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IEEE-802.11-Standards als Richtungsweiser

Baustellen der WLAN-Entwicklung

Wohin die Reise bei drahtlosen Netzen führt, legen die verschiedenen 802.11-Arbeitsgruppen des IEEE-Gremiums fest. Neben funktechnischen Basisdefinitionen, die beispielsweise Funkfrequenzen, Modulationsverfahren und Antennensteuerung beschreiben, geht es hier auch um Zusatzthemen wie Sicherheit, Servicequalität, Roaming-Verfahren und vieles mehr. Mit 802.11r etwa ist kürzlich die Endversion des Fast-Roaming-Standards veröffentlicht worden.

Autor:Stefan Mutschler/pf • 2.11.2008 • ca. 4:45 Min

Termine sind beim IEEE-Gremium eher nur als grobe Richtschnur zu werten - erfahrungsgemäß verschieben sie sich im Lauf der komplexen Koordinierungsprozesse des Öfteren nach hinten. Im vergangenen Jahr galt beispielsweise noch ein 2008-Termin für den von Anwendern und Industrie mit größter Sehnsucht erwarteten 802.11n-Standard, aktuell lautet die Planung "September 2009". 802.11n erlaubt durch Techniken wie MIMO (Multiple Input Multiple Output) sowie über eine Verbreiterung der Übertragungskanäle von 20 auf 40 MHz eine Steigerung der Übertragungsraten bis auf maximal brutto etwa 600 MBit/s (siehe auch separater

Beitrag ab Seite 70). Wird die Übertragungsrate nicht voll ausgereizt, lassen sich die Distanzen im WLAN vergrößern. Die Multiantennentechnik von MIMO macht die Verbindungen insgesamt auch stabiler. Unter dem Strich eröffnen sich durch die Übertragungseigenschaften von 802.11n zahlreiche neue Einsatzfelder wie etwa Sprache und Video.

Eine komplette Übersicht über alle IEEE-WLAN-Standards und deren aktuelle Zeitplanung inklusive der Draft-Releases findet sich unter

http://grouper.ieee.org/groups/802/11/Reports/802.11_Timelines .htm. Ein Teil der Arbeitsgruppen beschäftigt sich mit regionalspezifischen Standardisierungsproblemen - Funkfrequenzen, Kanalbreiten, erlaubte Sendestärken etc. sind in unterschiedlichen Gegenden der Welt verschieden geregelt und sind entsprechend zu berücksichtigen. Populärstes Beispiel für Europa war vor einigen Jahren der 802.11h-Standard für das 5-GHz-Band. Zu den spannendsten globalen Entwicklungen in jüngerer Zeit gehören - neben 11n - die 802.11-Projekte 11r, 11s, 11k und 11v, auf die im Folgenden noch genauer eingegangen wird.

802.11r: Fast Roaming

Roaming, also die Übergabe einer WLAN-Session von einem Access Point (AP) an den nächsten, beherrschen WLANs schon seit 11a/b/g. Fast Roaming (Fast Basic Service Set Transition), also die besonders schnelle Session-Übergabe, ist durch die Einführung der Sicherheitsfunktionen von 802.11i notwendig geworden. Diese benötigen umfangreiche Prozeduren für die Weitergabe beziehungsweise den Neuaufbau der Sicherheit über die Luft wie etwa erneute Authentisierung und Schlüsselgenerierung. Im Rahmen der ursprünglichen Roaming-Prozedur hat dies fatale Konsequenzen für den Echtzeitverkehr wie etwa Sprache (VoWLAN - Voice over WLAN): IP-Telefonate werden kurzfristig unterbrochen, oder die Verbindung bricht völlig ab. Nach mehr als vierjähriger Entwicklungszeit ist diese Hürde nun seit Ende August genommen. Spezielle Protokollerweiterungen auf MAC-Layer leisten den beschleunigten Aufbau und die Weitergabe der Sicherheitsbeziehung zum nächsten AP. So reduziert 802.11r beispielsweise die Client-Authentifizierung am Radius-Server auf einen einmaligen Vorgang. Dabei werden entsprechende Schlüssel im WLAN verteilt, die bei weiteren Wechseln zwischen den einzelnen APs eine schnelle Übergabe erlauben, ohne nochmals mit dem Radius-Server Rücksprache halten zu müssen. Der Austausch von Schlüsseln umfasst mit 802.11r die gesamte WLAN-Infrastruktur und nicht mehr nur eine einzige Domäne. Protokollerweiterungen sorgen bei 802.11r zudem dafür, dass zeitintensive Handshakes überflüssig werden.

Die Wi-Fi-Organisation hat angekündigt, möglichst bald umfangreiche Interoperabilitätstestprozeduren aufzusetzen. Große Eile dürfte allerdings kaum erforderlich sein, da die Hersteller den neuen Standard zunächst erst einmal in ihre Produktlinien einarbeiten müssen. Und dies ist insbesondere bei führenden Playern nicht sofort zu erwarten, haben sie doch das Thema längst über proprietäre Mechanismen gelöst - Cisco beispielsweise über ihr Centralized Key Management (CCKM). Auch andere Player wie zum Beispiel NEC haben für diese Aufgabe weitgehend proprietäre Lösungen, die sie zumindest nicht sofort aufgeben werden. Die Aufnahme von 802.11rZertifizierungstests erwartet die Wi-Fi für frühestens Mitte 2009. Wichtigster Check - neben der Interoperabilität der APs und Clients unterschiedlicher Hersteller - wird dabei die Messung der Zeitspanne für die Session-Übergabe sein: Maximal 50 Millisekunden sind erlaubt, soll der Gesprächsfluss nicht unterbrochen werden.

802.11s: Mesh Networking

Der Standard 802.11s stellt eine Art kumulative Spezifikation dar: Hauptzweck ist die Beschreibung der physischen Ebene und des MAC-Layers für vermaschte drahtlose Netzwerke. Er umfasst jedoch beispielsweise eine Weiterentwicklung des 802.11i-Standards für Sicherheit (rückwärtskompatibel) sowie ebenfalls an einigen Stellen verbesserte Spezifikationen des 802.11e-Standards für garantierte Servicequalität im Funknetz (ebenfalls zum Ausgangsstandard rückwärtskompatibel).

Vermaschte WLAN-Access-Points sind in der Lage, ohne Anbindung an ein Ethernet-Kabel direkt via Funk miteinander zu kommunizieren. Sie bieten damit eine gute Grundlage für neue WLAN-Architekturen wie so genannte Wireless Grids (engmaschige AP-Raster zur lückenlosen Funkabdeckung ohne AP-Verkabelung). Die vermaschten APs bilden untereinander ein ausfallsicheres Netz, da es keinen singulären Fehlerpunkt gibt. Fällt ein AP aus, übernehmen die nächstgelegenen APs die über ihn laufenden Verbindungsaufgaben von Clients. Die Technik bildet zugleich auch die Basis für Funktionen auf höherer Ebene. Der Hersteller Aerohive beispielsweise setzt sie ein, um so in die APs verlagerte WLAN-Controller-Funktionen in einem AP-Cluster zu verteilen. Aerohive hat für das auch als Wireless Distribution System (WDS) bekannte Meshing genau wie Cisco, Meru und zahlreiche weitere Hersteller ein eigenes Verfahren entwickelt. In der Regel basieren diese proprietären Meshing-Varianten auf vorhandener 802.11 a/b/g-Standardhardware sowie auf höheren Netzwerkebenen arbeitender Mesh-Routing-Software. Im Gegensatz dazu findet das Mesh-Routing bei 802.11s in der MAC-Schicht statt und verspricht von daher wesentlich bessere Effizienz, insbesondere auch in Hinblick auf Hardwareanforderungen und Energieverbrauch.

Aktuell arbeitet die bereits 2003 gegründete Task Group "s" schwerpunktmäßig an Verfahren der Netzwerkbildung und -erkundung sowie am Routing im MAC-Layer. Das erste Thema behandelt Probleme wie zum Beispiel die Art und Weise, wie neue Netzknoten sich an das Netz binden, die Erkundung von Nachbarschaftsbeziehungen der Knoten sowie Multi-Channel-Erkundung. Beim Routing gab es Mitte 2007 eine Einigung auf das zu verwendende Protokoll: Der künftige 11s-Standard wird hier nur das Hybrid Wireless Mesh Protocol (HWMP) zulassen.

Weitere WLAN-Entwicklungsstraßen

So wie 802.11s die beiden bereits verabschiedeten Standards 802.11i und 11e nochmals aufgreift, so hat auch 802.11k bereits einen den Europäern wohlbekannten Ahnen: 802.11h. Da nun im Kontext neuerer WLAN-Anwendungen die einst für die Europäer zum 11a-Standard gepackten Funktionen weltweit relevant werden, spezifiziert der zeitgleich mit 802.11r verabschiedete 11k-Standard eben diese Funktionen unabhängig von einem Basisstandard. Dabei geht es im Wesentlichen um TPC (Transmission Power Control) und DFS (Dynamic Frequency Selection) - beides Bausteine einer umfassenden Kontrolle der Funkressourcen. Darüber hinaus legt 802.11k eine Reihe von Messprozeduren für das Funkmodul fest: unter anderem "Beacon Report", "Frame Report", "Channel Load Report" und "Noise Histogram Report". Während 11k sich allein auf Messungen und Berichte konzentriert, soll 802.11v schließlich Schnittstellen für echtes Management eines WLANs von einer übergeordneten Managementinstanz bieten. Dazu werden die Messprozeduren aus 11k um Prozeduren zum Monitoring, zur Konfiguration und zum Update der WLAN-Clients ergänzt.

Im Moment existiert keine 802.11-Arbeitsgruppe, deren Projektvollendung für später als 2011 geplant ist. Zumindest nach augenblicklichen Vorstellungen sind somit alle geplanten technischen Entwicklungen in Arbeitsgruppen und Zeitpläne umgesetzt. Aber dies muss keineswegs so bleiben?