Virtualisierung im Aufwind

Reine Plattformsache

3. Dezember 2009, 8:20 Uhr |

Seit der VMworld in San Francisco, auf der VMware laut eigenen Angaben Anfang September 2009 über 12.000 Teilnehmer versammelte, legt die Nummer 1 im Markt der Server-Virtualisierung den Fokus auf "Business Infrastructure Virtualization": Ziel ist die durchgängige Virtualisierung vom Desktop über das RZ bis zur Cloud. Im Segment der Desktop-Virtualisierung stellte Citrix jüngst mit Xendesktop 4 eine Alternative zu VMware View vor, die mehr Flexibilität bieten soll.

VMware will sämtliche Assets eines Unternehmens – PCs, Server, Storage, letztlich das ganze RZ –
auf eine gemeinsame Virtualisierungsbasis stellen: Als interne Cloud soll die Infrastruktur mehr
Effizienz und eine zentrale Verwaltung bieten, Cloud- und damit ebenfalls VM-basierte Services
sollen zu Skalierungs- und Outsourcing-Zwecken als flexible Ergänzung bereitstehen. In diesem
Szenario liefert Vsphere die Basis für die interne Cloud, Vcloud erlaubt den Brückenschlag zwischen
internen und externen Clouds, die Desktop-Virtualisierungslösung View wiederum sorgt für zentral
gemanagte, virtualisierte Desktop-Instanzen.

Da kein Anbieter solch ein umfassendes Vorhaben allein stemmen kann, hat VMware mit
zahlreichen Partnern ein ­Vsphere-Ökosystem aufgebaut, das laut Angaben des Herstellers bereits 200
integrierte Produkte umfasst, insbesondere Erweiterungen für Hochverfügbarkeit, Sicherheit und
Compliance sowie Skalierbarkeit. Damit soll Vsphere 4 bis hin zum "Software-Mainframe", so
VMware-Chef Paul Maritz, mit 32 TByte RAM skalieren – wobei VMware inzwischen allerdings lieber vom
"Giant Computer" spricht, als sich direkt mit den Transaktionsboliden zu messen.

Zentrales Management mit Vcenter

VMwares Produktfamilie Vcenter zielt auf die umfassende Verwaltung der virtualisierten
Infrastuktur: Im Fokus steht der Betrieb (Kapazitäts-, Konfigurations- und
Kontinuitäts-Management), das Ermöglichen von Cloud-Angeboten (Service-Profile, Service-Kataloge,
Self-Service sowie Chargeback pauschal, nach Allokation oder nach Verbrauch) sowie der
automatisierte Betrieb von Applikationen (Provisionierung, Scheduling). Weitere Aufgaben wie zum
Beispiel das leidige Sicherheitsthema überlässt VMware lieber den Spezialisten: Den
Security-Partnern wie ISS, McAfee, Symantec und Trend Micro erlauben die VMsafe-APIs,
Security-Lösungen einzuklinken.

Neu im VMware-Portfolio ist Appspeed für das Monitoring der Applikationsleistung. Laut
Hersteller entdeckt und mappt das Tool virtuelle und physische Infrastrukturelemente dynamisch.
V-App-Policies wiederum dienen dazu, SLA-Definitionen an eine Virtual Appliance (also eine vorab
virtualisierte und einsatzbereite Applikation) zu binden. Dieses Verfahren soll IT-Services
transportabel machen, da die SLAs mit der Virtual Appliance mitwandern. Zum Jahreswechsel folgen
sollen Vcenter Configcontrol zur Überwachung der Konfiguration der Vsphere-Infrastruktur sowie
Capacity IQ für das Kapazitäts-Management.

Vcloud verbindet interne und externe Clouds

Die über Vcloud zu einer gemeinsamen Infrastruktur verbundenen internen und externen
Ressourcen lassen sich laut VMware von einem Vcenter aus gemeinsam administrieren. Die
Ausfallsicherheit lässt sich dabei per Site Recovery Manager standortübergreifend überwachen. Um
laufende VMs auch in entfernt angesiedelte Clouds migrieren zu können, hat VMware Long Distance
Vmotion für Entfernungen bis zu 200 km in Arbeit. Probleme bereitet dabei laut VMware nicht die
Virtual Disk selbst, sondern die Frage, ob die Applikation danach noch funktioniert. Dazu setzt man
auf Lösungen wie Ciscos Data Center Management oder F5s Big-IP. Für die ebenfalls problematische
Synchronisation der Speicherumgebungen hat EMC auf der VMworld eine Lösung als Beta gezeigt.

Die Vcloud-API verschafft Zugang zu Self-Service-Portalen, Vcenter-Client-Plug-ins sowie
Programmen von Drittanbietern. VMware nutzt dabei OVF (Open Virtualization Format) als Standard, um
virtualisierte Programme einheitlich zu beschreiben. Unter dem Namen "Vcloud Express" ist derzeit
ein Marktplatz für Cloud-Anbieter im Beta-Stadium: Service-Provider stellen hier ihre Angebote ein,
die dann per Kreditkarte zu buchen sind. Um als flexibler Plattform-Provider (Platform as a
Service, PaaS) für Drittanbieter agieren zu können, hat VMware kürzlich mit Springsource den
Anbieter einer Entwicklungsplattform für Java-Applikationen akquiriert.

VMware Go soll den Einstieg in die Virtualisierung erheblich erleichtern: Der kostenlose
Web-Service, derzeit ebenfalls noch eine Beta, automatisiert die Installation und Konfiguration des
Hypervisors ESXi. Damit will VMware Mittelständler erreichen, denen Virtualisierung bislang zu
kompliziert war.

Bei der Desktop-Virtualisierung gab es nur wenig Neues: VMware will per OEM-Vereinbarung mit
RTO deren Virtual-Profiles-Technik in die VDI-Lösung View integrieren. Damit erhält ein Desktop
eine kontinuierliche "Personality" aus Profil und Daten. Noch dieses Jahr soll die mit Teradici
gemeinsam entwickelte Softwareimplementierung von PC over IP (PCoIP) erhältlich werden, die
Fernzugriffe auf virtuelle Desktops beschleunigt.

Citrix Xendesktop 4 als View-Alternative

Citrix hat für den jüngst vorgestellten Xen­desktop 4 (XD4) die "Revolution" der
Desktop-Bereitstellung ausgerufen. Offenbar haut das Citrix-Marketing deshalb so auf den Putz, weil
man XD4 als die deutlich flexiblere Desktop-Virtualisierungslösung positionieren möchte: Ist die
XD4-Standard-Edition ausschließlich für VDI konzipiert und damit direkter View-Konkurrent, so
beherrschen die Enterprise- und Platinum-Editionen dank eines Bundlings mit dem SBC-Flaggschiff
Xenapp diverse Bereitstellungsverfahren: zentral gehostete Applikationen (also klassisches SBC)
ebenso wie Hosted Virtual Desktops (HVD à la View) und Fernzugriff auf individuelle Blade-PCs,
Application Streaming (wie VMware Thinapp oder Microsoft App-V) inklusive Offline-Nutzung, zudem
Mischformen wie HVD mit integrierten SBC-Applikationen etc. Citrix nennt diese Bandbreite der
Bereitstellung "Flexcast" – noch ist aber unklar, wie jenseits des Bundlings bestehender Produkte
die technische Roadmap für Flexcast aussieht.

Sein Fernzugriffsprotokoll ICA hat Citrix unter dem Namen "HDX" um neue
Optimierungsfunktionen erweitert. So bietet HDX nun Beschleunigung für 3D-Grafiken sowie
Multimedia- und Flash-Inhalte, zudem USB-Redirects für die Nutzung von USB-Peripherie in
VDI-Sessions. Ähnliche Funktionalität hat Thin-Client-Hersteller Wyse bereits vor einiger Zeit mit
TCX zum Aufpeppen des von Microsoft und VMware genutzten Protokolls RDP vorgestellt. VMware hat TCX
zusätzlich zur PCoIP-Partnerschaft mit Teradici lizenziert. Citrix betont, HDX sei deutlich
schneller als PCoIP.

Da mit XenDesktop 4 auch der Offline-Betrieb von Desktops möglich ist, stellt Citrix die
XD4-Lizenzierung von Concurrent-User- auf Named-User-Lizenzen um. Auf die Unternehmen könnten da
erhebliche Mehrkosten zukommen. Um XenApp-Anwender zu locken, offeriert Citrix deshalb zeitweise
ein 2:1-Trade-up-Programm. Großkunden werden hier sicher individuelle Vereinbarung treffen wollen.

Thin Clients als schlanke Endgeräte

Aufwind für Desktop-Virtualisierung kann den Herstellern von Thin Clients (TCs) neue Märkte
bescheren: VDI-Szenarien erfordern nur schlanke Clients, höchstens noch mit genug Power für die
lokale Multimedia-Darstellung. Wyse hat mit der C-Class eine neue Serie kompakter TCs mit
hardwarebasierter Grafikbeschleunigung und integriertem WLAN im Angebot, zudem wurde die
TCX-Software um Flash-Beschleunigung ergänzt. Mit Wyses nützlichem Tool Pocketcloud greifen
Anwender vom Iphone oder Ipod Touch auf ihre virtuellen Desktops zu, Administratoren auf jedes
Gerät im Netzwerk. Pocketcloud ist im Itunes App Store erhältlich. Zudem gibt es neuerdings
zahlreiche Tools für die PC-zu-TC-Migration, bei Wyse "Projekt Borg" genannt. Igel hat mit UDC
(Universal Desktop Converter) einen USB-Stick zur schnellen Konvertierung von PCs zu TCs
vorgestellt. Die österreichische Liscon bietet ein ähnliches Tool. HP offeriert mit dem st5548 und
dem st5738 nun auch TCs mit Unicons Linux-Variante Elux.

Dr. Wilhelm Greiner


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