Der Abgang von Vmwares langjähriger Chefin und Mitgründerin Diane Greene beweist die große Nervosität des Virtualisierungsspezialisten, nachdem jetzt Microsoft mit Hyper-V, seinem Konkurrenzprodukt zu Vmwares ESX, zum Sturm auf den Marktführer geblasen hat.
Nach dem Microsoft seinen Hypervisor Hyper-V kürzlich freigegeben hat, überschlagen sich beim
Virtualisierungsprimus Vmware die Ereignisse. So hat man sich Hals über Kopf von der Mitgründerin
und bisherigen Chefin Diane Greene getrennt und dafür den Microsoft-erfahrenen Paul Maritz zum Chef
gemacht. Maritz war 14 Jahre bei Microsoft und fünf Jahre bei Intel. Jetzt wechselt er von dem erst
im Februar von EMC aufgekauften Startup Pi auf den Chefsessel von Vmware.
"Das Board von Vmware wünschte sich einen neuen CEO, der mehr Management-qalitäten mitbringt und
das Unternehmen auf eine neue Leistungsstufe bringt", gibt EMC-Chef und Vorsitzender des
Vmware-Boards Joe Tucci als Grund für den Managementwechsel an.
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Analysten und Marktteilnehmer sind jedoch uneins, ob eine derartige Hektik angebracht ist, denn:
"Vmware ist nach wie vor der Standard, wenn es um Virtualisierung geht, da kann weder Citrix noch
Microsoft heranreichen", so beispielsweise John Murphy, Chef von Advanced Systems, einem
Lösungsanbieter in Denver, Colorado.
Diane Greene scheidet fast auf den Tag genau zehn Jahre nach ihrer Gründung von Vmware aus dem
Unternehmen aus. Die Macht darüber hatte sie aber schon vor fünf Jahren abgegeben. Denn obwohl sie
als Mitgründerin, CEO und Präsident nach außen hin als alleinige Herrscherin wirkte, hatte in
Wirklichkeite EMC-Chef Tucci das Sagen.
EMC hält trotz des Börsengangs von Vmware einen Anteil von 85 Prozent, und die restlichen 15
Prozent, die an der Börse gehandelt werden, haben kein Stimmrecht. Das heißt, Tucci hat mit einem
Finanzanteil von 85 Prozent 100 Prozent Entscheidungsfreiheit.
Tucci befürchtet jetzt, dass es Vmware im Kampf gegen Microsofts Hyper-V genauso ergehen könnte
wie einst Netscape im Browser-Kampf. In der Tat gibt es viele Parallelen: Netscapes Mosaic kam viel
früher auf den Markt, Netscape war ebenfalls der "Standard im Webbrowsing", Netscape hatte
Marktanteile von über 80 Prozent, und auch der Leistungsumfang des ersten Internet Explorers (IE)
war weitaus geringer als der des Netscape-Browsers – trotzdem siegte am Ende Microsoft.
Vermutlich deshalb hat Tucci mit Maritz einen Manager auf den Vmware-Chefsessel befördert, der
zwar wenig Erfahrung mit Virtualisierung vorweisen kann, der sich aber sehr gut in der Geschichte
des Browser-Kampfes auskennt, denn es war Maritz, der den Internet Explorer zum Sieg über Netscape
durchboxte.
Für Yankee-Analyst Carl Howe wurde sogar die ganze Pi-Akquisition nur deshalb getätigt, um
Maritz an Bord zu holen: "Es ergibt doch für EMC überhaupt keinen Sinn, sich noch ein weiteres
Workflow-Unternehmen einzuverleiben. Der einzige Grund, der Sinn ergibt, ist die Akquisition von
Maritz, um danach Greene zu entmachten", so seine Einschätzung.
Ob aber Maritz‘ Erfahrungen für den Kampf mit Microsoft ausreichen, ist fraglich. Denn der große
Unterschied zum einstigen Browserkampf ist der, dass es diesmal keinen Dualismus gibt. "Der Markt
für Virtualisierung ist heiß umkämpft", sagt Andi Man, Analyst bei Enterprise Management
Associates.
Außer Vmware und Microsoft will sich auch Citrix mit seinem Xenserver eine ordentliche Scheibe
von diesem Markt abschneiden. Sun hat im Februar Innotek gekauft, ein Unternehmen, das mit seiner
Virtualbox ebenfalls eine Reihe an Virtualisierungsprodukten im Portfolio hat. Selbst Cisco und
Symantec haben schon angekündigt, dass sie sich auf diesen Markt stürzen werden. Und sie gehen das
geschickter an als Vmware, indem sie nicht von Servervirtualisierung reden, sondern von der
Virtualisierung des gesamten RZs.
Auch auf der Hardwareseite haben sich die Zeiten zu Ungunsten von Vmware verschoben. Intel und
AMD haben damit begonnen, Teile der Virtualisierung auf die Prozessorebene zu verlagern, was die
Arbeit für die neuen Hypervisors vereinfacht und damit Vmwares wesentliche Performance-Vorteile
eliminiert.
"Die Zukunft der Virtualisierung liegt in der Plattform. Der Xen-Hypervisor ist kostenlos und
wird von vielen Unternehmen angeboten. Microsofts Hyper-V ist bereits Teil von Server 2008, und
damit entfällt die Notwendigkeit einer umfangreichen separaten Infrastruktur, so wie sie Vmware
anbietet", sagt Gartner-Analyst Tom Bittman. Seiner Ansicht nach war es höchste Zeit, dass Greene
den Chefsessel bei Vmware räumt. "Sie war perfekt für die Zeit, in der es darum ging, eine
exzellente Technik zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Jetzt aber geht es für Vmware um
einen knallharten Konkurrenzkampf und um das Schmieden von wechselnden Allianzen."
Darüber hinaus hätte Vmware schon längst strategische Akquisitionen tätigen müssen, um das
Produktportfolio und die Dienstleitungen zu erweitern. "Managed-Services müssten schon längst ganz
oben auf deren Agenda stehen", so Bittman. Hierzu hätte Greene die Zeiten nutzen sollen, als der
Aktienkurs noch weit über dem heutigen Tiefpunkten lag und damit eine pralle Kriegskasse zur
Verfügung stand.
Im Milliardenpoker um Vmware liegt möglicherweise ein weiterer Grund für das Ausscheiden von
Greene. Denn schon bei der Übernahme von Vmware durch EMC im Jahr 2003 rätselten alle Experten über
die Synergieeffekte der beiden Unternehmen. Und die anschließende Freiheit von Vmware gegenüber EMC
festigten die Vermutungen, dass EMC nur einen Deal mit dem Virtualisierungsanbieter plane.
So sollen sich beide Unternehmen nach der Übernahme gegenseitig eine Behinderung der
Geschäftsinteressen vorgeworfen haben.
"Es gab schon seit einigen Jahren böses Blut zwischen Vmware und EMC", sagt Rachel Chalmers,
Analystin der 451 Group. Greene habe beklagt, dass man durch die Übernahme schlechter an HP, Sun
und IBM verkaufen kann, da diese Unternehmen in Konkurrenz zu EMC stehen. Tucci hingegen habe sich
sich beschwert, dass Vmware mit seinen Partnerschaften mit anderen Storage-Anbietern wie Compellent
Technology gegen die Interessen von EMC gehandelt habe.
Insider haben deshalb schon Ende 2006 über Spannungen zwischen Tucci und Greene berichtet, zudem
darüber, dass Tucci "schon bald die versteckten Werte von Vmware freisetzen möchte". Das Ergebnis
war dann ein spektakulärer Börsengang (IPO) im August 2007.
Schon im Vorfeld des IPOs überschlugen sich die Meldungen. Cisco und Intel sicherten sich große
Anteile an Vmware, und am IPO-Tag stieg der Kurs stundenweise um bis zu 80 Prozent. In den
folgenden drei Monaten katapultierte sich die Aktie von ihrem Ausgabekurs von 29 Dollar auf über
125 Dollar, was ein Plus von 331 Prozent war und einem Unternehmens-Marktwert von zeitweise über 46
Milliarden Dollar entsprach.
Doch die Kehrseite davon war, dass Vmware jetzt den Regeln der Börse unterlag. Spätestens nach
dem im vergangenen Januar erstmals die Vmware-Geschäftsergebnisse öffentlich diskutiert wurden,
krachte es endgültig zwischen Greene und Tucci.
Zwar konnte Vmware damals ein stolzes Wachstum von 80 Prozent vorweisen. Doch in einem
anschließenden Gespräch mit den Wall-Street-Analysten meinte Green, dass "das Wachstum des
Unternehmens bis Jahresende auf 30 Prozent fallen wird". Das war mit Blick auf den bevorstehenden
Einstieg von Microsoft sicherlich korrekt, aber Wall Street interpretiert einen schwächeren
Geschäftsausblick immer als zu optimistisch. Und so glaubten die Analysten, dass selbst 30 Prozent
noch viel zu hoch sein werde. Manche meinten sogar, dass Vmware bereits die Grenze des Wachstums
erreicht habe und nur noch im allgemeinen Branchentrend von um die zehn Prozent zulegen werde. Die
Folge: Der Kurs sackte an einem Tag von 83 auf 55 Dollar ab – ein Minus von 34 Prozent.
Vmware muss sich ganz schnell entscheiden, ob es als Spezialanbieter von Highend-Virtualisierung
nur noch in einer Nische operieren will, in der es an wenige Unternehmen seine Höchstleistungen
hochpreisig vermarkten kann, oder ob es sich auf das Systemmanagement verschiebt und damit bald
alle darunter befindlichen Hypervisor unterstützt. Hier wäre dann die Konkurrenz IBM Tivoli, HP
Openview sowie die Produkte von CA und BMC. Auf jeden Fall sind bei Vmware viel mehr Änderungen
erforderlich als nur ein CEO-Wechsel.
Harald Weiss/wg