres persönlichen Scheiterns schwer. Ein menschliches Phänomen, das in Ländern wie den USA weit weniger mit Niederlagen assoziiert wird wie es die Öffentlichkeit hierzulande leider tut. In den Vereinigten Staaten wäre m+s-Gründer Hans-Ulrich Mahr an dem gemessen worden, was der erfolgreiche Unternehmer einmal geleistet hatte, und nicht daran, was er verlor.


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