Was beim Einsatz von PoE-Switches zu beachten ist

Netzwerk unter Strom

9. April 2006, 23:35 Uhr | Stephen Rommel/wg Stephen Rommel ist Business Development Manager Procurve Networking Business bei Hewlett-Packard.

Nahezu alle Endgeräte im Netzwerk benötigten bisher mindestens zwei Anschlüsse: einen für die Datenübertragung und einen für die Stromversorgung. Mit Power over Ethernet (PoE) gehört unnötiges Kabelgewirr der Vergangenheit an. Immer mehr Geräte beziehen ihre Stromversorgung direkt über das Ethernet-Kabel, darunter VoIP-Telefone (Voice over IP), WLAN Access Points und Netzwerkkameras. Die Chancen stehen gut, dass sich PoE zur Standardausstattung in Ethernet-Switches entwickelt. Doch auch wenn PoE an sich einfach zu installieren und betreiben ist, sind für den erfolgreichen Einsatz einige grundlegende Dinge zu beachten.

Deutsche Schuko-Stecker, britische Stecker, US-Stecker, 240 Volt, 110 Volt – Reisende, die
unterwegs ihre Geräte ans Stromnetz anschließen wollen, sehen sich weltweit einem bunten
Flickenteppich verschiedener Systeme gegenüber. Mit dem Standard 802.3af zur Stromversorgung von
Endgeräten über das Ethernet-Netzwerkkabel schuf die IEEE de facto den ersten weltweit
einheitlichen Standard für die Stromversorgung, der zumindest das Leben von IT-Administratoren
vereinfacht.

Paarentscheidung

Der IEEE-802.3af-Standard lässt zwei Methoden der Stromübertragung über
Kategorie-5-Ethernet-Kabel zu. Kategorie-5-Kabel verfügen über vier Adernpaare, von denen aber nur
zwei zur Datenübertragung in 10Base-T- und 100Base-TX-Netzen zum Einsatz kommen. Die
PoE-Spezifikation bietet folgende Optionen, diese zu nutzen:

Über die Reserveadernpaare (Redundant Pairs): Die Adern auf den Pins 4 und 5
des Steckers werden miteinander zur positiven Spannungsversorgung verbunden, und die Adern auf den
Pins 7 und 8 übernehmen die negative Spannungsversorgung.

Über die Datenadernpaare (Data Pairs): Bei dieser so genannten "
Phantomspeisung" erfolgt die Energieversorgung über die bereits benutzten Adernpaare. Hierbei ist
jedoch zu beachten, dass die Polarität der Adern nicht festgelegt ist. Bei einem Crossover-Kabel
ist sie zudem vertauscht. Eine passende Eingangsbeschaltung im Endgerät, zum Beispiel einem Access
Point, muss die Polarität daher eigenständig erkennen und festlegen. Die Phantomspeisung wirkt sich
bei 10Base-T und 100Base-TX nicht allzu störend auf das eigentlich Ethernet-Signal aus und ist
somit praxistauglich.

Der PoE-Standard erlaubt es nicht, beide Verfahren gleichzeitig zu nutzen. Deshalb speisen die
Hersteller von PoE-Switches die Spannung in der Regel grundsätzlich über die Datenadern ein. Die
Energie liefernden Geräte wie zum Beispiel Switches bezeichnet die Spezifikation auch als "Power
Sourcing Equipment" (PSE). Die 802.3af-kompatiblen "Powered Devices" (PDs, PoE-Endgeräte) wie
Telefone oder Access Points müssen laut Spezifikation beide Verfahren unterstützen, also Leistung
sowohl über die Data Pairs als auch über die Redundant Pairs empfangen können, nicht jedoch über
beide gleichzeitig.

Obwohl der IEEE Standard 802.3af nur von "Endpoint" oder "Endpoint PSE" spricht, hat sich für
Geräte, die für die Stromleistung sorgen – im Regelfall Switches – auch der Begriff "Endspan
Devices" verbreitet. Alternativ können auch so genannte "Midspan Devices" die Leistung an das
Endgerät liefern. Das können zum Beispiel spezielle Hubs oder PoE-Patch-Felder sein. Dies ist
jedoch nur für den Anschluss einiger weniger Endgeräte wirtschaftlich sinnvoll.

Eignung des Racks vorab begutachten

In herkömmlichen Netzwerkgeräten sind die notwendigen Netzteile entweder direkt eingebaut oder
befinden sich als externes Netzteil nahe am Gerät. In einer PoE-Umgebung erfolgt die
Stromversorgung direkt über die Switches und das Netzwerkkabel. Das bedeutet, dass im Serverraum
oder Verteilerschrank durch die zusätzlich ins-tallierten Netzteile erheblich mehr Abwärme
entsteht, die es abzuführen gilt. Die Klimaanlagen oder Ablufteinrichtungen müssen leistungsfähig
genug sein, um auch nach der Installation der PoE-Switches eine für die Geräte vertretbare
Temperatur zu gewährleisten. Ebenso muss in den Räumen eine ausreichende Stromversorgung vorhanden
sein, die die zusätzliche Leistungsaufnahme der PoE-Switches bewältigen kann. Sind beispielsweise
über einen Switch- oder Kabelraum 200 Endgeräte anzuschließen, die jeweils 15,4 Watt benötigen, so
muss der Administrator allein hierfür 3080 Watt einkalkulieren. Dazu kommt noch der Leistungsbedarf
der PoE-Switches selbst. Als Faustregel kann man davon ausgehen, dass die meisten modularen
Switches zwischen 1000 und 2000 Watt Leistung aufnehmen.

Die Stromversorgung über die Switches bringt außerdem andere Bauformen und Gewichtsverteilungen
der Geräte mit sich. Die PoE-Geräte sind in vielen Fällen tiefer als bisherige Switches und durch
die zusätzlichen oder größeren Netzteile auch schwerer. Beim Einbau in die Racks muss der
Administrator daher sicherstellen, dass genügend Platz vorhanden ist und der Raum um die Geräte
herum ausreicht, um eine ungestörte Luftzirkulation zu ermöglichen. Außerdem sollte er die
PoE-Switches aufgrund ihres höheren Gewichts im unteren Rack-Bereich installieren, um eine
möglichst hohe Stabilität zu gewährleisten.

Definierte Leistung erleichtert die Planung

Um die Planung und Implementierung von PoE-Netzwerken zu erleichern, sind die Endgeräte in
insgesamt fünf Klassen eingeteilt (siehe Tabelle). Die IEEE hat pro Klasse einen genauen Korridor
für die zulässige Entnahmeleistung der Endgeräte festgelegt. Ebenso ist die maximale Speiseleistung
des PSEs für jede Klasse definiert. Maximal möglich sind 15,4 Watt. Anhand dieser Klassen kann das
Netz für alle Geräte die tatsächlich benötigte Leistung zur Verfügung stellen und so die
vorhandenen Versorgungskapazitäten der PSEs optimal ausschöpfen. Wenn nicht alle Geräte die vollen
15,4 Watt benötigen, reduziert dies natürlich die erforderliche Anschluss- und Kühlleistung im Rack
oder Verteilerschrank.

Allerdings ist zu beachten, dass die Klassifizierung optional ist und die Hersteller sie nicht
zwingend implementieren müssen. PoE-Interessenten sollten also im Vorfeld klären, ob alle
eingeplanten Geräte die Klassifizierung unterstützen. Bei der Planung ist übrigens nicht zu
befürchten, dass alte, nicht PoE-fähige Endgeräte aus Versehen Schaden nehmen könnten: Die PSEs
überprüfen standardmäßig, ob ein PoE-Endgerät angeschlossen ist, und legen erst dann die
Versorgungsspannung auf die Adern. Hierbei testen sie auch, zu welcher PoE-Klasse das
angeschlossene Gerät gehört, um es mit der korrekten Leistung zu versorgen.

Wenn die Stromversorgung durch das PSE ausfällt, weil zum Beispiel das PoE-Netzteil im Switch
beschädigt ist, versagen auch die angeschlossenen Endgeräte ihren Dienst. Damit dann eine konstante
Stromversorgung der Endgeräte gewährleistet ist, können Anwender von vornherein eine redundante
Stromversorgung mit einplanen. Die Switch-Hersteller bieten dazu in der Regel eine externe
Stromversorgung als Ergänzung an. Fällt das interne Netzteil aus, so übernimmt dieses zweite
Netzteil innerhalb einer Millisekunde die Stromversorgung. So laufen Endgeräte wie Telefone oder
Access Points weiter, ohne dass die Anwender eine Störung bemerken. Gerade in
unternehmenskritischen Bereichen bietet dies zusätzliche Sicherheit, da zum Beispiel die
VoIP-Telefone in der Vertriebsabteilung ununterbrochen laufen und es nicht zu Umsatzeinbußen
kommt.

Außerdem ist es möglich, durch zusätzliche externe (nicht redundante) Netzteile die verfügbare
Gesamtleistung eines PoE-Switches zu erhöhen. Dies stellt sicher, dass beispielsweise an allen
Ports die maximal möglichen 15,4 Watt verfügbar sind – auch wenn sehr viele leistungshungrige
Endgeräte angeschlossen sind.

Viele Vorteile, viele Möglichkeiten

PoE gehört nach Ansicht aller führenden Hersteller zu den viel versprechendsten neuen Standards
in der Netzwerktechnik. Die Integration von PoE-Funktionen in immer mehr Switches führt zudem zu
sinkenden Marktpreisen, was die Akzeptanz weiter steigern wird. So sind heute PoE-Switches bereits
zu Port-Preisen von Geräten ohne PoE erhältlich. Die mittlerweile ebenfalls immer umfangreichere
Palette an PoE-fähigen Endgeräten wird die weitere Verbreitung dieser Technik ebenfalls fördern.
Wenn Unternehmen sich mit den Einsatzmöglichkeiten von PoE einmal vertraut gemacht haben und die
hier beschriebenen grundlegenden Punkte beachten, ist auch die Implementierung einer PoE-fähigen
Infrastruktur kein großes Geheimnis. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig – und sie zu nutzen
ist nicht schwer.


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