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GlobalConnect über Schutz kritischer Infrastruktur

Unsichtbare Lebensadern: Europas Kabel im Fokus

Unterseekabel sind das Rückgrat der digitalen Welt. Über sie laufen 95 Prozent des globalen Datenverkehrs. Doch geopolitische Spannungen und hybride Bedrohungen machen sie verwundbar. Im Doppelinterview erklären Andreas Gerhardt und Patrik Gylesjö, wie GlobalConnect Europas digitale Souveränität stärkt.

Interview: Diana Künstler • 16.9.2025 • ca. 6:15 Min

Digital Highway Ocean
© GlobalConnect
Inhalt
  1. Unsichtbare Lebensadern: Europas Kabel im Fokus
  2. Internationale Perspektive, Standards und Ausblick

Ob Cloud-Dienste, internationale Finanztransaktionen oder sicherheitsrelevante Kommunikation – ohne leistungsfähige Unterseekabel wäre unsere digitalisierte Gesellschaft undenkbar. Sie bilden die stillen Lebensadern zwischen Kontinenten und sichern Europas Anschluss an die globale Datenökonomie. Doch Vorfälle wie die Sabotage an Nord Stream haben gezeigt, wie verletzlich diese Infrastruktur ist. Politik und Wirtschaft müssen sich der Realität stellen: Der Schutz physischer Netze ist längst eine Frage strategischer Resilienz.

Infrastrukturbetreiber GlobalConnect hat jüngst ein 800 Kilometer langes Unterseekabel durch die Ostsee verlegt und dabei modernste Sicherheitskonzepte umgesetzt. Im Gespräch mit connect professional erläutern CEO Andreas Gerhardt und Technikexperte Patrik Gylesjö, warum Kabelsicherheit geopolitische Relevanz besitzt, welche technischen Schutzmaßnahmen zum Einsatz kommen und welche politischen Weichenstellungen jetzt entscheidend sind.

Andreas Gerhardt, GlobalConnect
Andreas Gerhardt, CEO GlobalConnect Deutschland
© GlobalConnect

Strategische Bedeutung und aktueller Kontext

connect professional: Unterseekabel transportieren heute über 95 Prozent des weltweiten Datenverkehrs. Warum rücken sie gerade jetzt verstärkt in den Fokus öffentlicher und politischer Aufmerksamkeit?

Andreas Gerhardt: Unterseekabel sind das Rückgrat der globalen digitalen Kommunikation. In der aktuellen geopolitischen Lage rücken sie verstärkt in den Fokus, weil hybride Bedrohungen zunehmen und gezielte Sabotageakte – wie etwa die Vorfälle in der Ostsee im Zusammenhang mit Nord Stream – deutlich machen, wie verletzlich diese kritische Infrastruktur ist. Gleichzeitig wächst das Bewusstsein, dass Schäden an diesen Kabeln nicht nur regionale Auswirkungen haben, sondern globale Folgen für Internetzugang, Finanztransaktionen und sicherheitsrelevante Dienste nach sich ziehen können. Die Politik erkennt zunehmend, dass die physische Sicherheit digitaler Netze zur wirtschaftlichen und strategischen Resilienz Europas gehört.

connect professional: Wie bewerten Sie die Bedrohungslage für kritische Infrastruktur in europäischen Gewässern – insbesondere im Hinblick auf die aktuellen geopolitischen Spannungen?

Gerhardt: Die Bedrohungslage ist ernst zu nehmen. Die jüngsten Vorfälle in der Nord- und Ostsee haben verdeutlicht, dass kritische Unterwasserinfrastruktur wie Unterseekabel gezielt ins Visier genommen werden kann. Angesichts wachsender geopolitischer Spannungen sehen wir eine Zunahme hybrider Bedrohungen, bei denen staatliche und nichtstaatliche Akteure auf verdeckte oder asymmetrische Weise operieren. Diese Entwicklungen unterstreichen die Notwendigkeit koordinierter europäischer und transatlantischer Schutzmaßnahmen, insbesondere in sensiblen Regionen. Ein gemeinsamer, risikobasierter Ansatz – wie im EU-Aktionsplan zur Kabelsicherheit vorgesehen – ist daher essenziell, um die Resilienz grenzüberschreitender Netze zu gewährleisten.

connect professional: Welchen Beitrag leistet GlobalConnect zur digitalen Souveränität Europas, auch im Hinblick auf Resilienz, Redundanz und strategische Unabhängigkeit?

Gerhardt: GlobalConnect leistet als führender Anbieter digitaler Infrastrukturen in Nordeuropa einen zentralen Beitrag zur digitalen Souveränität Europas. Das Unternehmen betreibt ein hochmodernes Glasfasernetz, das länderübergreifend agiert, darunter auch kritische Unterseekabelverbindungen in Nord- und Ostsee. Durch gezielte Investitionen in zusätzliche terrestrische und maritime Datenrouten stärkt GlobalConnect die Redundanz und verringert die Abhängigkeit von einzelnen Leitungswegen – ein entscheidender Faktor für die strategische Resilienz.

Angesichts zunehmender hybrider Bedrohungen, wie sie zuletzt in der Ostsee sichtbar wurden, bringt sich GlobalConnect aktiv in den europäischen Dialog zum Schutz kritischer Infrastruktur ein – unter anderem im Rahmen der laufenden Kooperationen mit Behörden, Partnerunternehmen und EU-Initiativen wie der „Connected Europe Facility“ (CEF). Das Unternehmen unterstützt die Umsetzung des EU-Aktionsplans zur Kabelsicherheit und setzt sich für einen harmonisierten, risikobasierten Sicherheitsrahmen ein, der technologische Innovationen, frühzeitige Detektion und schnelle Reaktionsfähigkeit fördert.

Darüber hinaus begrüßt GlobalConnect ausdrücklich die verstärkte sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen der EU, dem Vereinigten Königreich und der NATO im Bereich Unterwasserinfrastruktur. Ein robustes, partnerschaftliches Vorgehen – insbesondere bei Überwachungs- und Schutztechnologien – ist essenziell, um sowohl zivile als auch militärische Kommunikationsstrukturen langfristig abzusichern. Als Infrastrukturbetreiber sieht sich GlobalConnect hier nicht nur als technischer Dienstleister, sondern als aktiver Partner im Aufbau eines widerstandsfähigen, geopolitisch unabhängigen digitalen Rückgrats für Europa.

Patrik Gylesjö, GlobalConnect
Patrik Gylesjö, Head of Tech & Delivery bei GlobalConnect Carrier
© GlobalConnect

Projektfokus: Das neue Ostsee-Unterseekabel

connect professional: GlobalConnect hat kürzlich ein 800 km langes Unterseekabel zwischen Skandinavien und Norddeutschland in Betrieb genommen. Welche strategischen Ziele verfolgt dieses Projekt?

Patrik Gylesjö: Mit dem neuen 800 Kilometer langen Unterseekabel verfolgt GlobalConnect das Ziel, die digitale Infrastruktur Europas langfristig zu stärken und zukunftssicher zu machen. Die Verbindung schafft eine leistungsstarke und direkte Datenautobahn zwischen Skandinavien und Deutschland – von Berlin über Bornholm, Öland, Gotland und Stockholm bis in den hohen Norden nach Luleå. Das Projekt trägt dazu bei, große Datenmengen sicher und effizient zwischen Nord- und Mitteleuropa zu übertragen.

Ein weiterer strategischer Aspekt ist die Erhöhung der Versorgungssicherheit: Das neue Kabel verbessert die Redundanz des Netzes und bietet eine zusätzliche Verbindungsebene, die Ausfälle kompensieren kann. Auch die digitale Teilhabe wird gestärkt – insbesondere in Norddeutschland, wo durch das Projekt künftig noch schnellere und stabilere Internetverbindungen bereitgestellt werden können. Der Bau war zudem mit großen sicherheitstechnischen Herausforderungen verbunden: Um das Kabel durch den Meeresboden führen zu können, mussten in der Nähe von Sassnitz rund 1.500 Quadratmeter von Munitionsresten aus dem Zweiten Weltkrieg geräumt werden.

connect professional: Welche technologischen Besonderheiten weist dieses neue Kabelsystem auf – etwa im Hinblick auf Übertragungskapazitäten, Latenz oder Netzredundanz?

Gylesjö: Das neue Unterseekabelsystem gehört zu den modernsten in Europa und bietet technologische Spitzenwerte: Mit einer Übertragungskapazität von 3.052 Terabit pro Sekunde ist es in der Lage, das Datenvolumen von bis zu 610 Millionen gleichzeitigen Netflix-Streams zu bewältigen. Im Vergleich zu herkömmlichen Glasfaserverbindungen – wie sie etwa in Haushalten eingesetzt werden – überträgt es bis zu drei Millionen Mal mehr Daten.

Auch bei der Latenz überzeugt die neue Verbindung mit äußerst kurzen Reaktionszeiten, was für zeitkritische Anwendungen wie Cloud-Services, Finanztransaktionen oder Rechenzentrumsverbindungen entscheidend ist. Zudem bildet das Kabel einen Ringschluss im Netz von GlobalConnect, der die Ausfallsicherheit und Redundanz deutlich erhöht. Damit leistet das Projekt nicht nur einen wichtigen Beitrag zur digitalen Leistungsfähigkeit Europas, sondern auch zur Widerstandsfähigkeit und strategischen Unabhängigkeit der Infrastruktur.

connect professional: Wie wurde der Schutz des Kabels bereits beim Bau und bei der Verlegung berücksichtigt? Welche sicherheitskritischen Designprinzipien kamen zum Einsatz?

Gylesjö: Ein modernes Glasfaser-Seekabel ist ein technisches Meisterwerk: In seinem Kern verlaufen haarfeine Glasfasern, sie sind nur einen Bruchteil eines Millimeters dick, die die Lichtsignale übertragen. Diese Fasern werden durch mehrere Schichten geschützt: Kunststoffe, Stahlpanzerungen und Bleimäntel sorgen dafür, dass Feuchtigkeit abgehalten, mechanische Belastungen abgefedert und elektrische Störungen minimiert werden. An besonders kritischen Küstenabschnitten werden die Kabel zusätzlich in Gräben im Meeresboden verlegt oder mit Sandsäcken und Betonelementen abgedeckt, um sie besser zu tarnen.

Schutzkonzepte und technische Sicherheitsmaßnahmen

connect professional: Welche technischen Schutzmaßnahmen setzen Sie ein?

Gylesjö: Wir setzen auf ein umfassendes, mehrstufiges Schutzkonzept.

Die erste Säule ist die Redundanz: Anstatt einzelne Kabel als „Single Point of Failure“ zu betreiben, werden Netze in Form eines engmaschigen, vermaschten Systems angelegt. Wenn ein Kabel ausfällt, kann der Datenverkehr automatisch über andere Leitungen umgeleitet werden. So wird die Wahrscheinlichkeit eines großflächigen Kommunikationsausfalls massiv reduziert

Die zweite Säule sind präventive bauliche Maßnahmen: Wo immer möglich, werden Kabel in tiefere Seeabschnitte verlegt, die für Schiffe unzugänglich sind. An küstennahen Stellen kommen massive Armierungen zum Einsatz, die dem Kabel zusätzliche Stabilität verleihen. Auch die genaue Planung der Routen spielt eine große Rolle: Vermessungsteams scannen den Meeresboden, um bekannte Gefahrenzonen – etwa Wracks oder Hangrutschungen – zu vermeiden.

Die dritte Säule ist unsere Fähigkeit, im Störungsfall schnell und effektiv zu reagieren. Wird ein Kabel beschädigt, registriert unser Network Operations Center den Vorfall umgehend – der Datenverkehr kann innerhalb von Sekunden umgeleitet werden. Die Wiederherstellung der physischen Verbindung erfordert jedoch spezialisierte Ressourcen: Die Kabelenden müssen vom Meeresboden geborgen und an Bord speziell ausgerüsteter Kabelschiffe repariert werden. Dies erfolgt mit Lagertanks, Seilwinden und präzisem Reparaturwerkzeug. Da es in der nordischen Region nur eine begrenzte Anzahl solcher Schiffe gibt, haben sich Reparaturen in der Vergangenheit oft über mehrere Wochen hingezogen. Als Reaktion auf aktuelle Entwicklungen hat GlobalConnect die Überwachung ihrer Unterseekabel verstärkt und ihre Verträge mit wichtigen Subunternehmern aktualisiert. Dadurch können Kabelschiffe schneller mobilisiert, Ausfallzeiten minimiert und die volle Kapazität so schnell wie möglich wiederhergestellt werden.

Ein Kabelbruch auf See ist schwieriger zu reparieren als an Land, aber nicht unmöglich – in der Regel dauert es einige Tage und kostet einige hunderttausend Euro. Wir sollten uns keine allzu großen Sorgen machen.

Insgesamt kommt Sabotage sehr selten vor – in den letzten 20 Jahren gab es weniger als fünf Fälle.

connect professional: Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit nationalen und europäischen Sicherheitsbehörden im Ernstfall?

Gylesjö: Die Verantwortung für die Sicherheit liegt dabei nicht allein bei einem einzelnen Betreiber, sie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Staat, Unternehmen, Forschung und internationale Partner müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die digitalen Lebensadern unserer vernetzten Welt stabil, leistungsfähig und sicher bleiben.

Nur durch eine Kombination aus baulicher Verstärkung, innovativer Technologie, eng abgestimmter internationalen Zusammenarbeit und einer stetigen Weiterentwicklung der Schutzmaßnahmen kann der Betrieb der Unterseekabel langfristig resilient abgesichert werden. Denn sie sind das unsichtbare Rückgrat unserer digitalen Gesellschaft und damit von unschätzbarem Wert.

Wir begrüßen dahe jede zusätzliche Unterstützung wie Subventionen, verstärkte Sicherheit und Überwachung, mehr Kabelschiffe in der Region und Produktentwicklung.