Stand der IEEE-802-Aktivitäten

LAN oder WAN, das ist die Frage

6. März 2008, 23:40 Uhr | Hans Lackner/pf Hans Lackner ist seit 1990 Voting Member im amerikanischen Normungsausschuss IEEE 802.3. Im Rahmen des Beratungsunternehmens Qoscom arbeitet er als Business Developer sowohl an Corporate Networks als auch am Thema Stadtnetze und Wimax.

Die IEEE-Projektgruppe P802, "LAN & MAN Standards Committee", beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren mit Standards für lokale und städtische Netze. 802.3, Ethernet, ist schon seit langer Zeit nicht mehr das wichtigste Produkt dieses amerikanischen Standardisierungskomitees. Die Wireless-Techniken haben die Regie übernommen. Wie sich auf der IEEE-Herbstkonferenz 2007 in Atlanta zeigte, sind beide Bereiche zudem dabei, den vorgegebenen Rahmen "LAN- und MAN-Standards" in Richtung WAN zu verlassen.

In der Ethernet-Gruppe dominieren die 100-Gigabit-Aktivitäten. Im Sommer letzten Jahres hatte
sich das Gremium darauf eingelassen, nicht nur die "Ethernet" Bandbreite von 100 GBit/s zu
unterstützen, sondern auch die "krummen" 40 GBit/s. Damit war der Weg für den Standard frei, aber
man hatte sich gleichzeitig eine Menge neuer Probleme geschaffen. Der Startschuss für die
Normierung (PAR – Project Authorization Request) fiel aber erst nach der Herbstkonferenz und aus
der HSSG (Higher Speed Study Group) hat sich nun 802.3ba, 40/100 GbE (Gigabit Ethernet),
entwickelt. Drei weitere Themen in 802.3 sind aktuell von besonderer Bedeutung:

802.3av, 10 Gigabit EPON (Ethernet Passive Optical Network) – Stichwort: "
Fiber to the Home",

802.3az, EEE (Energy Efficient Ethernet) – Stichwort: "Green IT" – sowie

802.3at, PoEPlus (Power over Ethernet Plus) für leistungsfähigere
Endgeräte.

Der Wireless-Bereich ist durch acht eigenständige Gruppen abgedeckt. Dazu zählt beispielsweise
die 802.11-Wireless-LAN-Gruppe: Deren wichtigstes Thema "802.11n", Higher Throughput, befindet sich
auf einem schwierigen Weg. Seit vier Jahren versucht die Gruppe den Standard zu definieren – leider
immer noch ohne Erfolg, das Fertigstellungsdatum musste wiederum um fast ein Jahr auf den Juli 2009
verschoben werden. Im Bereich der Personal Area Networks (PANs) ist die Arbeitsgruppe 802.15,
Wireless PAN, tätig, die sich nach ihrem Bluetooth-Erfolg verstärkt dem Thema UWB (Ultra Wide Band)
widmet. Im städtischen Bereich ist die Gruppe 802.16 BWA (Broadband Wireless Access) engagiert, die
auch schon eine umfangreiche Historie hinter sich hat: Ihr erster Standard 802.16-2002
konzentrierte sich auf reine Richtfunkverbindungen, blieb aber bedeutungslos. Mit dem zweiten
Standard 802.16-2004, "BWA stationär", gelang der Durchbruch. Zum Einsatz kommt dabei eine
OFDM-Technik (Orthogonal Frequency Division Multiple Access) zur Unterstützung von
NLOS-Verbindungen (Non Line of Sight) – also Kontakten ohne direkte Sicht. Aber erst der Standard
802.16e-2005, "BWA mobil", wird vermutlich den großflächigen Einsatz bringen. Er unterstützt
Mobilität, und Intel wird ihn wohl in ihre Centrino-CPU integrieren. Besondere Aufmerksamkeit
verdient im Wireless-Bereich die Gruppe 802.16m, Advanced Air Interface, die an höheren Bandbreiten
und einer besseren Ausnutzung der Frequenzbereiche arbeitet. Ein unmittelbares Konkurrenzthema zu
802.16e behandelt nun doch, nach Auswechslung der Führungsmannschaft, die schon "abgeschriebenen"
Gruppe 802.20, MBWA (Mobile BWA) – mit welchem Erfolg, wird die Zukunft zeigen.

Die Struktur von P802

Recht deutlich zeigt Bild 1 die Verlagerung des Schwerpunkts weg von Ethernet und hin zu den
Wireless-Techniken (blau gekennzeichnet). Insgesamt acht aktive Gruppen beschäftigen sich mit den
Wireless-Techniken, zwei davon sind TAGs (Technical Advisory Groups), Arbeitskreise, die allgemeine
Regeln für die Wireless-Gruppen vorgeben:

802.11, WLAN (Wireless LAN),

802.15, WPAN (Wireless Personal Area Network),

802.16, BWA (Broadband Wireless Access),

802.18, RRTAG (Radio Regulatory TAG),

802.19, COTAG (Coexistence TAG),

802.20, MBWA (Mobile BWA),

802.21, MIHS (Media Independent Handover) und

802.22, WRAN (Wireless Regional Area Network).

Umstritten ist nach wie vor die Gruppe 802.20, da sie mit "Mobile BWA" das gleiche Thema
behandelt wie 802.16e. Die Konkurrenz zwischen 802.16 und 802.22 ist hingegen geregelt: 802.22 wird
die 802.16-Techniken übernehmen, um den höchst interessanten Fernsehfrequenzbereich unter 1 GHz zu
bedienen.

Natürlich spielt Ethernet weiterhin eine wichtige Rolle, ist aber nicht mehr die dominante
IEEE-P802-Gruppe. Dies spiegelte sich besonders in den Teilnehmerzahlen der Herbstkonferenz wider –
für Ethernet interessierten sich nur noch zirka 150 der insgesamt 1300 Teilnehmer:

802.3, CSMA/CD (Carrier Sense Multiple Access with Collision Detection) – "
Ethernet".

Mit Architektur- und sonstigen Themen beschäftigen sich noch die folgenden Arbeitskreise – alle
anderen sind nicht mehr aktiv:

802.1, HILI (Higher Layer Interface) – "Bridging, Security and Architecture"
sowie

802.17, RPR (Resilient Packet Ring) – "Ethernet over SONET/SDH".

Die Schwerpunkte bei Ethernet

Der eigentliche Arbeitsschwerpunkt an Ethernet ist die Überarbeitung des mittlerweile unhandlich
gewordenen Standard-Werks mit seinen fünf Sektionen und über 1500 Seiten. In das neue Werk sind
fünf Standards zu integrieren. Dies ist die Arbeit der Gruppen 802.3REV, 802.3ax and 802.3ay. Sie
überarbeiten die fünf Sektionen des Standards (Bild 2). International gültig sind die ersten drei
Sektionen (blau gekennzeichnet). 10 Gigabit Ethernet und EFM (Ethernet in the First Mile) liegen
zwar nur als amerikanische Standards vor, sind aber für uns Europäer deswegen nicht weniger
verbindlich. Zur Überarbeitung gehört ebenfalls, dass folgende, bisher getrennt veröffentlichte
Standards integriert werden (die Zahl am Ende der IEEE-Bezeichnung gibt jeweils das Jahr der
Veröffentlichung an):

802.3af-03, DTE Power – Power over Ethernet,

802.3an-06, 10GBase-T – 10 GBit/s über Cat-6/7-Kabel,

802.3ap-07, 1/10 GbE Backplane,

802.3aq-06, 10 GbE über Multimode-Verkabelung sowie

802.3as-06, Frame Format Extension.

Zur Überarbeitung zählt zudem die Übergabe der LAG-Funktion (Link Aggregation – unter Gigabit
Ethernet veröffentlicht) an 802.1. Diese Aufgabe hat die Gruppe 802.3ax übernommen. 802.3ay, MEC
(Mandantory Editorial Corrigendum), wiederum übernimmt die Aufgabe, die existierenden Standards
gemäß den heute vorliegenden Richtlinien zu überarbeiten. Diese Arbeit vollzieht sich eher im
Hintergrund und hat mit der technischen Weiterentwicklung wenig zu tun. Die Gruppe 802.3ar,
Congestion Management, befindet sich in einem Patt, das auch in Atlanta nicht aufgelöst werden
konnte: Interesse an diesem Thema besteht keines mehr, aber eine Auflösung scheitert an der
75-Prozent-Klausel der IEEE. Auf jeden Fall ist das dahinter stehende Thema "Quality of Service"
offenbar nicht sehr beliebt bei 802.3 – Bandbreite ist alles.

Entwicklungen bei IEEE 802.3

Die technische Weiterentwicklung von Ethernet hat aktuell vier Schwerpunkte:

802.3at, DTE Power Enhancements: Zwar wurde der Standard 802.3af, DTE Power,
erst im Jahr 2003 veröffentlicht, dennoch ist die dort definierte Stromstärke schon heute veraltet.
Daher arbeitet diese Gruppe an Erweiterungen zu 802.3af. Der neue Standard 802.3at PoEPlus (Power
over Ethernet Plus) soll kompatibel sein zum existierenden und 30 Watt liefern. Mit dem Abschluss
der Normierung ist noch in diesem Jahr zu rechnen.

802.3av, 10GEPON (10 Gigabit Ethernet Passive Optical Network): Dies ist eine
Erweiterung von 802.3ah, EFM (Ethernet in the First Mile). Letzterer, im Jahr 2004 verabschiedeter
Standard definiert mit Gigabit EPON eine Technik, die nun um eine 10-Gigabit-Variante erweitert
werden soll. Zwischen einer zentralen Vermittlungsstelle und dem Netzwerk beim Anwender ist ein
Verteilernetzwerk zu spezifizieren, das bis zu 32 Haushalte über eine Glasfaser mit 10 GBit/s
versorgt. Motiviert ist die Entwicklung durch neue Dienste und Anwendungen, die mehr Bandbreite
benötigen, wie etwa HDTV (High Definition TV) oder LSDI (Large Scale Digital Imagery): "FTTH"
(Fiber to the Home) ist derzeit der große Run – nicht nur in den USA.

802.3az, Energy Efficient Ethernet: Brandneu ist die Arbeitsgruppe 802.3az,
die sich dem aktuellen Thema Energieeinsparung stellt. Begonnen hatte die Aktivität im März
vergangenen Jahres und bereits in November wurde die Entwicklung gestartet. Der explosionsartig
wachsende Netzwerkbereich kann einen wesentlichen Beitrag zum Energiesparen leisten. Die Idee
besteht darin, eine Leitung auf "Low Power" zu schalten, wenn kein aktueller Übertragungsbedarf
vorhanden ist. Diese "Low-Power"-Schaltung lässt sich durch eine Verringerung der
Übertragungsgeschwindigkeiten bis hin zu null erreichen.

802.3ba, Higher Speed Study Group: Die größte Aufmerksamkeit erregte auf der
IEEE-Herbstkonferenz in Atlanta die "Higher Speed Study Group" (HSSG). Sie hatte sich im Sommer
letzten Jahres darauf geeinigt, dass neben der Ethernet-Geschwindigkeit von 100 GBit/s auch 40
GBit/s in den Standard aufgenommen werden soll. Der vorangegangene Bandbreitenstreit hatte den
Startschuss für diese Gruppe lange verzögert. Ob der Kompromiss eine gute Entscheidung war, wagt
der Autor zu bezweifeln. Auf der einen Seite lässt sich "40 GBit/s" heute durch WDM-Techniken
(Wavelenght Division Multiplexing) erreichen – es besteht also gar kein Normierungsbedarf. Auf der
anderen Seite verkompliziert "40 GBit/s" den Standard, sodass es zwangsläufig zu Verzögerungen bei
der Verabschiedung kommen muss. Eine kleine Sensation in Atlanta war, dass sich eine "Copper"
-Gruppe bildete, die die Übertragung von 100 GBit/s über Kupfer vorgeschlagen hat. Immerhin konnte
eine Ausarbeitung die Realisierbarkeit einer Kupferlösung für 100 GBit/s über die Länge von 100
Metern nachweisen.

Entwicklungen im Wireless-Bereich

Im Funkbereich arbeiten acht Gruppen an mehr als 25 Projekte eng zusammen. Die Hauptaktivitäten
liegen nach wie vor bei 802.11. Dieser mittlerweile überaus erfolgreiche WLAN-Standard enthält
bereits eine Menge interessanter und viel genutzter Funktionen wie unterschiedliche
Geschwindigkeiten (802.11a und 802.11g), Sicherheitsfunktionen (802.11i) und QoS-Funktionen
(802.11e).

Das Grundwerk (in Bild 3 blau gekennzeichnet), das auch von der ISO (International Standards
Organisation) unter der Bezeichnung 8802-11 normiert wurde, ist inzwischen technisch veraltet, da
es lediglich die 1-bis-2-MBit/s-Techniken enthält. In den amerikanischen Standard von 2003 sind die
heute verwendeten Techniken eingearbeitet: 802.11b (11 MBit/s, 2,4 GHz) und 802.11a (54 MBit/s, 5
GHz). In Deutschland kommt 802.11a pur kaum zum Einsatz, da der Standard erst mit der Erweiterung
802.11h für den hiesigen Gebrauch legal wurde. Die bei uns am häufigsten verwendete
Highspeed-Technik 802.11g ist noch als separater Anhang veröffentlicht. Das gleiche gilt für die
wichtige Sicherheitsfunktion 802.11i, die den eigentlichen Durchbruch der 11er-Technik bewirkt
hat.

Mit diesen Standards ist die Entwicklung von WLANs noch lange nicht am Ende. Mit neuen,
allgemeinen Erweiterungen beschäftigen sich folgende Gruppen:

802.11k, Radio Resource Measurements of WLANs: Diese Gruppe beschäftigt sich
mit der Planung von Wireless-Netzen. Sie soll dem Anwender Methoden an die Hand geben, mit denen
dieser eine exakte Planung seines Netzes vornehmen kann. Insbesondere sind die dazu benötigten
Messmethoden zu definieren.

802.11mb, Accumulated Maintenance Changes: Bereits das Projekt 802.11m hat
Fehler und Ungenauigkeiten in der existierenden Norm korrigiert. 802.11mb führt diese Aktivitäten
weiter und soll insbesondere Klarstellungen für verschiedene Ungenauigkeiten geben.

802.11u, Interworking with External Networks: Diese Arbeitsgruppe schließt
eine Lücke in den Wireless Networks, die für die Akzeptanz der Netze von erheblicher Bedeutung ist.
Bis heute existiert keine Empfehlung, wie 802.11 zum Beispiel mit 802.3 zusammenarbeitet. Diese
Arbeitsgruppe hat aber nicht nur das interne Interworking im Auge, sondern beschäftigt sich auch
mit der Zusammenarbeit bezüglich 802-fremder Techniken wie etwa UMTS.

802.11v, Wireless Network Management: Das Thema Netwerkmanagement wird – wie
so oft – recht stiefmütterlich behandelt: Erst vor kurzem hat sich im Wireless-Bereich eine
Projektgruppe gebildet, die sich dieser überaus wichtigen Funktion annimmt.

802.11w, Protected Management Frames: Besonderen Schutz müssen
Management-Frames genießen, damit sie auch dann noch ans Ziel kommen, wenn das Netzwerk, das sie
steuern sollen, Probleme zeigt. Dazu definiert 802.11w spezielle Verfahren zum Schutz der
Managementinformation.

802.11y, 3,5-bis-3,7-GHz-Funkbetrieb in den USA: Einen Ausweg aus der
2,4-GHz-Misere steht zumindest den Amerikanern ins Haus. 802.11y definiert die Nutzung eines
weiteren Bands im Bereich von 3,5 bis 3,7 GHz, das Entlastung für das 2,4-GHz-Band bringen soll.
Für Europa ist dies sicher keine Lösung: In Deutschland ist das 3,5-GHz-Band als lizenziertes
Wimax-Band in Gebrauch, und "3,7 GHz" wird bereits als entsprechendes Erweiterungsband
gehandelt.

Erweiterungen der physischen Interfaces

802.11n, High Throughput: Dieses Projekt ist von großer Bedeutung und sollte
eigentlich längst abgeschlossen sein. Viele Hersteller bieten daher bereits höhere Bandbreiten für
ihre WLANs an, was die Normierung allerdings noch schwieriger gestaltet. Nachdem bereits 2005 der
Durchbruch geschafft schien, um bis 2007 den Standard verabschieden zu können, türmen sich nun doch
weitere Berge auf. Zwar ließ sich die Zahl der Einsprüche von 10.000 bei Draft 2.0 auf zirka 1000
bei Draft 3.0 reduzieren. Dennoch bleibt genügend Arbeit, sodass jetzt mit einer Verabschiedung
nicht vor Juli 2009 zu rechnen ist.

802.11p, Wireless Access for Vehicular Environments: Diese Gruppe behandelt
das Thema Mobilität und untersucht Verfahren für die Übertragung aus schnell bewegten Objekten.
Auch dieses Projekt behandelt Konkurrenzverfahren zu UMTS, das den heutigen Anforderungen in Autos
oder Zügen nicht unbedingt gerecht wird.

Erweiterungen des MAC-Interfaces

802.11r, Fast Roaming: Dieses Projekt untersucht schnelle Übergabeprozeduren
zwischen einzelnen Funkzellen (Basisstationen) und betrifft ebenfalls das Thema Mobilität. Auch
dort spielen die Unzulänglichkeiten von UMTS indirekt eine Rolle.

802.11s, Mesh Networks: Diese Thema behandelt grundlegend neue Netzstrukturen.
Die heute typische Hub-Struktur wird sich in Zukunft auflösen, und die einzelnen Netzteilnehmer
werden ein großes vermaschtes Netz bilden. Daraus ergeben sich interessante neue Anwendungen, die
mit heutigen Netzen nicht realisierbar sind. Allerdings steigen auch die Sicherheitsanforderungen
in solchen Netzen.

802.11T, Wireless Performance Prediction: Dieses Projekt will das
Performance-Problem bei der Verwendung lizenzfreier Bänder angehen und durch Verwendung
unterschiedlichster Techniken in den Griff bekommen. Andere Funktechnologien wie Bluetooth streiten
sich mit 802.11 um das gleiche Band, und es ist bisher kaum planbar, wie ein WLAN in dieser
Situation reagiert.

IEEE 802.11 Study Groups

Zu genannten aktiven Arbeitsgruppen kommen noch drei "Studiengruppen", also Gruppen, die eine
Normierung vorbereiten, aber noch keinen Normierungsauftrag erhalten haben:

802.11QSE SG, Quality of Service Enhancements: Das Thema "Quality of Service"
(QoS) ist – wieder einmal – auf der Strecke geblieben: Die Studiengruppe 802.11 QSE, die sich um
QoS im WLAN kümmern sollte, hat ihre Arbeit wegen mangelnden Interesses eingestellt, nicht wegen
fehlender Notwendigkeit.

802.11VHT SG, Very High Throughput: Ganz anders sieht es in der Arbeitsgruppe
802.11VHT aus. Dort existiert sehr großes Interesse. Das Projekt setzt zu einem "Höhenflug" an und
könnte die 802.11n-Gruppe überholen. Ziel ist es, Wireless Gigabit Ethernet zur Verfügung zu
stellen.

802.11VTS SG, Video Transmission Streams: Die Übertragung von Videoströmen
über WLANs stellt ein Thema dar, das in enger Zusammenarbeit mit 802.1 behandelt wird. Das
absehbare Problem: Wirklich funktionieren kann eine solche Technik nur, wenn entsprechende
QoS-Funktionen vorhanden sind – aber an diesen besteht bei 802.11 nur geringes Interesse.

Personal Area Networks (PANs)

Das Thema WPAN (Wireless PAN) beschäftigt sich mit der Verbindung von tragbaren Computern. Viele
Anwendungen sind heute ohne solche mobilen Geräte nicht mehr vorstellbar. Als Basisstandard hat
IEEE 802.15.1 im Jahr 2002 den internationalen Bluetooth-Standard übernommen. 2005 erhielt dieser
die jetzt gültige Fassung. Die Erweiterungen 802.15.2 bis 802.15.4 kamen 2003 hinzu. Jetzt geht es
um die Ausstattung dieser Standards mit zusätzlichen Funktionen:

802.15 TG3, High Rate: Diese Gruppe erweitert den Geltungsbereich der
WPAN-Spezifikation auf Techniken mit höheren Bandbreiten. Im Gespräch sind Bandbreiten im Bereich
von 11 bis 55 MBit/s mit besonderem Augenmerk auf geringen Leistungsverbrauch und niedrige Kosten.
Speziell zur Untersuchung von Millimeterwellen arbeitet die Gruppe 802.15.3c "mmWave PHY" an neuen
Entwicklungen der Funktechnik.

802.15 TG4, Low Rate: Diese Gruppe beschäftigt sich mit WPAN-Techniken
geringerer Bandbreite. Dabei hat sie vor allem lange Batterielaufzeiten (Monate bis Jahre) bei
geringer Komplexität im Auge. Auch dieser Standard wird in unlizenzierten, internationalen
Frequenzbändern operieren. Mögliche Applikationen sind Sensoren, interaktive Spiele, intelligente
Ausweise, Fernbedienungen und Hausautomation. Über alternative Techniken wird ebenfalls nachgedacht
– speziell in der Gruppe 802.15.4c.

802.15 TG5, Networking: Relativ neu ist in 802.15 das Thema "Netzwerke". Unter
dem Titel "Meshed Networks" beschäftigt sich 802.15.5 mit dem Aufbau kompletter WPANs. Der Trend zu
vermaschten Netzen zieht sich also durch alle Wireless-Arbeitsgruppen.

Broadband Wireless Access (MANs)

802.16, BWA, normiert breitbandige Funkzugangstechniken in Stadtnetzen. Der Basisstandard 802.16
"Wireless MANs" wurde bereits 2001 als amerikanische Norm verabschiedet und konzentrierte sich auf
die Richtfunktechniken. Er war nie sehr erfolgreich. Der Standard 802.16–2004 integrierte im
Wesentlichen NLOS-Techniken (Non Line of Sight), die den Stadtnetzbereich abdecken. Er lässt sich
damit auch als "Wireless DSL" beschreiben.

Die dritte Stufe kam 2006, als die "mobile" Version 802.16e unter dem Namen 802.16e-2005
veröffentlicht wurde. Da insbesondere Intel diese Variante vorantreibt, hat sich am Markt die
Meinung gebildet, dass 802.16e der entscheidende BWA-Standard ist. Nach Ansicht des Autors haben
aber beide Varianten ihre Daseinsberechtigung: "stationär" und "mobil" werden in Zukunft
koexistieren. Dies lässt sich schon daraus ablesen, dass für beide Techniken unterschiedliche
Frequenzbänder vorgesehen sind: 2,5 GHz für die mobile und 3,5 GHz für die stationäre Variante

Die wichtigste Entscheidung für 802.16 fiel aber bereits vor dem IEEE-Treffen in Atlanta: 802.16
hatte beantragt, dass ihre Technik in das "IMT"-Modell (International Mobile Telecommunications)
der ITU (International Telecommunication Union) aufgenommen werden sollte. Diesen Antrag hatte die
ITU im Oktober 2007 angenommen, sodass weltweit die Telekommunikationsanbieter diese Technik nicht
mehr ignorieren können – wie es bislang zumindest die Deutsche Telekom tat.

802.16g und 802.16i, Management: Nachdem 802.16f MIB (Management Information
Base) schon seit einiger Zeit verabschiedet ist, scheint nun auch 802.16g zum Abschluss zu kommen.
Der Draft D9, der im September 2007 verabschiedet wurde, wartet jetzt auf seine Veröffentlichung.
Auch die mobile Variante, also das Management für 802.16e, ist schon relativ weit gediehen – mit
der Veröffentlichung ist noch in diesem Jahr zu rechnen.

802.16h, Licensed Exempt Coexistence. Diese Gruppe widmet sich den
Koexistenzproblemen in den lizenzfreien Bändern. 802.16 verwendet das 5-GHz-Band zur lizenzfreien
Übertragung (Wireless HUMAN – Highspeed Unlicensed MAN). In diesem Frequenzbereich arbeitet aber
zum Beispiel auch 802.11a, wodurch sich einiger Abstimmungsbedarf ergibt.

802.16j, Interworking: Nachdem im Interworking-Bereich der Bridging-Standard
802.16k im August 2007 verabschiedet wurde, steht jetzt eine mobilen Variante an. 802.16j
entwickelt Techniken für ein mobiles Relay, das über mehrere Stationen die Kommunikationspartner
miteinander verbinden kann.

802.16m, Physical Layer. Der derzeit spektakulärste Arbeitskreis bei 802.16
ist sicher 802.16m, der sich mit Weiterentwicklungen auf der physischen Ebene beschäftigt. Er geht
der Frage nach, wie sich die Übertragungskapazität in der Luft vergrößern lässt. Das Thema von
802.16m lautet "Advanced Air Interface" und hat einen Standard mit Übertragungsraten von bis zu
1000 MBit/s zum Ziel. Bei einer Geschwindigkeit von 250 km/h soll die Datenrate immerhin noch 100
MBit/s betragen. Aufbauend auf dem jetzigen OFDMA-Verfahren (Orthogonal Frequency Division Multiple
Access) sollen Zellen von bis zu 30 Kilometer Durchmesser realisierbar sein. Entscheidend wird
sein, wie sich die heute übliche 1:5-Bitdichte verbessern lässt. Bei 802.16m sind Bitdichten von
1:8 im Gespräch. Auch das Antennenkonzept spielt eine wichtige Rolle: MIMO (Multiple Input Multiple
Output) ist dabei das Stichwort. Der Autor erwartet eine Wireless-Gigabit-Technik im Jahr 2010.

WRAN - Wireless Regional Area Network, 802.22

802.22 ist der neueste der 802-Arbeitskreise. Sein Thema sind die TV-Netze. Im Rahmen der
Digitalisierung des Fernsehens reduziert sich die Zahl der TV-Kanäle, da digitale Kanäle das Medium
effizienter nutzen als analoge. Diese freiwerdenden Frequenzen wecken Begehrlichkeiten, die 802.22
ansprechen will. Allerdings ist auch 802.16 stark an diesen Bandbreiten interessiert, denn das
NLOS-Verhalten dieser "niedrigen" Frequenzen (unter 1 GHz) eignet sich besonders gut für das in
802.16 verwendete OFDMA-Verfahren. Dieses Konkurrenzthema ist in P802 jedoch ausdiskutiert: 802.22
wird die notwendigen Erweiterungen in die OFDMA-Technik von 802.16 einbringen.

Die "Architekten": HILI - Higher Layer Interface, 802.1

802.1 beschäftigt sich schon seit langem mit der Architektur und den Funktionen, die für alle
Arbeitskreise wichtig sind. Bekannt sind einige Beispiele wie 802.1D, der wenig erfolgreiche
Bridging-Standard, der 2004 komplett überholt wurde und immer noch nicht das leistet, was große
Netze benötigen. Oder 802.1Q, der Virtual-LAN-Standard, der 2003 mit 802.1s, Multiple Spanning
Tree, zusammengelegt wurde. Oder die vielen Anstrengungen, die Grenzen des LANs zu verlassen wie
etwa mit 802.1ad, "Provider Bridges".

Heute weist 802.1 vier Schwerpunkte auf: Architektur, Interworking, Sicherheit sowie
Audio/Video. Die Arbeiten bei "Architektur" sind derzeit abgeschlossen, in den restlichen drei
Bereichen sind die folgenden Gruppen tätig.

Interworking: Zu diesem Schwerpunkt zählen neun aktive Projekte:

802.1AC, Media Access Control Service Revision: Dieses Projekt überarbeitet
die Dienste, die alle IEEE-802-MACs für die Relay-Funktion der MAC-Bridge erbringen müssen.

802.1ag, Connectivity Fault Management: Dieses beschäftigt sich mit Fehlern in
Verbindungen und deren Auswirkung auf das Netz.

802.1ah, Provider Backbone Bridges: Harte Anforderungen kommen von den
Providern, die Bridges in ihren Backbones einsetzen wollen. Dabei zeigt sich sehr deutlich, dass
die Ethernet-Technik im Grunde für solche Applikationen ungeeignet ist. Um diese dort dennoch
verwenden zu können, soll 802.1ah die notwendigen Funktionen definieren.

802.1aj, Two-Port MAC Relay: Der Bedarf für ein 2-Port-MAC-Relay kommt aus dem
Provider-Bereich, wo sich ein solches Gerät als Demarkationspunkt verwenden lässt. Die
Notwendigkeit ist noch umstritten, da die Bridge-Funktion diese Funktionalität natürlich umfasst.
Umstritten ist, ob ein derartiges Relay tatsächlich preisgünstiger herzustellen ist als eine
Bridge.

802.1ak, Multiple Registration Protocol: Gerade in Provider-Umgebungen hat die
Zahl der VLANs (Virtual LANs) erheblich zugenommen. Der Registrierungsaufwand solcher VLANs ist
damit ein entscheidender Faktor. Die Arbeitsgruppe definiert Funktionen, die eine schnelle
Registrierung ermöglichen und Fehler lokal begrenzt halten.

802.1ap, VLAN Bridge MIBs: Diese Gruppe spezifiziert die MIBs für VLAN,
Spanning Tree und für Provider-Bridges.

802.1aq, Shortest Path Bridging: Der angestrebte Standard spezifiziert
Shortest Path Bridging für Unicast- und Multicast-Frames. Die Funktion unterstützt mehrere
parallele VLAN-Konfigurationen.

802.1Qaw, Data Dependend Connectivity Fault Management: Auch der
Connectivity-Fault-Managementstandard 802.1ag benötigt Erweiterungen für den Betrieb in
Multi-Vendor- und Multiservicenetzen. 802.1Qaw entwickelt aufbauend auf den Funktionen von 802.1ag
solche Erweiterungen.

802.1Qay, Provider Backbone Bridges Traffic Engineering: Nachdem die Provider
Backbone Bridges spezifiziert sind, müssen auch Wege gefunden werden, wie sich der Datenverkehr am
günstigsten und am sichersten durch das Netz transportieren lässt. Dies ist das Thema von
802.1Qay.

Security: Im Sicherheitsbereich arbeiten noch zwei Gruppen, seit die grundsätzliche Arbeit in
802.1ae abgeschlossen ist:

802.1af, MAC Key Security: Diese Gruppe beschäftigt sich mit dem
Key-Management und den dazugehörigen Sicherheitsfunktionen.

802.1AR, Secure Device Identity: Das sichere Erkennen von Endgeräten gewinnt
zunehmend an Bedeutung, da sich nur so der Betrug über gefälschte Absenderadressen verhindern
lässt.

Audio/Video: Wie erwähnt dehnt sich das Ethernet nicht nur in die Richtung WAN aus, sondern es
macht sich auch im Home- und Consumer-Bereich breit. Für dieses Segment existieren inzwischen vier
Gruppen:

802.1as, Timing and Synchronisation,

802.1Qat, SRP (Stream Reservation Protocol),

802.1Qau, Enhancements for Time Sensitive Streams und

802.1Qav, Congestion Notification.

An dieser Arbeitsintensität zeigt sich, dass QoS im Audio-/Video-Bereich unverzichtbar ist.

Ringtopologie - Resilient Packet Ring, 802.17

Nach wie vor nicht besonders hoch ist das Interesse an 802.17, Resilient Packet Ring (RPR). Die
Gruppe hat die Verwendung von SONET/SDH für einen redundanten Paketring in LAN-, MAN- und
WAN-Infrastrukturen normiert.

Das physische Protokoll für die Übertragung von Paketen mit skalierbaren hohen Datenraten heißt
SRP (Spatial Reuse Protocol). Es definiert ein schnelles Netzprotokoll für die Paketübertragung in
elastischen Ringtopologien. SRP ist ein MAC-Protokoll für LAN-, MAN- und WAN-Anwendungen. Es läuft
über pure Glasfaser, SONET (Synchronous Optical Network), SDH (Synchronous Digital Hierarchy) oder
WDM (Wavelength Division Multiplexing) und unterstützt Redundanz für einfache Geräte- und
Leitungsfehler.

Tatsächlich entwickelten die Gremien den Packet Ring recht schnell und verabschiedeten auch bald
den Standard 802.17. Im Sommer 2004 war die Arbeit beendet und es liegt ein beachtlicher Standard
vor. Dieser besitzt nur einen kleinen Schönheitsfehler: Niemand will ihn verwenden. Selbst IBM hat
entschieden, doch lieber ihr eigenes Süppchen zu kochen, und auch alle anderen Hersteller setzen
auf proprietäre Lösungen.


Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Lampertz GmbH & Co. KG

Matchmaker+