Anwendungen aus der Steckdose
Neben der Virtualisierung von Servern, Arbeitsstationen oder der Anwendungsdarstellung (Presentation Virtualization mittels Terminalservern) stellt die Anwendungsvirtualisierung (Application Streaming) eine Methode der Bereitstellung zentraler Ressourcen dar. Sie verbindet die Vorteile der Virtualisierung mit denen lokal installierter Anwendungen. Eine der Lösungen kommt von Appstream.
Zu den bekanntesten Beispielen für Anwendungsvirtualisierung zählen Microsoft Softgrid, Citrix Application Streaming (als Teil des Presentation Servers) und die kürzlich von Vmware übernommene Thinstall. Weitere Lösungen sind Altiris SVS von Symantec sowie Appstream vom gleichnamigen Unternehmen. Im April hat Symantec Appstream ebenfalls übernommen und integriert die Lösung nun in das zunehmend umfangreiche Produktportfolio.
Appstream sendet Anwendungen als virtuelles Paket auf die Arbeitsstationen im Unternehmen. Die Verwaltung des Servers findet genau wie der Zugriff durch die Anwender per Webportal statt. Zur Verwaltung benötigt der Server daher keine Softwareinstallation. Allerdings wollen nicht alle Systemverwalter mit Weboberflächen arbeiten, da in vielen Fällen lokal installierte Verwaltungssoftware schneller und effizienter ist. Anwender arbeiten mit einmal gestreamter Software auf dem gleichen Weg wie bei der lokalen Installation. Der Vorteil ist, dass es nur ein Softwarepaket im Unternehmen gibt, das nur einmal gewartet sein will, aber jedem Anwender zur Verfügung steht. Selbst wenn die Netzwerkverbindung zum Server verloren geht, besteht die Möglichkeit, weiterhin mit einer gestreamten Software zu arbeiten, doch dazu später mehr.
Virtualisierte Anwendungen bieten alle Vorteile lokal installierter Applikationen, hinterlassen beim Beenden aber keine Spuren auf der Client-Maschine: Es gibt keine lokale Installation, keine Registry-Einträge und keine .ini-Dateien. Auch die Lizenzierung gestaltet sich einfacher, da Appstream protokolliert, wer wann im Unternehmen mit den einzelnen Anwendungen arbeitet, die der Server bereitstellt. Alles Notwendige für den Betrieb der virtualisierten Applikationen findet sich im Softwarepaket auf dem Server. Appstream erlaubt nur den Zugriff berechtigter Anwender und unterstützt Active Directory oder andere LDAP-Verzeichnisse zur Authentifizierung. Für die Steuerung der Benutzerrechte stehen daher auch herkömmliche Gruppen zur Verfügung. Systemverwalter können auf diesem Weg genau steuern, welche Applikationen die Anwender nutzen. Nicht benötigte Softwareinstallationen fallen weg.
Die Pakete speichert Appstream in einer eigenen Datenbank, die mit dem Server ausgeliefert wird. Auf Wunsch lässt sich der Datenspeicher aber auch ohne weiteres auf andere SQL-Datenbanken auslagern. Für das Streaming auf die Arbeitsplätze verwendet Appstream HTTP, die einzelnen Applikationen auf dem Server liegen am besten als MSI-Dateien vor. Die meisten MSI-Pakete benötigen keine erneute Paketierung oder Konventierung, sondern funktionieren problemlos mit Appstream. Natürlich muss der Administrator jede Anwendung mit ihren Einstellungen testen.
Da die Software derzeit eher im englischsprachigen Raum verbreitet ist, sind deutsche Hilfedateien oder Informationen im Internet sehr dünn gesät. Dies ist ein echter Nachteil der Lösung, da bei der Einrichtung und dem Betrieb solch komplexer Serverinfrastrukturen durchaus einige Hürden beim Streaming und der Softwarepaketierung zu überspringen sind. Ohne Unterstützung eines erfahrenen Appstream-Profis ist die Lösung kaum problemlos im Unternehmen einzubinden.
Wer Interesse hat, die Anwendung von Benutzerseite herzu testen, findet auf der Internetseite www.appstream.com eine Live-Demo. Diese Live-Demo benötigt Windows 2000, XP oder Windows Server 2003 und läuft nicht unter Windows Vista. Auch die Verwaltungsoberfläche von Appstream steht über die Webdemo nicht zur Verfügung. Unternehmen, die an Appstream interessiert sind, müssen bei Symantec oder einem entsprechenden Partner eine Teststellung beantragen.
Anwendungszugriff per Webportal
Steht der Server mit den Anwendungspaketen bereit, können Anwender die Applikationen über das Webportal starten. Diese Vorgehensweise ist sicher gewöhnungsbedürftig, da erst eine Anmeldung am Webportal erfolgt und Applikationen nicht über die Standardfunktionen von Windows wie zum Beispiel via Verknüpfungen oder das Startmenü zur Verfügung stehen. Dies ist aber Geschmacksache, da viele Unternehmen eher auf Webanwendungen setzen.
Nach dem Start einer Anwendung verhält sich diese aber wie jedes Windows-Programm, denn Appstream ist bei der Arbeit mit Applikationen für Anwender transparent. Der Vorteil bei der Arbeit mit der Weboberfläche ist, dass die Verbindung auch über Proxies und durch Firewalls hindurch funktioniert. Da der Zugriff über Browser stattfindet, müssen Anwender bei der ersten Verbindung zunächst eine Software installieren, die wiederum den Client für Appstream auf dem lokalen Rechner installiert. Neben dem Internet Explorer unterstützt die Anwendung auch Firefox und andere Browser.
Diese Vorgehensweise ist allerdings bei den hohen Sicherheitseinstellungen von Browsern im Unternehmen keine einfache Angelegenheit, da viele Meldungen erscheinen, die bestätigt sein wollen. Ungeübte Anwendern sollten den Client daher am besten per Softwareverteilung vorinstalliert erhalten. Die Installation des Clients selbst benötigt keine Einstellungen oder Bestätigungen. Daher ist die Softwareverteilung durchaus problemlos möglich, nur der Weg über den Browser ist aus unserer Sicht nicht effizient. Anwender können Applikationen auch über das Internet oder WAN-Leitungen per VPN oder HTTPS-Verbindung zum Beispiel von Heimarbeitsplätzen oder Niederlassungen aus starten.
Der Hersteller bezeichnet das Protokoll zur Übertragung der Pakete als Software Streaming Transfer Protocol (SSTP). Es basiert auf HTTP. Beim ersten Start einer Applikation überträgt Appstream nur so viele Daten, wie die Anwendung benötigt, um zu starten. Dies gewährleistet, dass Anwender nicht zu lange warten müssen, bis sie mit der Arbeit beginnen können. Im Hintergrund überträgt die Software dann weitere Daten, damit die Anwendung problemlos auf dem Client funktioniert.
Dabei nimmt Appstream darauf Rücksicht, welche Funktionen die Anwender nutzen, und streamt nur die dazu notwendigen Daten zum Client. Der Vorteil dabei ist, dass die Lösung keine Bandbreite verschwendet oder zu viele unnötige Daten überträgt.
Startet ein Anwender eine bereits gestreamte Applikation erneut, überprüft Appstream zunächst, ob auf dem Server neuere Daten liegen, und überträgt nur die geänderten Daten. Auch dies reduziert den Bandbreitenverbrauch, da nicht immer alle Applikationen erneut übertragen sein wollen. Vor allem Applikationen, mit denen Anwender regelmäßig arbeiten, starten so deutlich schneller. Der Server merkt sich, wie lange ein Anwender mit einer Applikation nicht mehr gearbeitet hat, und löscht nicht mehr benötigte Dateien nach einer gewissen Zeit vom Client.
Appstream unterstützt auch die Möglichkeit, einmal gestreamte Anwendungen offline zu nutzen. Außendienstmitarbeiter mit Notebooks oder Mitarbeiter in Niederlassungen, bei denen die Verbindung zu Zentrale ausfällt, arbeiten so mit einmal gestreamten Anwendungen weiter, auch wenn keine Verbindung zum Appstream-Server besteht. Sobald die Verbindung zum Server wieder zur Verfügung steht, überprüft Appstream, ob Anwendungen auf dem Client nicht mehr aktuell sind, und führt bei Bedarf im Hintergrund eine Aktualisierung durch. Auch diese Abläufe sind für Anwender transparent, da die Lösung bandbreitenschonend vorgeht.
Berichte und Lizenzierung
Ein wichtiger Punkt beim Einsatz der Anwendungsvirtualisierung ist die Lizenzierung. Da alle Applikationen unter Kontrolle des Streaming-Servers stehen, kann Appstream genau messen, wie die Anwendungen im Unternehmen zum Einsatz kommen. Es lassen sich detaillierte Protokolle erstellen, in denen ungenutzte Lizenzen hervorgehoben sind. Unternehmen benötigen nur die Anzahl Lizenzen, mit denen Anwender tatsächlich arbeiten.
Die Berichte stehen auch in grafischer Form zu Verfügung und bieten Vorgesetzten die Möglichkeit, regelmäßig den aktuellen Zustand der Lizenzierung und der Softwarenutzung im Unternehmen selbst abzufragen. Auch dazu dient das Webportal. Systemverwalter entlastet diese Möglichkeit deutlich, da keine umständlichen Berichte zur Softwaremessung oder Inventarisierung mehr notwendig sind. Die Berichte sind außerdem formatierbar und stehen allen Anwendungen offen, die ODBC unterstützen.
Appstream ist sicherlich eine interessante Lösung für die Anwendungsvirtualisierung. Die Bedienung und Verwaltung sind allerdings gewöhnungsbedürftig. Informationen zur Lösung sind im Internet sehr dünn gesät, was darauf schließen lässt, dass die Anwendung zumindest im deutschsprachigen Raum nicht sehr verbreitet ist. Betrachtet man Lösungen wie Microsoft Softgrid, gibt es deutlich mehr Informationen, Internetseiten und Unterstützung. Gerade das ist bei der Einführung von Virtualisierungstechniken wichtig, zumindest für Unternehmen, die nicht den ganzen Betrieb an einen Partner geben wollen, der sich damit auskennt. Unternehmen, die planen, ihre Anwendungen zu virtualisieren, sollten mehrere Lösungen testen und sich nicht auf die Herstellerversprechen verlassen. Dies gilt aber nicht nur für Appstream.
In Microsoft-lastigen Netzwerken ist Microsoft Softgrid durch die enge Integration in andere Microsoft-Produkte sicher eine interessante Alternative zu Appstream. Unternehmen, die eher auf webbasierte Applikationen setzen, finden an Appstream sicherlich Gefallen. Aufgrund des laufenden Einbaus von Appstream in das Symantec-Produktprotfolio sollte ein Unternehmen zunächst abwarten und klären, was mit der Software passiert. Ob Symantec die Lösung in andere Produkte integriert oder eigenständig belässt, ist keineswegs sicher.
Info: Appstream Tel.: 0044/1621/826-996 Web: www.appstream.com Web: www.symantec.com