Webgestützte Zusammenarbeit, intelligente Netze und das Prinzip "as a Service" werden die Entwicklung der IT-Branche und -Nutzung bestimmen, so Cisco-CEO John Chambers und -Deutschlandchef Michael Ganser auf der Cisco Expo, die am 29. und 30. April 2008 in Berlin stattfand und laut Veranstalter rund 3500 Teilnehmer anzog. Weitere Themen waren die vereinheitlichte Vernetzung von Servern und Storage im Data Center per "Unified Fabric" und die Umweltverträglichkeit der IT.
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Auch auf dieser Hausmesse beschworen führende Köpfe des Netzwerkausrüsters wieder die Bedeutung intelligenter Netzwerke für künftige Arbeits- und Lebensumstände: Ganser betonte die Bedeutung der "Phase II" des Internets - Ciscos Begriff für Web 2.0. Das "Internet Phase II" sei getrieben von den Verbrauchern und stehe damit im Zeichen von Collaboration (also webgestützter simultaner Zusammenarbeit). Dabei werde, so Ganser, Web 2.0 heute fälschlicherweise noch auf Social Communities à la Myspace reduziert. Die Entwicklung des neuen Fiat 500 sei ein Beispiel für Web 2.0 im Unternehmensumfeld: Fiat habe eine Collaboration-Plattform für Kundenanregungen errichtet und prompt über 170.000 teils detaillierte Designvorschläge für den neuen Kleinwagen erhalten.
Ciscos Argumentation zielte diesmal auffällig oft auf die öffentliche Hand: Es gehe nicht nur um die Transformation einer IT-Architektur, sondern um die des Geschäfts von Unternehmen und letztlich um die Modernisierung ganzer Länder. So liege Deutschland im internationalen Vergleich laut IWF in puncto "Network Readiness" nur auf Platz 16. Problempunkte seien der Ausbau der Breitbandinfrastruktur, die Nutzung neuer IT durch öffentliche Stellen sowie die Ausbildung. Hierzu verkündete Ganser die "Vision für Deutschland", in den hauseigenen Network Academies 100.000 neue CCNAs auszubilden.
"Es geht darum, wie wir in größeren Communities zusammenarbeiten", so auch Cisco-Chef und -Vordenker John Chambers. Collaboration sei damit der Schlüssel, um von der Globalisierung zu profitieren. Die Neuausrichtung des Internets auf Collaboration-Techniken werde bis zu 50-prozentige Produktivitätssteigerungen ermöglichen, wie einst zu E-Business-Bubble-Zeiten. Dies erfordere aber nicht nur technische Neuerungen, sondern einen Wandel in den Chefetagen: vom "Kommandieren und Kontrollieren" zum "Kollaborieren".
Cisco demonstrierte, wie man sich diese Kollaboration vorstellt: Anwender finden auf ihrem Desktop ein Portal vor, über das sie in verschiedene Projektkontexte einsteigen können. Zu jedem Projekt zieht sich der Mitarbeiter über Anwendungen, Widgets und Gadgets alle benötigten Tools und Informationsquellen zusammen und kann dann per Mausklick mit anderen Projektbeteiligten standortübergreifend kommunizieren und arbeiten. Wichtig dabei sei die möglichst einfache Bedienung (ein Klick zur Funktion), die Integration multimedialer Kommunikation (per Cisco-Tochter Webex), eine zentrale Kontaktdatenbank statt verteilter Pools und das Bluetooth-Roaming zwischen Endgeräten, zum Beispiel vom Mobiltelefon zum Arbeitsplatz: Das Gespräch läuft via Festnetz weiter, die Powerpoint-Datei wandert vom Handy- zum größeren PC-Display. Zudem soll es offene Schnittstellen zu Drittanwendungen, Google Gadgets und für das Customizing geben. "Wesentliche Teile" dieser Lösung will Cisco bereits in den nächsten zwei Jahren auf die Straße bringen.
Ein weiteres Thema auf der Expo war das Verschmelzen von LAN und SAN mittels einer "Unified Fabric", also einer gemeinsamen Infrastruktur, die FCoE (Fiber Channel over Ethernet) ebenso unterstützt wie verlustfreies Ethernet ("Lossless Ethernet") mit Layer-2-Congestion-Management und Fiber-Channel-artigem Multipathing, bei Cisco "Data Center Ethernet" oder DCE genannt. Produktseitig bietet Cisco dazu die
kürzlich vorgestellte Nexus-Switch-Familie (Nexus 7000, Nexus 5000) aus der Kooperation mit der jüngst geschluckten Nuova Systems. Laut Nuova-Marketier Rajan Panchanathan unterstützt Nexus bereits FCoE und DCE, wobei er einräumen musste, dass der FCoE-Standard erst 2009 kommen wird und sich die DCE-Bestandteile "in unterschiedlichen Stadien der Standardisierung" befinden.
Sehr stolz ist Cisco auf seine Telepresence-Lösung, die laut Chambers "zu 90 Prozent so effektiv ist wie ein persönliches Treffen". Künftig werden laut dem Cisco-Boss Telepresence- und Videokonferenzlösungen geräteübergreifend zusammenlaufen und per Multiplexing in eine einzige Telepresence-Konferenz einfließen. Dies ist aber noch Zukunftsmusik. Cisco-Partner BT verkündete zur Cisco Expo erst einmal, dass ab Herbst ein neuer Telepresence-Service für die Kommunikation zwischen Unternehmen (statt rein firmeninterner Konferenzen) verfügbar werde.
Telepresence ist über den Umweg der Reisevermeidung und damit Emissionsersparnis zudem ein wichtiger Baustein in Ciscos Green-IT-Story, um die sich der Netzwerkgigant auf der Expo auf diverse Weisen bemühte - wenn auch vor über 3000 persönlich anwesenden und oft per Flugzeug angereisten Teilnehmern. Es bleibt abzuwarten, ob Cisco seine Telepresence-Lösung zukünftig nicht auch dazu nutzen könnte, fünf oder sechs regional verteilte Kundenveranstaltungen zu einer virtuell landesweiten Expo zu bündeln. Dies wäre ein wirklich innovatives Hausmessekonzept und könnte den Bedarf für die Anreise per Flugzeug, aber auch per Bahn und PKW enorm reduzieren und so die Umwelt in Fällen wie einer Cisco Expo entlasten.
LANline/Dr. Wilhelm Greiner