Mit seiner Messaging-Lösung Groupwise 7 will sich Hersteller Novell nicht nur in den nahe liegenden Märkten - von Netware bis Linux - stärker positionieren. Im Fokus steht vor allem auch die Konkurrenz von Microsoft. Eine robuste und leistungsfähige Messaging-Engine allein reicht da nicht. Vor allem auf Client-Seite war es nötig, den Windows-Anwendern deutlich mehr entgegenzukommen. LANline hat die neue Produktversion auch in dieser Hinsicht auf den Prüfstand gestellt.
Als anerkannt leistungsfähige Kollaborationslösung war Novell Groupwise zwar schon bislang ein
Begriff. Für einen ernsthaften Angriff auf die Microsoft-Bastion Exchange reichte dies aber noch
nicht. Mit der Version 7 ihrer Kollaborationslösung Groupwise sieht sich Novell endlich auf der
Zielgeraden angekommen (siehe LANline 9/2005). Bereits mit der Version 6 von Groupwise hatte der
Hersteller im Jahr 2001 das Projekt begonnen, sein Messaging-System mit Clients auszustatten, die
den von Microsoft Windows geprägten Erwartungen der Benutzer entsprechen. Neben
Outlook-Unterstützung und weiterentwickeltem Webclient steht hier vor allem der Windows-Client von
Groupwise im Vordergrund.
Der Groupwise-Windows-Client hat sich in jeder Beziehung an das Look and Feel von Windows XP
angepasst: Dreidimensionale Darstellung, runde Ecken und abgestufte Farben präsentieren den
Group-wise-Windows-Client als "natürlichen" Teil des Windows-Desktops. Groupwise 7 ist viel
farbiger als die Vorgängerversion 6.5 und setzt die Farben auch sinnvoll ein. Die Icons wurden neu
entwickelt, und auf den ersten flüchtigen Blick kann der Anwender den Groupwise-Windows-Client
durchaus mit Microsoft Outlook 2003 verwechseln.
Die Ähnlichkeit ist sicher kein Zufall und zeigt, dass die Entwickler die wichtigste Lektion der
Benutzerfreundlichkeit gelernt haben: Wer bei Microsoft Office zu Gast ist, muss sich an dem
orientieren, was der Hausherr für richtig hält. Dabei hat dem Groupwise-Windows-Client die
Anpassung an die Gepflogenheiten von Microsoft in keiner Weise geschadet: Die Icons sind gut
geraten, konfigurierbare Farbschemata können zu Ergebnissen führen, die dem Auge schmeicheln, und
es finden sich auch echte Verbesserungen der Benutzerschnittstelle.
Anwender, die sich an ältere Groupwise-Clients gewöhnt haben, sind gut beraten, bei der ersten
Benutzung des neuen Client mit "F1" die Hilfe zu öffnen, um sich mit dem Layout und der
Konfiguration des Hauptfensters anzufreunden. Das Hauptfenster des neuen Windows-Clients besteht
aus
der Navigationsleiste mit Reitern,
einer Werkzeugleiste,
der Ordnerliste sowie
Feldern.
Der neue Client ähnelt dem der Version 6.5 immerhin noch so weit, dass der Anwender nicht
verloren ist, aber dieser benötigt schon einen Tag, um sich an die neuen Verfahrensweisen zu
gewöhnen.
Novell empfiehlt, dass der Groupwise-Benutzer zum Einstieg mit der Basisanzeige ("Home View")
von Groupwise beginnen sollte, die in der Standardeinstellung den aktuellen Kalender anzeigt, die
so genannte Checkliste und die "ungelesenen Nachrichten". Dies ist keine schlechte Strategie, denn
die Basisanzeige entwickelt sich – konfiguriert nach den persönlichen Bedürfnissen – innerhalb
weniger Tage zu einem regelrechten Managementzentrum für alle Informationen, Termine, Jobs,
Notizen, Dokumente, Kontakte und die anderen Informationskategorien, die sich mit Groupwise
verwalten lassen.
Mit den Reitern der Navigationsleiste kann der Anwender alle aktuell wichtigen Ordner in den "
Blitzzugriff" holen. Hierfür lassen sich beliebig viele Felder in der Anzeige platzieren (jedes
Feld repräsentiert einen Ordner in einem frei definierbaren "View"), Farben definieren und die
Items in den Feldern gruppieren. Der Benutzer benötigt zwar ein bisschen Zeit, um die Möglichkeiten
vernünftig zu orchestrieren. Wenn er dieses aber gelernt hat, freut er sich über den
Einfallsreichtum der Benutzbarkeitsabteilung von Novell.
Neu ist auch die Möglichkeit, mehrere Kalender zu definieren: Groupwise behandelt einen Kalender
als Containerobjekt wie einen Ordner, in dem sich Termine nach bestimmten Sachkriterien eintragen
lassen. Jedem neuen Kalender ist eine Kennfarbe zugewiesen. Bei der Anzeige in der Kalenderansicht
entspricht die Hintergrundfarbe eines Termins der Farbe des Kalenders, zu dem er gehört. Welche
Kalender angezeigt werden, kann der Anwender auswählen. Ganztägige Ereignisse – wie sie
Outlook/Exchange kennt – finden sich im Group-wise-Kalender jetzt ebenfalls und werden gleich in
der ersten Zeile angezeigt.
Erfreulich ist, dass sich für E-Mails jetzt mehrere wählbare Signaturen eintragen,
HTML-Signaturen definieren und globale Signaturen festlegen lassen. Letztere definiert der
Administrator und können vom Benutzer nicht unterdrückt werden, wenn dies so vorgegeben ist.
Wer die Rechtschreibkorrektur von Microsoft Word liebt, kann jetzt auch für seine
Groupwise-Mails die Blitzrechtschreibprüfung aktivieren. Darüber hinaus existieren noch viele
andere Neuerungen, die zeigen, dass Novell gelernt hat, auf Wünsche nach kleinen, aber
entscheidenden Detailverbesserungen einzugehen.
In Groupwise 7 hat Novell auch die anderen nativen Schnittstellen zur Groupwise Engine deutlich
überarbeitet. So stimmt der Groupwise-Webaccess-Client (siehe LANline 8/2005) vom Erscheinungsbild
her jetzt fast mit dem Windows-Client überein, und – was noch wichtiger ist – er hat einige
Funktionen dazubekommen, die den Benutzer tatsächlich vom Windows-Client unabhängig machen.
So existiert beispielsweise ein "In-Arbeit"-Ordner, der es ermöglicht, dass Anwender mit dem
einen Client eine Arbeit beginnt und sie mit dem anderen fertig stellt. Webaccess kennt jetzt auch "
Name Completion", was viel Zeit spart und Fehler vermeidet. Ferner funktioniert Drag and Drop wie
im Windows-Client, und die rechte Maustaste öffnet Optionsmenüs. Darüber hinaus finden sich noch
einige andere Verbesserungen, die die Benutzung des Webzugriffs weniger eingeschränkt erscheinen
lassen. So kann der Anwender Ordner freigeben, Urlaubsregeln definieren, den Vertretungszugriff
verwalten oder neue Adressbücher anlegen. Im Großen und Ganzen bietet der Webclient alles Nötige,
um ihn als "Win-dows-Client Light" akzeptieren zu können.
Für Linux und Macintosh hält Novell den so genannten Cross-Platform-Client bereit. Diese
Java-Anwendung hat der Hersteller von der in Nürnberg ansässigen Softwareschmiede N-ix
(www.n-ix.com/) übernommen und inzwischen selbst weiterentwickelt. Der Cross-Platform-Client
deckt einen Großteil der Funktionalität des Windows-Clients ab. Obwohl der Java-Client auch auf
Windows läuft, liefert Novell nur Installer für Mac und Linux mit.
Leider ist das Dokumentenmanagement in Groupwise nach wie vor auf den Windows-Client beschränkt,
da das zugrunde liegende ODMA (Open Document Management API) auf Windows basiert. Novell denkt
allerdings darüber nach, ob nicht andere Wege beschritten werden sollen wie zum Beispiel die
Integration von Ifolder (www.ifolder.com), einem Projekt von Novell Open Source. Auf der
Linux-Plattform steht dem Benutzer für den Zugriff auf Groupwise zusätzlich der hauseigene
Open-Source-Client Evolution (www. gnome.org/projects/evolution/) zur Verfügung, der sich
sehr gut entwickelt.
Der strategisch möglicherweise wichtigste Client für Groupwise 7 heißt Microsoft Outlook. Es mag
viele Netzwerkverantwortliche geben, die zwar mit der Groupwise Engine liebäugeln, aber wenig Wert
in einer Migration sehen, wenn sie damit sich selbst und den Benutzern einen Wechsel des
Mail-Clients zumuten. Da Outlook in der Windows-Welt der Standard-Client ist, kommt kein
Mail-System darum herum, eine vernünftige Anbindung zur Verfügung zu stellen.
Mit Groupwise 7 wird ein vollständig überarbeiteter "Outlook Connector" ausgeliefert, der die
Möglichkeiten ausschöpft, die ein Konnektor bieten kann: Er stellt Funktionalität in Outlook zur
Verfügung, soweit sie sowohl in Groupwise 7 vorhanden ist, als auch vom Microsoft-Client
unterstützt wird. Mit anderen Worten: Es bleiben ein paar kleine Unterschiede zwischen Outlook an
MS Exchange und Outlook an Groupwise. So existieren in Groupwise beispielsweise keine öffentlichen
Ordner. Die Novell-Lösung kennt lediglich "freigegebene Ordner", die der Besitzer explizit für
einzelne Benutzer oder Benutzergruppen freischalten muss. Groupwise nimmt es mit der Kontrolle des
Zugriffs auf Informationen eben sehr genau.
Andererseits kennt Outlook keine "Vertretung". In Groupwise kann jeder Anwender andere Benutzer
als Vertreter für sein Postfach, seinen Kalender etc. einsetzen. Diese Benutzer sind dann in der
Lage, als Stellvertreter E-Mails zu schicken, Termine zu vereinbaren und so weiter.
Dokumentenmanagement bleibt ebenfalls dem Groupwise-Client vorbehalten. Zwar existieren noch ein
paar andere Kleinigkeiten, die sich bauartbedingt unterscheiden, der durchschnittliche
Outlook-Benutzer wird aber kaum auf Anhieb bemerken, dass sein Mail-Host von Exchange auf Groupwise
umgestellt ist.
Die Installationsroutine des Outlook Connectors deinstalliert übrigens einen eventuell
vorhandenen Groupwise-Windows-Client. Die beiden Lösungen vertragen sich nicht auf demselben
Arbeitsplatzrechner.
Die gute Unterstützung von Outlook passt natürlich zu der erklärten Absicht von Novell, einen
Teil der immer noch 40 Milli-onen Nutzer von MS Exchange 5.5 auf Windows NT zu einem
Plattformwechsel zu veranlassen. Die Umstände sind insgesamt günstig. Der Support von Exchange 5.5
läuft aus, und die Migration auf die neueste Version Exchange 2003 ist so aufwändig, dass sie mit
dem Wechsel auf ein völlig anderes E-Mail-Systems durchaus vergleichbar ist.
Attraktiv erscheint Groupwise 7 dabei insbesondere für heterogene Umgebungen, da es weitgehend "
plattformneutral" ist: Die Groupwise-Engine läuft funktional identisch auf Netware, MS Windows
Server und Linux. Jeder auf dem Markt erhältliche Client kann auf die Groupwise Engine zugreifen.
Für heterogene Umgebungen und Unternehmen, die sich mit Linux und Open Source anfreunden, stellt
Groupwise somit eine viel versprechende Option dar. Wechselwillige hören da gerne die Berichte über
die hohe Systemsicherheit von Groupwise (Uptime, Viren) und seine geringen Betriebskosten.
Die Verwaltung der Groupwise Engine erfolgt auch in der Version 7 noch immer mit Consoleone und
nicht mit dem Novell Imanager. Letzteres steht aber für das nächste Release auf dem Programm.
Generell kann der Administrator in der Version 7 sehr viel mehr Einfluss auf das Erscheinungsbild
der Clients beim Benutzer nehmen. So lassen sich zentral alle Werte festlegen, die der Benutzer bei
den Optionsgruppen
"Umgebung",
"Senden",
"Sicherheit" und
"Datum/Uhrzeit"
einstellen kann, wobei zwischen "Voreinstellung" und "unveränderlicher Einstellung"
unterschieden wird.
Die Einstellungen lassen sich in der bei Groupwise üblichen Weise für Domänen, Post Offices oder
einzelne Nutzer vornehmen. Zu ihnen zählen
Farbschema,
Verhalten beim Senden von Informationen,
Mail-Quota,
die Möglichkeit, globale Verteilerlisten für eigene Zwecke zu modifizieren
und vieles andere mehr. Auch der Group-wise Messenger 2.0, die Instant-Messaging-Lösung von
Novell, die auf der Novell-Website zum Download verfügbar ist und sich in den
Groupwise-Windows-Client integriert, wird über Consoleone verwaltet.
Für ein einfaches Groupwise-System ins-talliert der Administrator die folgenden vier Programme
(Agents) auf dem Server:
POA (Post Office Agent) regelt die Kommunikation mit den Datenbanken und
Verzeichnisstrukturen der Post-Offices.
MTA (Message Transfer Agent) übernimmt die Kommunikation zwischen
Groupwise-Domänen.
GWIA (Groupwise Internet Agent) ist für die Kommunikation mit dem Internet
zuständig.
Webaccess regelt die Kommunikation zwischen dem Post-Office und dem
Webclient.
Alle Agents haben in Groupwise 7 Verbesserungen in den Bereichen Performance, Ausfallsicherheit
und Funktionalität erfahren. So kann der POA beispielsweise nicht mehr nur 25 Message-Datenbanken
anlegen, sondern 255, wodurch sich die Auslieferung von Mails spürbar beschleunigt. Die
zukunftsweisendste Neuerung ist die Integ-ration von SOAP (Simple Object Access Protocol) in den
POA. Entwickler können damit die Möglichkeiten von Groupwise in beliebige Webanwendungen
integrieren.
Der Internet Agent bietet jetzt eingebaute Failover-Funktionen wie automatischen Neustart und
die Option, mehrere Internet Agents pro Domäne gleichzeitig zu betreiben. Wenn der primäre Agent
versagt, übernimmt der Failover-Agent. Auch die Behandlung von "X"-Feldern (zum Beispiel:
x-spamflag) im MIME-Header wurde verbessert: Es lassen sich jetzt so viele Strings definieren wie
nötig. Die Clients können ab Groupwise 7 nach beliebigen X-Feldern filtern und flexibel mit
zweifelhafter Mail umgehen.
Webaccess hat einen Document Viewer Agent erhalten, der sich auch von schwierigen
Konvertierungsproblemen nicht aus der Ruhe bringen lässt. Um Dokumente in Webaccess anzeigen zu
können, müssen diese in HTML konvertiert werden. In der Version 6.5 geriet Webaccess bei der
Konvertierung problematischer Datenkonstellationen manchmal in Warteschleifen oder blieb ganz
stehen.
Das Upgrade auf die Version 7 von Groupwise erweist sich in gewohnter Weise als problemlos: Die
Installationsprozeduren sind noch flexibler und benutzerfreundlicher geworden, und auch der
ungeübte Ins-tallateur kann kaum Fehler machen. Novell packt übrigens einen SLES 9 (Suse Linux
Enterprise Server) zu Groupwise 7 dazu und ermutigt so die Kundschaft, Groupwise auf Linux laufen
zu lassen. Man sieht, wohin der Zug fährt.
Das Testsystem wurde unter Novell OES Linux (SP1) auf einer Minimalkonfiguration installiert –
Pentium III, 450 MHz mit 256 MByte Speicher (FSC Scenic). Es entstand während des Testzeitraums
keine Notwendigkeit, die Hardware zu verbessern, die Leistung reicht für die Bedürfnisse eines
Kleinbetriebs offensichtlich aus. Da werden Erinnerungen wach an Zeiten, als Betriebssysteme noch
Betriebssysteme waren und keine Öltanker.
Mit Groupwise 7 hat Novell ihr Ziel erreicht, die robuste und performante Groupwise Engine
unterschiedlichsten Clients auf allen marktüblichen Betriebssystemen zur Verfügung zu stellen.
Groupwise 7 hat durchaus das Potenzial, die Oligarchie des Messaging-Markts durchzurütteln und die
Nutzerzahl von derzeit 36 Millionen zu erhöhen. Migranten von Exchange 5.5 und Standard-SMTP-Mail
können hier eine angenehme neue Heimat finden. Groupwise erscheint als Kollaborationssystem
prädestiniert für heterogene Umgebungen, die weit gehende Trennung von Engine und Clients eröffnet
viele Optionen. Auf jeden Fall ist Groupwise 7 deutlich anzumerken, dass die Entwickler sehr viel
Wert darauf gelegt haben, dem Benutzer das Leben leicht zu machen. Ausführliche Preisinformationen
finden sich auf der Produktwebseite des Herstellers.
Info: Novell Tel.: 0211/5631-0 Web:
www.novell.com/de-de/products/groupwise