Blackberry und Obama ziehen ins Weiße Haus ein
Mit der heutigen Vereidigung von Barack Obama beginnt eine neue Phase der Elektroniknutzung im Weißen Haus. Allen Kritiken zum Trotz will Obama seinen Blackberry behalten - oder es schlimmstenfalls gegen einen anderen PDA austauschen. Auch sonst setzt der neue Präsident 2.0 auf den massiven Einsatz modernster Techniken.
Für die amerikanische Handy-Industrie beginnt heute ein neues Zeitalter. Barack Obamas
Blackberry-Sucht und die voraussichtliche Handy-Nutzung der Öffentlichkeit im Rahmen der
Vereidigung verschaffen den Herstellern und Providern eine unbezahlbare Werbung.
Verisign rechnet mit über 1,4 Milliarden SMS am Tag der Vereidigung – rund 600 Millionen mehr
als in der Wahlnacht. Marketing-Manager Michael Campbell erwartet aber keine Probleme: "Wir rechnen
für diesen Tag mit einem neuen Tagesrekord, aber wir werden alles hinbekommen", sagt er gelassen
über den zu erwartenden Ansturm.
Anders ist dagegen die Situation bei den Mobilfunk-Providern die vor einem Zusammenbrechen der
Infrastruktur zittern – denn die Blamage wäre weltweit. Schon seit Monaten investieren sie in
zusätzliche Basisstationen und Highspeed-Backbones.
Das Zittern ist begründet, denn alle großen US-Medien rufen schon seit Tagen die Bevölkerung zur
Nutzung ihres Kamera-Handys auf. CNN, ABC, NBC, die New York Times und andere große Zeitungen
bewerben gebührenfreie Telefonnummern, an die die zwei Millionen Teilnehmer der Zeremonie ihre
Bilder schicken sollen. Bei den heutigen Pixelwerten der Handy-Kameras kommen schon alleine dadurch
etliche GByte an Bandbreite zusammen.
"Falls die Prognosen über die Anzahl der Teilnehmer und deren Demografie zutreffen, wird es
unweigerlich zu deutlichen Verzögerungen kommen", meint Joe Farren, Sprecher des US-Verbandes der
Mobilfunk-Kommunikation. Mit seinem Hinweis auf die demografische Zuordnung meint er, dass
voraussichtlich vor allem junge Leute die Washington Mall und die Straßenränder der Pennsylvania
Avenue füllen werden. "Wir erwarten eine Art Wireless-Woodstock", so Farren.
Sprint-Nextel begann schon im vergangenen Sommer mit dem Ausbau der Infrastruktur. "Wir können
in diesem Gebiet jetzt bis zu 15 Mal mehr Teilnehmer gleichzeitig bedienen als vor einem Jahr",
schwärmt deren Sprecherin Tanya Lin.
Amerikas größter Provider, AT&T, hat über vier Millionen Dollar für den Netzausbau in der
Innenstadt von Washington investiert. Mit mobilen Einrichtungen soll vor allem der 3G-Service
entlang der Route von Obama verstärkt werden.
Auch im Internet rechnet man mit einem immensen Bandbreitebedarf. Vor allem Youtube, Facebook
und Twitter erwarten einen neuen Bandbreitenrekord. Hinzu kommt der ansteigenden Traffic auf den "
normalen" News-Seiten, wie CNN, NBC und ABC. Letztere überträgt nicht nur die gesamte Vereidigung
als Webcast sondern auch noch den ersten Ball, an dem Obama als Präsident teilnehmen wird.
Während die Techniknutzung den Millionen in Washington sowie den Millionen an den TV- und
PC-Schirmen viel Freude verursachen wird, kämpft die Hauptperson dieser Veranstaltung – Barack
Obama – den ersten ernsthaften Kampf gegen die Beamtenbürokratie, um seine eigene
Taschentechnologie weiterhin nutzen zu dürfen.
Schon seit Monaten wollen Sicherheitsbeamte Obamas Blackberry nicht ins Weiße Haus lassen. Zwar
hat sich Obama zunächst durchgesetzt und er plant, sein geliebtes Smartphone weithin sichtbar in
der Hand zu halten, wenn er das Weiße Haus am Dienstag betritt, doch damit ist die Diskussion
darüber noch lange nicht beendet.
Die Tech-Gegner verweisen vor allem auf die im Vorjahr gestohlenen Blackberrys bei hohen
Regierungsbeamten und dem über mehrere Jahre anhaltenden Verschwinden von Regierungs-Emails. Auch
die Situation vor wenigen Tagen, bei der Obama seinen Blackberry aus der Hand verlor und ein
Security-Beamter es aufheben musste, diente nicht der Beruhigung der Technikskeptiker.
Hinzu kommen die Berichte von Hackern, die in US-Kernkraftwerke eingedrungen sind und der
Dauerstreit zwischen den Parlamentariern und China, wonach die Volksrepublik Dauer-Cyberattacken
auf die USA ausüben soll.
Ein weitere Punkt ist das Archivierungsproblem: Alles was der Präsident schriftlich formuliert
muss laut Gesetz aufgehoben werden – also auch alle SMS, E-Mails und Instant-Messaging-Nachrichten.
Nach zwölf Jahren werden diese Informationen dann veröffentlicht.
Doch immer mehr Technik-Fans unterstützen inzwischen Obamas Technikwünsche. "Es wichtig, dass
der Präsident über ein elektronisches Kommunikationssystem verfügt, das ihn unmittelbar mit seinen
Mitarbeitern und seinen Ministern verbindet", sagt Hyun-Yeul Lee von der Boston University. Seiner
Ansicht nach ist es die Aufgabe der Technikbeamten dafür zu sorgen, dass diese Technologie so
sicher wie möglich genutzt werden kann.
Lee weist mit seiner Formulierung bereits den Weg zu einem vermutlichen Kompromiss, dass Obama
zwar ein PDA genehmigt bekommt – aber keinen Blackberry.
Die National Security Association (NSA), die für die Sicherheit der Mobilkommunikation innerhalb
der Regierung zuständig ist, hat bereits durchblicken lassen, dass sie auf keinen Fall einen
Blackberry genehmigen will. Schon seit Jahren lässt die NSA keine handelsüblichen Geräte für die
Übertragung von Top-Secret-Informationen zu. Nur individuell gefertigte Geräte von wenigen
vertrauensvollen Herstellen haben eine Chance. Diese Hersteller integrieren dann in die Geräte
spezielle Sicherheitsmaßnahmen, die ebenfalls "Top Secret" sind.
Gartner-Analyst John Pescatore – der selbst einst Secret-Service-Agent war – hält eine solche
Lösung ebenfalls für denkbar. "Ein solches Gerät für eine geschlossene Kommunikation innerhalb der
Regierung wäre sicher akzeptabel – er darf damit aber auf keinen Fall ins Internet", lautet seine
Warnung.
Sicherheitsexperte Bruce Schneier hält die Bedenken der NSA für übertrieben. "Die NSA wird stets
auf alle Sicherheitsprobleme hinweisen, aber sie wird niemals über die Vorteile dieser Geräte
sprechen; diese aber übertreffen die Risiken bei weitem.
Schon während seines Wahlkampfes hat Obama intensiv die neuen Techniken zur Kommunikation mit
der Bevölkerung genutzt – das soll auch nach seiner Vereidigung beibehalten werden. So ist ein Teil
der neuen Kommunikationsstrategie die Möglichkeit, dass die Bürger ihre Ideen und Wünsche online
posten können.
Hierzu hat das Transition-Team von Obama zusammen mit Salesforce eine Plattform auf der
Web-Seite Change.gov eingerichtet. Im so genannten Citizens Briefing Book kann jeder seine Ideen
und Wünsche posten, oder auch über andere Ideen abstimmen. Obamas Plattform erinnert sehr an Dells
Ideastorm und an Starbucks? Mystarbucksidea, die ebenfalls beide von Salesforce eingerichtet
wurden.
Damit in Zukunft auch möglichst viele Amerikaner diese Plattform nutzen, will Obama die
Breitband-Infrastruktur erheblich ausbauen. "Obama hat schon viele konkrete Projekte angesprochen,
mit denen die Breitband-Situation verbessert werden kann", sagt Scott Kessler, Analyst bei Standard
& Poor?s. Hierzu gehört vor allem der Ausbau in ländlichen Regionen und ein leistungsstärkere
Backbone für die US-Behörden.
Doch ob und wann das alles Wirklichkeit wird, hängt vor allem davon ab, ob es Obama gelingt, die
Wirtschaft – insbesondere die Hightech-Wirtschaft – schnell wieder flott zu bekommen. Laut der
Outplacement-Agentur Challenger, Gray & Christmas haben Amerikas Hightech-Schmieden im vorigen
Jahr 156.000 Stellen abgebaut. Auch in der ersten Januarwoche 2009 gab es entsprechende
Horrormeldungen, beispielsweise die Liquidation der Elektronik-Handelskette Circuit City, von der
34.500 Arbeitsplätze betroffen sind.
Harald Weiss/CZ