IT-Abteilungen sind als "Kostenverursacher" unter Dauerstress geraten. Trotz gestiegener Benutzeranforderungen und erschwerter Rahmenbedingungen wie Hackerattacken ist das IT-Management zur Kostensenkung angehalten. Die Investition in automatisiertes Softwaremanagement kann zu dieser Aufgabe beitragen, wenn ein Unternehmen die richtige Lösung für seine individuellen Anforderungen wählt. Dieser Beitrag beschreibt eine Vorgehensweise, um aus der Angebotsvielfalt eine möglichst optimale Auswahl zu treffen.
Wer sich auf die Suche nach Tools für die automatisierte PC-Verwaltung begibt, trifft neben
vielen Anbietern am Markt auch auf deren zahlreiche, nicht standardisierte
Kategorisierungsbegriffe: Client-Management, Desktop-Management, Servermanagement,
Lifecycle-Management, Softwaremanagement, Systemmanagement oder Change-Management stellen nur eine
Auswahl dar. Sie alle beschreiben bestimmte Funktionen oder Funktionsgruppen und weisen zahlreiche
Überschneidungen auf. Wer einen dieser Begriffe einheitlich definieren will, um seine
Unternehmenslösung so zu finden, stößt schnell an Marketing-bedingte Grenzen der Anbieter. Mehr
Erfolg verspricht der Ansatz, von den eigenen gewünschten und benötigten Funktionen auszugehen und
diese individuell miteinander zu vergleichen. Das strukturiert die Evaluierung und macht sie
revisionssicher. Die einmal aufgesetzte Methode lässt sich später für andere Entscheidungen
wiederverwenden.
Ein kostenintensives Projekt, das langfristige Ergebnisse erzielen soll, hat einige
Vorüberlegungen verdient. Solange diese einem roten Faden folgen und zielorientiert bleiben, sind
die hierfür erforderliche Zeit und die aufzuwendenden Geldmittel auch berechenbar. Damit eine
Evaluierung ein fundiertes Ergebnis bringt, sollte ein Unternehmen die folgenden Arbeitsschritte
durchlaufen:
Analyse des Ist-Zustands (Was mache ich heute mit welchem Aufwand und
Ergebnis?),
Analyse des Soll-Zustands (Warum will oder muss ich etwas ändern? Wie soll das
Ergebnis aussehen?),
Definition der Shortlist (Welche zwei bis vier Anbieter entsprechen ersten
definierten Rahmenbedingungen?),
Erstellung einer gewichteten Entscheidungsmatrix (GEM) mit Vorstellung der
Anbieter,
Abgleich des Ergebnisses mit der Analyse des Soll-Zustands (Geht es mit dieser
Entscheidung wirklich in die richtige Richtung?),
Entscheidungsfindung.
Auch wenn die Hersteller Gegenteiliges behaupten, sind die angebotenen Suiten meist aus einer
starken Einzelfunktion heraus entstanden und kommen von einem bestimmten Zielmarkt. Es gibt
Produkte, die mit einer heterogenen und verteilten Struktur von mehreren tausend Geräten völlig
überfordert sind. Andere wiederum sind für das kleine Netz eines Mittelständlers absolut
überdimensioniert. Mit diesem Hintergrundwissen lässt sich für jedes Unternehmen sehr schnell eine
Vorauswahl der Anbieter (Shortlist) treffen. Ausgangspunkt könnten Suiten sein, die sich bei Bedarf
noch mit geeigneten Einzellösungen vervollständigen lassen. Für die faire Beurteilung eines
Anbieters sollte ein Unternehmen je nach Funktionsumfang mit zwei bis fünf Tagen rechnen.
Die Ergebnisse der ersten drei Arbeitsschritte bilden gleichzeitig die Vorbereitung für den
vierten Schritt: die Erstellung einer GEM. Sie ist heute ein gängiges Hilfsmittel für einen
strukturierten und individuellen Vergleich, der die verschiedenen Lösungen auf Kriterienebene
nebeneinander stellt. Allgemeine Marktübersichten, wie sie auch die LANline regelmäßig
veröffentlicht, dienen einer ersten Orientierung und einer möglichen Shortlist-Zusammenstellung. Im
Gegensatz dazu ist eine GEM individualisiert und unternehmensspezifisch. Hier vergibt das
Evaluierungsteam gemäß den eigenen Anforderungen Prioritäten und KO-Kriterien für einzelne
Kategorien und kann so das Ergebnis entsprechend beeinflussen. Die wichtigsten Regeln für die
Erstellung einer GEM fasst der nachfolgende Kasten zusammen.
Bezüglich der Anzahl zu betrachtender Anbieter und Funktionalitäten gibt es für den Umfang einer
GEM keine Regeln: Ein Unternehmen kann alle Anbieter testen, die Liste möglicher Funktionalitäten
kann sich über mehrere Seiten erstrecken. Der Aufwand sollte immer im Verhältnis zum Nutzen
betrachtet werden. Die einzig wahre, für die nächsten hundert Jahre gesicherte Entscheidung für
eine bestimmte Lösung wird es nie geben. Dazu sind der Markt und die Anforderungen zu schnelllebig
und variabel. Ein Zeithorizont von fünf Jahren ist aber realistisch. Kompetente Unterstützung bei
der Evaluierung und der Erstellung einer GEM bieten Systemhäuser, die sich auf dieses Thema
spezialisiert haben und die Stärken und Schwächen der angebotenen Produkte kennen.
Sind die Anbieter und somit die Spalten der GEM definiert, legt das Projektteam die Zeilen mit
den Kriterien fest. Als Themengruppen für die Auswahl einer Managementlösung bieten sich unter
anderem an:
Infrastruktur (Bandbreitenunterstützung, Datenbanksystem, Unterstützung
vorhandener Systeme und Standards etc.),
Plattformen (unterstützte Betriebssysteme),
Betriebssystemverteilung (Automationsgrad, PXE, Partitioning etc.),
Softwareverteilung (Offlineverteilung, regelbasierend, Push/Pull, Rechte
etc.),
Software-Self-Service (Warenkorbfunktion, Internetzugang, Sprachen etc.),
Unterstützung mobiler Anwender (Zuordnung des Standorts,
Bandbreitenmanagement, Internetzugang etc.),
Packaging (MSI-Unterstützung, Staging, Konfliktprüfung, Kompression etc.),
Inventarisierung/Asset-Management (Software, Hardware, WMI, Delta-Finder
etc.),
Patch-Management (Automationsgrad, Testzone, automatischer Workflow etc.),
Lizenz-/Nutzungsmanagement (Monitoring, Alarmfunktion, Grenzwerteingabe
etc.),
Übernahme der Endanwenderdaten (Sicherheit, Vorgaben, Vollständigkeit
etc.),
Remote Control (Internetzugang, Schnelligkeit, Flexibilität etc.),
Reporting (Internetzugang, Report-/Filtervielfalt, Exportfunktionen etc.),
Disaster Recovery (Backup, volle Systemwiederherstellung, lokale Kopien
etc.).
Schon die Menge der Themengruppen verdeutlicht, wie umfangreich eine Evaluierung werden kann.
Dies berücksichtigt noch gar nicht die einzelnen Funktionen. Dennoch sollte das Projektteam jedes
Thema und jede Funktion in Hinblick auf die Wichtigkeit für das eigene Projekt diskutieren. Nur so
können nicht relevante Themen und Funktionen entfallen, nur so lassen sich die für das Unternehmen
wirklich wichtigen Funktionen durch die verabschiedete Gewichtung betonen. Die GEM erweist sich
dann als echter Maßanzug.
Die Funktionen ergeben sich aus den Funktionslisten der einzelnen Anbieter, aus der eigenen
Umgebung sowie aus den Marktübersichten in den Medien. Die Beurteilung kann sich für Teams, die mit
diesem Thema noch nicht so vertraut sind, schwierig gestalten: Natürlich stellt jeder Anbieter
seine Realisierung der Funktionalität als die beste vor. Dabei einen sachlichen Überblick über das
Für und Wider zu behalten ist eine echte Herausforderung.
Zum Ausfüllen der GEM hat sich der Proof of Concept (Konzeptbeweis, kurz PoC) bewährt. Hier
implementieren die Anbieter in zwei bis vier Tagen anhand einer vorgegebenen Funktionsliste in
einer Testumgebung des Unternehmens ihre Lösung. Auf dieser Basis präsentieren sie dem
Evaluierungsteam die geforderten Funktionen und deren Realisierung live und in Farbe. Ergänzend zum
PoC sollte das Auswahlteam einen Referenzkunden pro Anbieter vor Ort besuchen. Der Zeitaufwand für
diese Vorgehensweise ist der Grund, wieso es im Vorfeld eine Shortlist geben sollte. Dieses
Vorgehen stellt aber auch sicher, dass die Lösungen einsetzbar sind und bereits bei anderen
Unternehmen ihre Aufgaben erfüllen.
Nicht zu vernachlässigen sind so genannte weiche Entscheidungsfaktoren. Denn komplexe Lösungen
sind nie allein technisch zu betrachten. Die Zusammenarbeit mit dem Hersteller oder seinen Partnern
bildet von der Implementierung bis zum Betrieb ein Erfolgsfaktor für das Projekt. Jeder kennt das
Bauchgefühl, das sich neben den harten Fakten Gehör verschaffen will und das häufig ein
wesentlicher Bestandteil einer Entscheidung ist. Es ist deshalb hilfreich, weiche Faktoren messbar
zu machen. Auch hier gilt die Regel "je mehr davon, desto besser". Bild 1 zeigt einige Beispiele
für messbare weiche Faktoren. Wie stark diese Faktoren in die Gesamtbewertung eingehen sollen,
lässt sich mithilfe der Gewichtung steuern.
Bei der Ermittlung der Kosten sind neben den reinen Lizenzkosten einige weitere Kostenarten zu
berücksichtigen. Beim Vergleich sollte ein Unternehmen darauf achten, dass die Lösungen die
gleichen Funktionalitäten abdecken. Beispielsweise muss das Team zum Lizenzpreis einer Suite, die
keine Übernahme der Benutzerdaten beinhaltet, ein entsprechendes Einzelprodukt hinzunehmen.
Außerdem sind folgende Punkte zu berücksichtigen:
Support-/Wartungskosten (bei einigen Produkten bereits für das erste Jahr im
Lizenzpreis enthalten),
Implementierungskosten durch externe Consultants,
Paketierungskosten (falls die Paketierung extern vergeben werden soll),
Schulungskosten,
Betriebs- und Optimierungseinsätze durch externe Consultants.
Die so ermittelten Kosten lassen sich gegen die erwarteten Einsparungen aufrechnen, die so
genannte ROI-Betrachtung (Return on Investment). Viele Hersteller bieten hier bereits
Rechenbeispiele an. Diese sind in einer idealen Welt gerechnet – mit der Prämisse, dass den
IT-Abteilungen schon genaue Kostenrechnungen vorliegen. Inwieweit das Evaluierungsteam diese ideale
Welt für sich annimmt oder hier ebenfalls Zahlenwerte individualisiert, hängt von den jeweiligen
Rahmenbedingungen ab.
Nach Gewichtung, Betrachtung und Bewertung aller Faktoren ist der große Moment gekommen: Die
individuelle Rangliste der getesteten Lösungen liegt vor. Eine Rückführung auf die
Ausgangssituation mit den formulierten Anforderungen stellt als letzte Prüfinstanz sicher, dass die
Betrachtung die Ziele erreicht und die Gewichtung keine ungewollte Verzerrung in das Ergebnis
gebracht hat. Gemeinsam mit der Kosten-/Nutzenbetrachtung liegt eine individuelle und doch
objektive Entscheidungsgrundlage vor, die nachvollziehbar und damit auch revisionssicher ist. Durch
Visualisierung mittels Excel lassen sich die Ergebnisse in den Managementetagen anschaulich
präsentieren (Bild 2).
Aber keine noch so perfekte Lösung kann out-of-the-box in einer komplexen Unternehmensumgebung
ohne definierte Arbeitsprozesse ihr Ziel erreichen: Wer bestimmt, welcher Anwender welche Programme
erhält, und wer, wie sie auf dem Bildschirm erscheinen sollen? Wie sieht der für das Unternehmen
geeignete Patch-Management-Workflow aus? In der Praxis machen Unternehmen häufig die Erfahrung,
dass dieser Aspekt aus Unwissenheit oder aus Zeitdruck keine Beachtung gefunden hat – und damit das
Projekt beinahe zum Scheitern verurteilt gewesen wäre.
Automatisierungslösungen folgen den Anforderungen des Unternehmens. Diese müssen dafür in
entsprechend verabschiedeter Form vorliegen. Erfahrene Dienstleister können auch hier mit dem Blick
von außen auf existierende und notwendige Prozesse den letztendlichen Erfolg bringen. Wenn ein
Unternehmen dann noch bei der Realisierung das große Bild nicht aus den Augen lässt, aber die
Lösung schrittweise Funktion für Funktion erfolgreich implementiert, steht einem Projekterfolg
nichts mehr im Wege.