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Unified Communications für Unternehmen

Mit einer Stimme aus allen Rohren

Unified Communications (UC) vereint bislang getrennte Kommunikationswege wie etwa Telefon, Handy, E-Mail, Instant Messaging und Fax. Die Einbindung mobiler Endgeräte, Web-2.0-Applikationen und "Rich Media" wie Video- und Audioinhalte verheißen zudem neue Einsatzgebiete und mehr Effizienz. Doch die Lösungen für größere Unternehmen sind zum Teil äußerst komplex. Dem Markt fehlt es bislang an Transparenz. Für den Mittelstand bringen immer mehr Hersteller vereinfachte Komplettlösungen. Wem auch dies zu umständlich oder zu unsicher ist, der mag mit einer Outsourcing-Lösung am besten beraten sein.

Autor:Stefan Mutschler/pf • 17.12.2008 • ca. 9:15 Min

Es lässt sich nicht behaupten, dass kein Bedarf vorhanden wäre: Laut einer Untersuchung von Sage Research nutzen kleine bis mittelständische Unternehmen durchschnittlich 6,4 unterschiedliche Kommunikationsgeräte und 4,8 Kommunikationsanwendungen (aus einer Palette von Telefonie, Audio-, Video-, Webconferencing, interaktive Sprachsysteme, Instant/Unified Messaging, Mobility-Anwendungen und weiteren), um in Verbindung zu bleiben ("Unified Communications Application: Uses and Benefits", Januar 2006). Mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Mitarbeiter versuchten sogar auf mehrere Arten, jemanden zu kontaktieren - und dies zum Teil mehrmals täglich. Trotz des hohen Aufwands klappt es dennoch oft nicht mit einer Verbindung - in 36 Prozent aller Fälle gelingt keinerlei Kommunikation. Auch die Folgen davon will Sage genau beziffern können: So sollen sich etwa 22 Prozent der vereinbarten Fristen nicht einhalten lassen, und damit wertvolle Einnahmemöglichkeiten verpasst werden. Kein Wunder also, dass Unternehmen händeringend nach Lösungen Ausschau halten, die versprechen, solcher Ineffizienz ein Ende zu bereiten. Laut einer von Berlecon im Auftrag von Cisco durchgeführten Erhebung ist die Integration verschiedener Kommunikationswege auch der mit Abstand wichtigste Grund für das Aufsetzen eines UC-Projekts.

UC ist ein Projekt, das auf die Modellierung von Geschäftsprozessen abzielt oder dies zumindest mittelfristig tun sollte. Der Unterschied zur klassischen Kommunikationsgestaltung: Zusätzlich zu den Datenprozessen werden die Sprach- und Videoprozesse einbezogen und strikt den Geschäftszielen unterstellt. Aus Business-Sicht geht es also nicht nur darum, einzelne Unzulänglichkeiten in der Kommunikation auszumerzen, sondern das Potenzial der Integration von Kommunikation möglichst umfassend im Sinne des Unternehmens auszuschöpfen. Doch der Weg zur UC-Lösung, die genau dies bewerkstelligt, ist nicht trivial, und nicht jedem kann der Start eines UC-Projekts bedingungslos empfohlen werden. "Es hängt vom Durchdringungsgrad der IP-Telefonie im Unternehmen ab, ob ein Start ins UC-Zeitalter schon ratsam ist", weiß Dr. Jörg Fischer, Leiter für strategische Geschäftsentwicklung bei der Enterprise Business Group von Alcatel-Lucent in Deutschland. "Denn beide Welten, die der klassischen ISDN-Telefonie und die der neuen IP-Telefonie, parallel einzubinden, wird aufgrund zu hoher technischer Komplexität meist zu teuer und aufwändig ausfallen."

Was die Hersteller, wenn überhaupt, nur vorsichtig andeuten, ist für viele Analysten klare Tatsache: UC ist im Moment noch ein Hype, dem die Realität weit hinterherhinkt. Dies sagt zumindest die Burton Group. Die Kluft zwischen telefoniezentrischen Anbietern (klassische TK-Anlagenbauer) und Herstellern, die auf die Zusammenarbeit von Applikationen setzen (in der IT verwurzelte Unternehmen), wird immer größer. Folge: Der Markt ist derzeit sehr verwirrend. Eine Berlecon-Studie aus dem vergangenen Jahr unterscheidet die Strategien der wichtigsten Player. Berlecon empfiehlt darin Unternehmen, im Vorfeld zu prüfen, ob erstens die Unified-Communications-Lösung in eine historisch gewachsene ITK-Infrastruktur integrierbar ist, und ob zweitens die Lösung vor allem auf Soft- oder Hardware basiert. Demnach verfolgen Anbieter wie Siemens oder IBM hinsichtlich der Integrierbarkeit einen eher heterogenen Ansatz, der auf die Unterstützung möglichst vieler Fremdanbieter zielt. Cisco oder Microsoft setzen dagegen laut Studie mehr auf Homogenität, also auf integrierte Systeme aus einer Hand. Bei der Form der Realisierung nutzten Anbieter wie Microsoft vornehmlich Software zur Abbildung der Funktionen - mit positiven Effekten auf die Administrierbarkeit und Anschaffungskosten der Lösung. Bei Anbietern wie Alcatel-Lucent, Avaya, Nortel und Siemens werde zu einem größeren Teil Hardware eingesetzt, sodass hier eher komplexe, aber auch hochverfügbare und sichere Infrastrukturen abgebildet werden können. In diesem Spannungsfeld bewegen sich also derzeit die Lösungen.

Globale Kriterien

Wenn es um ein Thema geht, bei dem eine so große Vielfalt von Komponenten ineinandergreift wie bei UC, ist die strikte Beachtung offener Standards ein absolutes Muss: Standards wie das Session Initiation Protocol (SIP) und XMPP (Extensible Messaging and Presence Protocol) sind die Grundlage für UC. SIP sollte direkt und voll implementiert sein - vor allem Funktionen wie SIP Session Control und offenes SIP-Device-Management. Ebenso wichtig sind Softwarestandards wie beispielsweise XML (Extensible Markup Language), das um Sprache erweiterte VXML (Voice XML) und SOAP (Simple Object Access Protocol). Solche offenen Protokolle sind bei UC besonders wichtig, denn hier geht es nicht nur um die Zusammenarbeit von Produkten und Lösungen im eigenen Haus, sondern auch im Kontakt mit den Geschäftspartnern. Wer beispielsweise bei Instant Messaging auf proprietäre Verfahren setzt, findet sich schnell auf einer einsamen Kommunikationsinsel. Standards sind auch die Basis dafür, eine Vielfalt gängiger Clients und Endgeräte nutzen zu können. Nicht zuletzt sind sie Grundlage für die Integration von Rich Media wie Video- oder Audioinhalten.

Ebenso wie bei TK-Anlagen heute im Wesentlichen die Software entscheidend ist, macht auch bei einer technisch in Richtung UC weiterentwickelten Kommunikationsplattform Software den Hauptbestandteil aus. Das Ziel sollte sein, die Kommunikationsfunktionen möglichst weitgehend in die Büro- und Geschäftsanwendungen des Unternehmens zu integrieren. UC-Applikationen wie Business Contact Routing oder Automatic Message Delivery sind Beispiele für eine solche Kopplung von UC mit Business-Prozessen. Mit das größte Potenzial sehen die Analysten bei UC in Verbindung mit Callcenter-Funktionen. Ein wichtiger Punkt hinsichtlich der Bedieneroberfläche: Alle Funktionen sollten über eine gemeinsame Steuerung erreicht werden können - inklusive unterschiedlichster Anwendungen für VoIP, Messaging oder den Kalender.

Integration der Anwendungen bedeutet auch Konsolidierung der Identitäten: Eine Identität für sämtliche Arten der Kommunikation sollte mit einer UC-Software aus einem Guss realisierbar sein. Ob E-Mail, Instant Messaging, Presence, VoIP oder das Abonnieren von RSS-Feeds: Eine Adresse schafft den Zugang zu allen Kommunikationskanälen. E-Mails, Kalender- und Kontaktdaten sollten sich zentral auf einem Server verwalten lassen. Ein IMAP-Konto beispielsweise könnte sicherstellen, dass alle E-Mails immer aktuell gehalten werden und keine wichtigen Informationen verloren gehen. Der Vorteil der zentralen Datenhaltung: Nutzer können flexibel von jedem Rechner aus auf alle Informationen und Kommunikationsmöglichkeiten zugreifen.

Technisch ist die UC-Software im Grunde überall modular aufgebaut - organisatorisch empfehlen sich aber Lösungen, die von Beginn an alle Anwendungsbereiche bereits angelegt haben. Lösungen, die bei der Einführung neuer Funktionen stets die Installation einer weiteren Software erfordern, erweisen sich oft als sehr aufwändig. Erweiterungen und die Administration sind dann meist zeitraubend und teuer. Eine integrierte UC-Software vereint dagegen alle Anwendungsmöglichkeiten von Beginn an. So ist sie einfacher zu verwalten, und Unternehmen können nach Bedarf entscheiden, welche Funktionen sie freischalten wollen. Einfache Verwaltung sollte auch Prämisse beim Gesamtkonzept der Lösung sein. Punkte wie User Profiling, Provisioning und insbesondere durchgängiges Ende-zu-Ende-Qualitätsmanagement sollten in ein ganzheitliches UC-Management eingebunden sein. "Eine zukunftsfähige Lösung muss in der Lage sein, die entsprechenden Schnittstellen für die Anforderungen von morgen schon heute bereitzustellen", sagt Dr.-Ing. Thomas Fleissner, Managing Director EMEA von Communigate Systems. "Funktionalität und einfache Administration dürfen dabei kein Widerspruch sein."

Die Sicherheit gehört laut Analysten zu den größten Herausforderungen einer UC-Lösung. Techniken wie Stateful Inspection Firewall mit gezielter Port-Freigabe, URL-Blocker, Webblocker und Intrusion Detection System (IDS), NAT (Network Address Translation), STUN (Simple Traversal of UDP through NAT), VPN-IPSec etc. gehören zum Pflichtprogramm. Entscheidender Faktor ist jedoch ein "konvergentes Sicherheitsverständnis", das mit der Konvergenz der Lösung korrespondieren muss. "Keinesfalls sollten Betriebe die Komplexität unterschätzen, die die Zusammenführung aller Kommunikationswege mit sich bringt", warnt der Geschäftsführer des Eco-Verbands der deutschen Internetwirtschaft Harald A. Summa vor einer allzu blauäugigen Herangehensweise. "Die Anpassung der Infrastrukturmaßnahmen und Geschäftsprozesse sowie die Sicherstellung von Compliance und Sicherheit während der Datenübertragung verlangen den Unternehmen sowohl organisatorisch als auch technisch einiges ab."

Eines der aktuell vielleicht dynamischsten Themen im Zusammenhang mit UC ist Mobility, also die Einbindung mobiler Clients. Damit auch Nutzer mobiler Endgeräte ihre Daten mühelos abgleichen können, sollte der UC-Server neben WLAN auch per Airsync (Exchange Activesync) eine Übertragung von Outlook-Kontakten, Terminen oder E-Mails auf das Smartphone unterstützen. Eine Reihe von Herstellern, darunter auch die deutsche Swyx, haben ihre Lösungen inzwischen für ein breites Portfolio mobiler Endgeräte gerüstet. Dazu gehören Mobiltelefone und Smartphones auf Symbian-, Windows-Mobile- oder Blackberry-Betriebssystembasis ebenso wie schnurlose Telefone nach DECT- und WLAN-Standards. Fixed-Mobile Convergence (FMC), also die nahtlose Übergabe von Gesprächen zwischen Festnetz, WLAN und Mobilfunk, sowie Zusammenführung von Adressverzeichnissen und Voice-Boxen gehören in diesem Zusammenhang auch zu den Topkriterien.

UC-Appliances für den Mittelstand

Seit einiger Zeit versuchen Hersteller dem Thema UC für mittelständische Unternehmen den Schrecken zu nehmen, indem sie die Komplexität in einer übersichtlichen Appliance verstecken, in der eine Auswahl von UC-Funktionen integriert ist. Den Anfang machten letzten Herbst Alcatel-Lucent mit ihrer "Bics" (Business Integrated Communications Solution) und Siemens mit der "Hipath Openoffice", inzwischen haben auch andere Anbieter nachgezogen. Erst kürzlich kam beispielsweise Nortel mit einer mittelstandsgerechten Lösung, dem "Business Communications Manager (BCM) 450". Nortel schätzt, dass kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) ihre Geschäftsleistung um bis zu 18 Prozent steigern können, wenn sie ihr Business mit einer passenden UC-Lösung unterstützen. Der Hersteller will außerdem berechnet haben, dass der Wert des weltweiten KMU-Kommunikationsmarkts 11 Milliarden Dollar beträgt und jährlich um 9,3 Prozent wächst.

Grundsätzlich gelten für die UC-Appliance-Lösungen die gleichen Kriterien wie für ihre großen Geschwister. Die in der Appliance abgebildeten Funktionen sowie die Art ihrer Umsetzung sollten möglichst genau zu den eigenen Anforderungen passen, zudem sollten sich auch Funktionen nachrüsten lassen, um nicht bei wachsenden Anforderungen wieder ein neues Gerät kaufen zu müssen. Typische Funktionen sind etwa Unified Messaging (Integration von Sprache, Fax und E-Mail), Weiterleitung von Voice-Mails und Faxen zum Desktop und an mobile Endgeräte, Telefon-Conferencing, Computer Telephony Integration (CTI) für den Einsatz von Fremdanbieteranwendungen zur Steuerung der Telefonservices sowie intelligente Contact-Center-Funktionen, die einen Anruf schnell zum richtigen Ansprechpartner leiten. Auch die Appliances sollten Verzeichnisse/Telefonlisten und Nachrichtenboxen unterschiedlicher Kommunikationsdienste zusammenführen. Daneben existieren zahlreiche Zusatzfunktionen, über die sich die Anbieter von ihren Wettbewerbern abheben wollen - darunter beispielsweise Mobilitätsfunktionen, Integration in Microsoft Outlook, persönliche Message-Boxen für Sprach- und Faxnachrichten, personalisierte Benachrichtigungen, Statusmelder, die in Echtzeit darüber informieren, welche Anrufe aktuell Aufmerksamkeit erfordern und welche warten können, sowie einiges mehr.

Mit Nortel hält "Green IT" auch bei den UC-Appliances Einzug - zumindest laut Herstellerangaben soll der Energieverbrauch der BCM 450 um etwa 40 Prozent unter dem vergleichbarer Geräte anderer Anbieter liegen. Auch dies ist heute ein wichtiges Argument, allerdings ist hier immer eine kritische Verifizierung der Angaben angebracht.

UC als Dienstleistung

Für viele Mittelständler bietet sich als Alternative zur eigenen UC-Appliance an, das Thema als SaaS (Software as a Service) komplett an einen externen Dienstleister zu vergeben. Der Charme dieser Variante liegt in einer Reihe von Vorteilen, die es abzuwägen gilt:

weniger Verwaltungsaufwand und Ausgaben für IT-Personal im Unternehmen,

niedrigere Einführungskosten sowie geringere Lizenzkosten,

Zugang zu den jeweils aktuellen verfügbaren Techniken sowie nahtlose Upgrades ohne Zusatzkosten,

zuverlässige Kostenplanung durch eine monatliche Abrechnung nach Nutzerzahl sowie

Flexibilität durch modulare Services für unterschiedliche Nutzergruppen, beispielsweise Mobility-Unterstützung für das Sales-Team.

Der weltweite Markt für Unified Communications als SaaS wird sich laut Radicati Group bis 2012 vervierfachen. Das amerikanische Analystenhaus hat herausgefunden, dass die jährlichen Umsätze von derzeit 6,9 Milliarden Dollar auf 28,7 Milliarden Dollar steigen sollen. Dank sinkender Kosten für Breitbandverbindungen profitieren dabei insbesondere mittelständische und kleine Unternehmen von maßgeschneiderten Services und flexiblen Tarifen.

Bei der Auswahl eines UC-Providers empfehlen die Analysten, ein Auge auf die zugrunde liegende Infrastruktur zu werfen. Der Servicepartner sollte über eine skalierbare, integrierte Architektur verfügen, auf deren Basis er Dienste in unternehmensgerechter Qualität und zu niedrigen Betriebskosten anbieten kann. Als weiteres Auswahlkriterium führt etwa Radicati die plattformunabhängige Unterstützung aller gängigen Betriebssysteme wie Windows, Mac oder Linux an. Für den mobilen, ortsungebundenen Zugriff biete eine Web-2.0-Oberfläche den Nutzern einfachen Zugang zu Voice-, Video-, E-Mail-, Presence-, Chat- und Groupware-Anwendungen. Auf Mobility-Funktionen wie die Datensynchronisation mit mobilen Endgeräten sollten Abonnenten einer zukunftsfähigen Lösung ebenfalls Wert legen.

Auch bei den UC-Providern hat jeder neben den "Standards" sein "Spezialgebiet", das für den einen oder anderen Anwender interessant sein könnte. Der Carrier Interoute beispielsweise bietet auf paneuropäischer Ebene einen SIP-Trunking-Dienst (die Verbindung von Kundenlokationen im Voice-Netzwerk basierend auf SIP) sowie In- und Outbound-Sprachdienste über den Microsoft Office Communicator an. Der Provider erwartet, dass in den nächsten fünf Jahren alte Nebenstellenanlagen massiv ausgemustert und durch UC-Dienste ersetzt werden. "Das Angebot wird breit gefächert und sowohl online als auch über Hosting-Dienstleister verfügbar sein", so John Wilkinson, Director Voice-Services bei Interoute. "Neue Wettbewerber wie Internet-Service-Provider, aber auch Unternehmen wie Microsoft, IBM und Google werden die traditionellen Geschäftsmodelle von Platzhirschen wie Siemens, Alcatel-Lucent, Deutsche Telekom und weiteren attackieren. Die klassischen Telekommunikationskonzerne haben die führenden UC-Produkte nicht im Angebot. All dies wird erhebliche Verwerfungen im Markt mit sich bringen." Solche Verwerfungen erwarten auch die Analysten, hier zudem verbunden mit rasanten technischen Umbrüchen. Von daher ist es mit Sicherheit keine schlechte Idee, sich in Sachen UC einem Dienstleister anzuvertrauen, dem man im Zweifelsfall dann auch einfach wieder kündigen kann.