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Einsatz drahtloser Kommunikation in der Industrie

Funk ergänzt Automatisierungsnetz

Wireless LAN ist heute im Büro- und Privatbereich bereits weit verbreitet. Die Vorteile der Flexibilität und der einfachen Installation sind unumstritten. Des Weiteren veranlasst der geringe Material- und Kostenaufwand viele Unternehmen dazu, industrielle WLANs auch in Produktionsanlagen einzusetzen.

Autor:Pascal Unterdorfer/jos Pascal Unterdorfer ist Produktmanager bei Hirschmann Automation and Control in Neckartenzlingen. • 17.11.2008 • ca. 6:00 Min

Inzwischen haben sich mehrere Standards herausgebildet, die jeweils auf bestimmte Branchen
zugeschnitten sind. Denn die Funktechnik bietet enorme Wachstumschancen, und im Sog von Bluetooth
und WLAN investieren namhafte Halbleiterhersteller in weitere Techniken.

So liefert Panasonic beispielsweise Zigbee-Module für die Gebäudeautomatisierung. Die
Marktbedeutung lässt sich an der Prognose des amerikanischen Marktforschungsinstitut In-Stat
erkennen, das für 2009 ein Marktvolumen von 150 Millionen Zigbee-Einheiten ermittelte. Natürlich
bestehen in der Gebäudeautomatisierung andere Anforderungen an eine drahtlose Verbindung als
beispielsweise in einer Produktionsanlage. Wenn man an die Steuerung von Jalousiemotoren oder
Dimmerregelungen von Beleuchtungen denkt, ist offensichtlich, dass sich die Datenmengen in Grenzen
halten und auch nur selten eine Datenübertragung stattfindet.

Allerdings sollte ein drahtloser Schalter auch wirklich drahtlos sein, also keinen Anschluss für
die Betriebsspannung benötigen. Um diese Anforderungen bemüht sich die Zigbee Alliance. Die
Leistungsaufnahme eines drahtlosen Schalters mit dieser Technik liegt so niedrig, dass er seine
Energie aus der mechanischen Schalterbetätigung beziehen kann. Darin liegt ein immenses
Einsparungspotenzial bei der Hausverkabelung. Ebenso vielversprechend sind Nanonet-Chipsätze und
Ultrawide-Band, womit Freescale USB-Verbindungen plant. Getrieben durch Multimediaanforderungen
werden auch bei den beiden führenden Techniken Bluetooth und WLAN ständig neue Fortschritte
gemeldet.

Einsatzgebiete von WLAN und Bluetooth

Durch die hohe Affinität zum kabelbasierenden Ethernet ist Wireless LAN die ideale Ergänzung in
lokalen Netzwerken. Es wird gleichsam zum Kabelersatz für mobile Anwendungen wie etwa fahrerlose
Transportsysteme oder zur Datenerfassung im Lagerbereich. Außerdem lassen sich auf diese Weise in
der Automatisierung auch Mess- und Steuerungsdaten übertragen. Denn die große Stärke von WLAN liegt
vor allem in der hohen Datenrate, die aktuell bei 54 MBit/s liegt. Proprietäre, also
herstellerspezifische Lösungen erreichen bereits 108 MBit/s. Der neue Standard IEEE 802.11n sieht
sogar Datenraten von bis zu 600 MBit/s vor.

Aber nicht nur die hohen Datenraten sind ausschlaggebend für den industriellen Einsatz von WLAN,
sondern auch die Reichweite einer Funkverbindung. Mit entsprechenden Antennen ist es heute schon
möglich, Reichweiten von über 15 Kilometern zu realisien. In den USA sind drahtlose
Datenverbindungen in ausgedehnten Anlagen bereits weit verbreitet, beispielsweise wird so
kostengünstig die Füllhöhe von Tanks übertragen. Auch dort, wo nur eingeschränkte oder gar keine
Sichtverbindung möglich ist, verspricht der neue Standard 802.11n ebenfalls eine deutliche
Stabilisierung der Datenübertragung. Durch die gleichzeitige Nutzung mehrerer Sende- und
Empfangsantennen nutzt man die in dieser Umgebung entstehenden Reflektionen dazu, die Übertragung
zu verbessern.

Eine weitere Möglichkeit, die Reichweite einer WLAN-Verbindung zu steigern, liegt im so
genannten TX Channel Width Support. Dabei lässt sich durch Verringern der Bandbreite eines Kanals
von 20 MHz auf 10 MHz oder 5 MHz die Sendeleistung erhöhen, was eine Steigerung der Funkreichweite
zur Folge hat. Da die effektive Leistung eines Kanals weiterhin über die Kanalbandbreite von 20 MHz
berechnet wird, gibt es auch keine Überschreitung des erlaubten Leistungsgrenzwerts; einziges Manko
ist die Reduzierung der übertragbaren Datenrate.

Bluetooth hingegen kommt vor allem dann zum Einsatz, wenn wenige Teilnehmer mit niedrigen
Übertragungsraten über einige Meter hinweg miteinander kommunizieren sollen, etwa beim
Konfigurieren oder Parametrieren einer Anlage über ein mobiles Handheld-Terminal. Da bei Bluetooth
kaum Konfigurationsaufwand besteht, wird diese Technik auch in Wireless-Sensor-Netzwerken
verwendet. Im Gegensatz zu Wireless LAN kann man mit Bluetooth jedoch kein Netzwerk zwischen den
Nodes aufbauen.

Koexistenz von Bluetooth und WLAN

Es liegt auf der Hand, dass man die jeweiligen Stärken der verschiedenen Funkverbindungen
miteinander kombinieren möchte, um für jede Aufgabe die richtige Lösung parat zu haben. Ein
kritischer Punkt bleibt allerdings der gleichzeitige Betrieb mehrerer voneinander unabhängiger
Funkstrecken wie etwa WLAN und Bluetooth im selben Frequenzband und am selben Ort.

Denn in der Praxis kann es bei den meisten breitbandigen Verbindungen zu wechselseitigen
Beeinträchtigungen kommen. Dies lässt sich nur dann ausschließen, wenn der Betreiber der Anlage
entsprechende Vorkehrungen trifft. Aus diesem Grund haben einige Hersteller von WLAN-Technik die
Nutzung des 5-GHz-Bandes in ihren Access Points/Clients integriert. So können nun beide Techniken –
Bluetooth im 2,4-GHz-Band und WLAN im 5-GHz-Band – gleichzeitig und ohne gegenseitige
Beeinträchtigung in derselben Umgebung arbeiten.

Ungünstige Bedingungen für elektromagnetische Wellen

Ob die Dateninformationen innerhalb einer bestimmten Zeit zuverlässig über die Funkstrecke
läuft, hängt aber ebenso vom räumlichen Umfeld der Verbindung ab. Allerdings weist gerade die
industrielle Umgebung häufig ungünstige Ausbreitungsbedingungen für elektromagnetische Wellen auf.
Denn fast überall sind Metallteile zu finden, die die Übertragungsstrecke stören oder unterbrechen
können. Genauer: Diese Teile reflektieren die Wellen, was zu Paketverlusten oder sogar zur
Auslöschung des Signals führt. Um die durch Interferenzen entstehenden Funklöcher auszugleichen,
sind die Empfangsgeräte inzwischen in der Regel mit zwei Antennen ausgestattet, die einen Abstand
von einer halben Wellenlänge aufweisen, sodass sich immer eine von ihnen außerhalb des Funklochs
befindet.

Zur Stabilisierung lassen sich WLAN-Netze darüber hinaus auch redundant aufbauen. So verfügen
viele der heutigen industrietauglichen Access Points über zwei unabhängige Funkschnittstellen, die
im 2,4- und 5-GHz-Bereich arbeiten können. Bei einer sorgfältigen Planung des Netzes mit dem Ziel
einer möglichst guten Ausleuchtung des Areals mit WLAN ist es so von vornherein möglich, die Zahl
der möglichen Probleme zu reduzieren.

Sicherheit im Wireless-Netzwerk

Zudem steht den Administratoren von WLAN-Netzen eine spezielle Management- und
Monitoring-Software zur Verfügung, um Probleme frühzeitig erkennen und beseitigen zu können. Dies
sind zugleich auch die Gründe, warum WLAN eine stetig zunehmende Akzeptanz in der Industrie
findet.

Zu Beginn der Entwicklung erfuhren die hohen Sicherheitsanforderungen gerade an die drahtlose
Datenübertragung eine stiefmütterliche Behandlung. Auch dabei hat sich inzwischen viel getan. Gemäß
dem IEEE-802.11i-Standard wird jede Verbindung mit einer AES-CCM-Verschlüsselung abgesichert.
Dieses Verfahren bietet eine Netzwerksicherheit auf dem Niveau der besten VPN-Tunnel. Zusätzlich
findet für jede neue Verbindung ein Key-Austausch statt.

Etwas aufwändiger ist die Verschlüsselung beim Einsatz einer 802.1x-Authentifizierung, denn dies
erfordert jedes Mal eine Rückfrage beim 802.1x-Server. Bei modernen Access Points sind diese
Verfahren häufig bereits integriert, sodass die Nutzung einfacher ist, als dies auf den ersten
Blick scheinen mag.

Aufbau eines vermaschten Netzes

Die Ansprüche an WLAN Access Points steigen nochmals, wenn man ein vermaschtes (meshed) Netz
aufbauen will, bei dem sich die Geräte untereinander automatisch zu einem redundanten und so
genannten selbstheilenden Netz verbinden, und zwar nach Möglichkeit ohne ständigen Eingriff des
Netzwerkadministrators. Dieser Fülle von Anforderungen, die schon für herkömmliche Access Points
eine Herausforderung darstellen können, stehen indessen Vorteile gegenüber, die den Einsatz der
Meshing-Technik in industriellen Netzen sehr interessant machen.

Denn das vorrangige Ziel, also die Erhöhung der Verfügbarkeit des WLAN-Netzwerks, ist schon
durch den Einsatz weniger Knoten erreichbar. Dabei reicht es im ersten Schritt aus, jedem Client
nur einen einzigen alternativen Pfad anzubieten. Gleichzeitig skaliert das vermaschte Netz mit der
Anzahl der Knoten, indem die hinzugefügten Access Points direkt die Leistungsfähigkeit erhöhen,
sodass auch die Zuverlässigkeit der Datenübertragung steigt.

Bevor dieses Szenario Realität wird, ist jedoch noch einige Entwicklungsarbeit zu leisten.

IEEE-802.11s-Standard in den Startlöchern

Dazu steht der kommende IEEE-802.11s-Standard in den Startlöchern. Jedoch lässt sich bereits
heute durch den Einsatz von statischen, WDS-fähigen (Wireless Distribution System) Access Points
mit einem Spanning-Tree-Protokoll vieles von dem erreichen, was mit Mesh-Netzen geplant ist. Dieses
so genannte Wireless Distribution System stellt eine Kombination von Punkt-zu-(Mehr-)Punkt- und
Client-Verbindungen dar. Der Aufbau ist jedoch nur statisch möglich. Auch sind die Umschaltzeiten
von Spanning Tree zu hoch, und eine Addition der Bandbreiten ist ebenfalls nicht möglich

Fazit: Durchgängigkeit und Öffnung der Prozesse gefordert

Wenn man die verschiedenen Funkstandards miteinander vergleicht, kommt man zu dem Ergebnis, dass
Bluetooth einfach zu konfigurieren ist und über kurze Entfernungen durchaus stabil läuft. Zigbee
(beziehungsweise der 802.15.4-Standard) wird weiterhin seine Berechtigung im "Low-Power"-Bereich
haben. Sobald man allerdings sicherheitskritische Netzwerke über größere Distanzen realisieren
will, kommt man nicht an der WLAN-Technik vorbei.

Letztendlich entscheiden jedoch die Anlagenbetreiber darüber: Sie erwarten eine kostengünstige
und zukunftssichere Lösung. Damit ein Wireless-Netzwerk einen hohen Investitionsschutz bieten kann,
müssen die Hersteller von Wireless-Technik allerdings ein umfangreiches Netzwerkmanagementsystem
anbieten.

Die Zukunftsperspektive ist allerdings alles andere als negativ: Mit Blick auf die nächsten
Jahre lässt sich schon heute erkennen, dass insbesondere die Wireless-LAN-Technik weiterhin rasant
in den Industriebereich vordringen wird. Die wesentliche Triebkraft für diese zu erwartende
Entwicklung ist die Durchgängigkeit der Kommunikation und damit die Öffnung der Prozesse.