Array spielt Bandlaufwerk

26. September 2007, 16:34 Uhr | Andreas Stolzenberger

Overland REO 9000 – Aus vielen Platten in S-ATA-Raid-Arrays erstellt die Storage-Appliance virtuelle Tape-Libraries mit simulierten 200-GByte-LTO-2-Laufwerken.

Der Kenner kann bereits auf den ersten Blick sagen, worum es sich im Groben bei der REO 9000 handelt. In der Front steckt jede Menge S-ATA-Platten, 24, um genau zu sein, und am Heck lassen sich deutlich drei Netzwerkanschlüsse und zwei FC-Ports ausmachen. Folglich muss im Inneren irgendeine Form von Raid-Controller werkeln, um aus S-ATA-Arrays FC- und iSCSI-LUNs zu bauen. Soweit stimmt die Vermutung, doch das allein kann es eigentlich nicht sein, schließlich kennt man Overland als Hersteller von Tape-Libraries. Bei näherer Betrachtung offenbart die REO ihre eigentliche Bestimmung: ein Virtual-Tape-Server, der komplette Bibliotheken über FC oder iSCSI simuliert.

Das vorliegende Testmodell adressiert die 24 Laufwerke über zwei 12-Kanal-S-ATA-Raid-Controller von AMCC (vormals »3Ware«). Pro Controller bleibt ein Drive als Hot-Spare reserviert, der Rest arbeitet in zwei Raid-5-Arrays mit fünf, respektive sechs Laufwerken. Die komplette nutzbare Kapazität von 4,5 TByte verwaltet die REO über einen logischen Volume-Manager. Dieser kann Volumes beliebiger Größe er- und über iSCSI oder FC als LUNs bereitstellen. Das ist aber nicht die Hauptfunktion der Storage-Appliance. Neben Disks virtualisiert die REO auch einzelne Bandlaufwerke. Als Streamer präsentiert das Gerät HP-LTO-2-Drives in das FC und/oder iSCSI-SAN. Die Simulation ist dabei so perfekt, dass selbst HP-eigene Tape-Tools die virtuellen Drives erkennen und samt virtualisierter Firmware präsentieren. Der Verwalter gibt dabei an, wie groß das Band innerhalb des Tape-Laufwerks sein soll und ob die REO die Banddaten komprimiert. Tapes können Speicher aus dem Plattepool dynamisch oder statisch belegen.

Das Hauptfeature der REO ist der virtuelle Library-Server. Neben einzelnen LTO-Laufwerken kann die Apliance auch komplette virtuelle Libraries erstellen – maximal 4 Bibliotheken mit 32 Laufwerken und 180 Cartridges. Als Roboter simuliert die REO dabei Overland-Medienwechsler. Auch hier versteht das Gerät es, die angebundene Software komplett hinters Licht zu führen. Veritas Netbackup 5 erkennt artig eine Overland-Bibliothek und benutzt diese mit den Software-eigenen Treibern. Lediglich mit den Tape-Treibern heißt es, ein wenig aufzupassen; hier empfiehlt Overland, nur die original HP-LTO-2-Treiber einzusetzen. Dank der flexiblen Konfiguration kann der Anwender die virtuelle Bibliothek so einrichten, dass er möglichst geringe Lizenzgebühren für die Backup-Software abführt. Verlangt ein Hersteller Geld pro Library-Drive, simuliert der Administrator eine Bibliothek mit einem Laufwerk und vielen Slots. Hängt die Lizenzgebühr von der Zahl der Slots ab, simuliert der Verwalter eine Bibliothek mit wenig Slots, großen Bändern und viel Drives.

Als Add-on-Feature kann eine REO den Inhalt einer VTL über eine WAN-Verbindung auf eine andere REO-Bibliothek spiegeln. Das ist eines der wesentlichen Features für große Unternehmen. Kleine REOs in Außenstellen nehmen lokale Backup-Daten auf und kopieren diese asynchron über das WAN auf eine große REO in der Zentrale, wo sie dann auf echte Tapes ausgelagert werden können.

Im ersten Test in den Real-World Labs Poing richtet Network Computing die REO mit drei virtuellen Tape-Libraries ein. Als Targets dienen verschiedene physische und virtuelle Windows-2000- und -2003-Server mit FC- und iSCSI-Adaptern oder dem MS-iSCSI-Initiator.

Ohne Probleme arbeiten »CA Arcserve 11«, »Veritas Net Backup 5« und »Backup Exec 10« mit den simulierten Bibliotheken. Alle Programme führen in der Geräteverwaltung sowohl den Changer als auch die Streamer als unterstützte Geräte auf und arbeiten ohne Komplikationen.

Im ersten, kurzen Test gibt es an der Funktion der REO nichts auszusetzen, wohl aber am Web-Interface und den Setup-Optionen. Zum einen lässt die GUI erweiterte Funktionen vermissen. So wählt das Gerät selbst aus, welche LUN-IDs die virtuellen Platten, Wechsler und Tapes bekommen – der Benutzer kann hier nicht eingreifen. Auch kann der Verwalter nicht einschränken, auf welchen physischen FC- oder iSCSI-Ports die virtuellen Geräte zur Verfügung stehen. Völlig spartanisch stellt sich die Auswahl der FC- oder iSCSI-Targets dar. Hier gibt es keine »Initiator im SAN suchen und aus einer Liste per Klick auswählen«-Funktion, nein: Der Verwalter muss beim FC sowohl WWNN als auch WWPN von Hand eintippen. Bei iSCSI gilt das entsprechend für den iSCSI-Namen des Initiators. Die REO merkt sich immerhin Namen und Nummern, die man schon einmal eingetippt hat. Allerdings teilt sich die Web-Konsole in zwei unterschiedliche Bereiche: VTL- und LUN-Manager unterscheiden sich in der Bedienung voneinander, und beide Teile – die von unterschiedlichen Entwicklern stammen – tauschen ihre Informationen über bereits bekannte WWNs und iSCSI-Namen nicht aus.

Fazit:
Nach dem ersten Test hinterlässt die REO-Appliance einen guten Eindruck in Sachen Funktion. An der GUI darf Overland aber noch weiter arbeiten. Das mag den einen oder anderen Tekkie nicht stören, da er nach dem ersten Setup ohnehin kaum mit der Web-Oberfläche arbeitet. Auf der anderen Seite liefen Anbieter von weitaus billigeren Geräten benutzerfreundlichere und bessere GUIs, so dass man als Anwender einen gewissen Web-Interface-Qualitätsstandard bei einem Gerät dieser Preisklasse einfach erwarten darf.

ast@networkcomputing.de


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Matchmaker+