Harvard-Professor Nicholas Carr sieht die IT-Zukunft nur noch in den Wolken

Salesforce erhält kräftige Unterstützung von Nicolas Carr

21. April 2008, 11:21 Uhr |

Harvard-Professor Nicolas Carr war noch vor wenigen Jahren das Enfant Terrible der IT-Welt. Doch inzwischen hat er sich längst mit den meisten seiner einstigen Kritiker arrangiert. Heute ist er ein eifriger Verfechter von Cloud Computing und Software as a Service (SaaS). Damit stößt er auf offene Ohren bei den entsprechenden Anbietern - vor allem beim SaaS-Pionier Salesforce und dessen Gründer Marc Benioff. "Wir erleben derzeit bei der Nutzung von IT-Leistungen den gleichen Wechsel wie einst bei der Umstellung von einer internen Energieversorgung auf die Netzversorgung", sagt Carr, der vor fünf Jahren mit seinem provozierenden Harvard-Business-Review-Artikel "IT doesn?t matter" ("IT hat keine Bedeutung") Furore machte.

Damals unterstellte er der IT keine Geschäftsrelevanz mehr, da jedes Unternehmen auf die
gleichen IT-Ressourcen zugreife. Carr erhielt daraufhin viel Schelte. Im Wesentlichen wurde ihm
vorgeworfen, dass er IT-Prozesse mit Geschäftsprozessen verwechselt hat und es selbst bei der
Nutzung von Standardsoftware erhebliche Individualisierungsmöglichkeiten gibt, worüber sich ein
Unternehmen ganz erheblich von der Konkurrenz abheben kann.

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Jetzt präzisiert Carr in seinem neuen Buch "The Big Switch" den damaligen Pauschalvorwurf. So
bestätigt er neuerdings, dass sich Unternehmen über die Nutzung ihrer IT durchaus differenzieren
können. Doch dafür benötigen sie seiner Ansicht nach keine eigene IT-Infrastruktur mehr. "Cloud
Computing und SaaS sind der nächste konsequente Schritt als Folge eines immer schnelleren und
leistungsfähigeren Netzes", so sein Fazit.

Als Beispiele führt er vor allem Google, Amazon und Salesforce ins Feld, die er als Trendsetter
auf diesem Gebiet einstuft. "Die Verkäufer von Salesforce haben heute bei den CIOs mit den gleichen
Problemen zu kämpfen wie einst die Verkäufer der Energieversorger mit den ?Vizepräsidenten für die
eigene Energieerzeugung‘: Beide fürchten um den Bestand ihrer Erbhöfe", lautet Carrs Vergleich.
Doch der Widerstand der CIOs sei nur eine vorübergehende Erscheinung. "Die Zahlen sprechen für
sich: Cloud-basierter Storage und Cloud-basierte Applikationen sind um ein Vielfaches günstiger als
jede Inhouse-Lösung – und das werden immer mehr Fachabteilungen ihren IT-Chefs unter die Nase
halten."

Carr geht sogar noch einen Schritt weiter und sieht diese Entwicklung im Rahmen eines globalen
Konkurrenzkampfes: "Gerade die heutigen Schwellenländer, in denen es bislang noch kaum IT-Chefs
gibt, stürzen sich auf servicebasierte Lösungen. In Verbindung mit ihren Lohnvorteilen haben sie
sehr gute Chancen, mit den Industrieländern zu konkurrieren und noch mehr Outsourcing-Aufträge
einzufahren." Fortschrittliche IT-Chefs sowie viele unabhängige Softwarehäuser (ISVs) hätten das
inzwischen erkannt und würden sich und die IT-Landschaft umstellen. "CIOs die einmal genau
nachrechnen, was sie allein die Aufrechterhaltung des IT-Betriebs kostet, werden schnell
herausfinden, warum die Nutzer von Cloud-Computing sowohl günstiger als auch innovativer in ihrer
IT-Nutzung sind." Dies deckt sich mit den Prognosen vieler Analysten. Gartner meint beispielsweise,
dass SaaS schon in vier Jahren ein Viertel des Applikationsmarkts ausmachen wird. Das wären dann
über 80 Milliarden Dollar.

Diese Nachrichten sind Musik in den Ohren von Marc Benioff, CEO beim führenden SaaS-Anbieter
Salesforce. Gerade die jüngste Integration mit den Google-Apps hat den einstigen SaaS-CRM-Pionier
in die Schlagzeilen gebracht. Bei dieser Integration lassen sich jetzt aus der
Salesforce-CRM-Plattform heraus die Google-Module Gmail, Google-Docs, Google-Talk und
Google-Calendar nutzen. "Wir haben das Cloud-Computing erweitert und damit den CIOs einen weitern
Grund für die Nutzung im Unternehmensumfeld gegeben", so Benioff. Er geht mit seiner Ansicht über
die Zukunft des Cloud-Computing inzwischen so weit, dass er er den Softwareentwicklern dringend
rät, sich über ihre Zukunft klarzuwerden. Es gebe zwei Alternativen: "Entweder weiter an veralteten
Inhouse-Lösungen herumlöten oder auf die nächste Softwaregeneration an servicebasierten Lösungen
setzen."

Mit Letzterem meint er natürlich seine Entwicklungsplattform Appexchange sowie seine
Serviceplattform Force.com. Über die Hälfte aller Salesforce-Transaktionen erfolgen inzwischen über
diese erst vor zwei Jahren vorgestellte Plattform. Rund 34.000 individuelle Objekte haben die
Kunden und ISV inzwischen auf dieser Plattform erstellt, die über die
Force-Anwendungsschnittstellen (APIs) mit allen gängigen Anwendungsprogrammen verbunden sind. "
Jeden Monat werden aus Force.com heraus 1,6 Milliarden Aufrufe an Fremdapplikationen, wie Oracle,
SAP, Cisco und andere getätigt, ich meine das spricht Bände über die Integrationsfähigkeit unser
Plattform", so Benioff.

Die Kunden für diese Plattform kommen aus allen Branchen und Größenordnungen. Die Investmentbank
Morgan Stanley hat darüber eine Software für die Personalbeschaffung entwickelt, Dolby managt mit
einer von Appiro entwickelten Force-Lösung die Distribution und Abrechnung digitaler Filme an die
US-Kinos, und der britische ISV Coda hat sein neues Angebot einer On-Demand-Buchhaltung komplett
unter Force.com entwickelt. Insgesamt hostet Salesforce inzwischen über 60.000 Applikationen von
41.000 Kunden mit 1,1 Millionen Anwendern. Zu den Kunden gehören unter anderen AMD, Air Products,
Avis-Budget, Dow Jones, Expedia, Sprint, Time Warner, Citi-Group, Canon, Symantec, Avaya, Dell und
Yamaha.

Harald Weiss/wg


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