Bei einem Roundtable auf dem Brocade Executive Forum am 13. März 2012 in Frankfurt/Main diskutierte der Speicher- und Netzwerkspezialist mit einigen Partnern die Lage und Zukunft des IT-Markts. Wenig überraschend: Auch aus Netzwerksicht dreht sich alles um die Cloud - und das bereitet manche Probleme.Zum Roundtable hatte der Gastgeber neben Jason Nolet, Vice President Data Center and Enterprise Networking bei Bro-cade, und dem DACH-Vertriebsleiter Frank Koelmel mehrere Vertreter des Partnerumfelds geladen: Martin Niemer sprach für VMware, Dirk Schiller für Computacenter, Hermann Gouverneur vertrat Atos und Michael Homburg Fujitsu.
IT-Branche im Wandel
In den letzten fünf Jahren habe sich die Server-Virtualisierung fest etabliert, betonte VMware-Mann Martin Niemer unwidersprochen. Der Cloud-Trend bringe nun die ökonomischen Vorteile der Service-Provider-Clouds in die Unternehmen. Als Problemfall diagnostizierte er allerdings den Trend hin zu BYOD (Bring Your Own Device, Nutzung privater Endgeräte im Unternehmen). Dies sei ein Alptraum für CIOs: Erstmals drohe hier der Kontrollverlust über die IT-Umgebung, ohne dass die nötigen Mittel vorlägen, diesen Trend zu stoppen. Die Änderungen bei der Netzwerkinfrastruktur fasste Jason Nolet zusammen: "Das Netzwerk muss mit Virtualisierung und Clouds umgehen können", so der Brocade-Manager. Das klassische Three-Tier-Modell der Netzwerke aus Client/Server-Zeiten passe für Cloud-Rechenzentren nicht mehr. Denn zum Datenverkehr zwischen Clients und Servern geselle sich nun ein intensiver Datenaustausch zwischen den Servern und mit den Storage-Einheiten, im US-Jargon "East-West-Traffic" genannt (in Abgrenzung zum Client-Server-Datenverkehr, auf Netzwerkgrafiken meist senkrecht dargestellt). Gefragt sei eine Two-Tier-Architektur, die den Performance- und Verfügbarkeitsansprüchen des Cloud Computings gerecht wird, so Nolet.
Als Vorteil des Cloud Computings hob Dirk Schiller von Computacenter die Möglichkeit für Unternehmen hervor, Services flexibel dort zu beziehen, wo sie es möchten. Die IT-Abteilung sei damit gefordert, sich zum Makler (Cloud Services Broker, kurz CSB) zu entwickeln, um sicherzustellen, dass die Fachabteilungen IT-Services weiterhin über die hauseigene IT-Organisation beziehen. Mehr Selbstständigkeit der Endanwender mittels Consumerization stellte auch Hermann Gouverneur von Atos fest: Der Trend zu BYOD sei durchaus zu beobachten. Michael Homburg von Fujitsu warnte vor zu hoch gesteckten Erwartungen an die Cloud: Die Virtualisierung wachse nicht so stark wie vermutet, laut neuesten Zahlen seien nur noch 47 Prozent virtualisierte Applikationen bis zum Jahr 2014 zu erwarten. Marktführer VMware geht hingegen davon aus, dass die 50-Prozent-Marke bereits überschritten ist. Virtualisierung, so Homburg, erhöhe die Komplexität, weshalb viele Applikationen bislang nicht virtualisiert seien.
Probleme mit der Cloud
Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zur Cloud, so Brocade-VP Jolet, sei die Angst vieler Organisatonen vor Abhängigkeit von einem einzelnen Anbieter konvergenter Infrastrukturen, neudeutsch "Vendor Lock-in" genannt. Insbesondere kleinere Unternehmen tendierten zu integrierten Lösungen, während Konzerne meist auf Best-of-Breed setzen können, um Anbieter gegeneinander auszuspielen - ein Aufwand, den sich die wenigsten kleineren Unternehmen leisten können. Die große Heterogenität der IT-Landschaft halte Konzerne aber oft davon ab, alles in die Cloud zu geben - deshalb ihr Fokus auf Hybrid Clouds.
Rund die Hälfte der Anwendungen in den Unternehmen seien individuell erstellte Applikationen, ergänzte Martin Niemer von VMware, und diese seien oft die Basis für Wettbewerbsvorteile und deshalb nicht leicht durch Standardanwendungen aus der Cloud zu ersetzen. "Die meisten Unternehmen wären ja schon froh, wenn sie Iphone-Clients für ihre Legacy-Anwendungen hätten", erklärte Niemer. Das Hauptproblem der CIOs sei es deshalb heute, die vielen Legacy-Applikationen zu modernisieren, sonst könnten sie nicht mit Public-Cloud-Anbietern konkurrieren. Das Dilemma, so Nolet: "CIOs müssen heute mit Cloud-Service-Providern konkurrieren. Sie haben keine andere Wahl."
Der Autor auf LANline.de: wgreiner